Proteste gegen das neue Kohlekraftwerk Datteln IV führen immer wieder zu Spannungen zwischen Journalistinnen und Journalisten und Ordnungskräften. so auch am 29. Mai, als Aktionen von Umweltschützern angekündigt waren. Schon im Vorfeld erteilte die Polizei Recklinghausen einigen Kolleginnen und Kollegen Aufenthaltsverbote für das Kraftwerksgelände und mehrere umliegende öffentliche Straßen. Der Grund: Sie hatten im Februar von einer illegalen Protestaktion auf dem Kraftwerksgelände berichtet.
„Gefahr für die öffentliche Sicherheit“
Unter den Betroffenen waren Anett Selle und Björn Kietzmann, die die Behinderung ihrer Arbeit via Twitter öffentlich machten. Selle veröffentlichte einen Ausriss aus einem Behördenschreiben mit der Bemerkung: „Ein Polizeipräsidium in NRW hat zahlreiche Journalist*innen zur Gefahr für die öffentliche Sicherheit erklärt. Dann hat sie örtlich begrenzte Berufsverbote erteilt. Ohne Schuldspruch, Verhandlung oder abgeschlossenes Ermittlungsverfahren.“
Fotograf Kietzmann hatte sich vor Gericht erfolgreich gegen ein längerfristig verhängtes Aufenthalts- und Betretungsverbot für das Kraftwerksgelände und die nähere Umgebung gewehrt. Trotzdem wurde ihm am 29. Mai ein erneuter Platzverweis nach Polizeigesetz erteilt.
DJV-Bundes- und Landesverband reagierten schnell und kritisierten das Vorgehen der Polizei Recklinghausen. „Pressefreiheit sieht anders aus!“, schrieb der DJV-NRW auf Twitter und bot betroffenen Kolleginnen und Kollegen umgehend juristische Hilfe an. Zusätzlich zur öffentlich geäußerten Kritik nahm der Landesverband wegen der Einschränkungen direkt am Wochenende Kontakt zur Polizei Recklinghausen auf. Auch der Bundesverband forderte, dass Journalistinnen und Journalisten auf jeden Fall ungehindert berichten können müssen.
Verweis an die Polizeipressestelle
Wie die taz berichtete, fand die Polizei, dass das Aufenthaltsverbot rund um das Kraftwerk die Reporterin nicht an der Ausübung ihres Berufs hindere. Sie zitiert das Polizeipräsidium Recklinghausen: „Es besteht keine Notwendigkeit für Sie, für Ihre Berichterstattung das Gelände zur Erlangung von Informationen zu betreten.“ Die Pressestelle der Polizei stehe „außerhalb des Verbotsbereichs für Fragen zur Verfügung“.
Natürlich ist das für Journalistinnen und Journalisten kein Ersatz. Der Presseausweis soll ja gerade die Möglichkeit schaffen, sich vor Ort und nah am Geschehen ein eigenes Bild zu machen. Der DJV verweist zudem bei solchen Gelegenheiten darauf, dass die Polizei bei Auseinandersetzungen eben Partei ist und nicht unparteiischer Beobachter: So hatte der DJV-Vorsitzende Frank Überall im Juli 2019 im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Aktionen von Klimaaktivisten am Tagebau Garzweiler Medien aufgefordert, Meldungen und Informationen der Polizeibehörden in allen Fällen kritisch zu hinterfragen. Damit Redaktionen über genügend Material verfügen, seien Bilder und Informationen von Journalisten vor Ort unverzichtbar. Es sei Aufgabe der Polizei, die anwesenden Reporterinnen und Reporter in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Der DJV-NRW setzt sich seit Langem für die bessere Ausbildung von Polizisten in Sachen Pressefreiheit und Schutz von Medienschaffenden ein (siehe auch „Hass und Angriffe nehmen zu“). Im Nachgang zu den aktuellen Vorfällen haben der Landesvorsitzende Frank Stach und Geschäftsführer Volkmar Kah einen Termin mit der Polizei in Recklinghausen vereinbart. „Wir setzen auf den Dialog und wollen einmal mehr im direkten Austausch mit den Ordnungsbehörden deutlich machen, was es konkret heißt, dass die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten durch das Grundgesetz geschützt ist“, erklärte Kah. „Wir sehen oft, dass der Schulungsbedarf bei jungen Einsatzkräften hoch ist. Aber in diesem Fall zeigten auch die Führungskräfte Wissenslücken.“ ||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2020.