Am letzten Samstag im Januar landete der Kölner Wochenspiegel (KWS) ganz unspektakulär in den Briefkästen und Hausfluren der Stadt. Ein dicker Packen Papier, der allerdings zu einem guten Teil aus Beilagen bestand: Elektronik-, Bau- und Möbelmärkte, Discounter und Drogeriebedarf. Das Anzeigenblatt selbst ist in der jüngeren Vergangenheit dünn geworden.
Kurzer Rückblick auf Jahrzehnte
Dass sich der Wochenspiegel mit der Ausgabe vom 28./29. Januar nach knapp 60 Jahren sang- und klanglos aus der Kölner Zeitungslandschaft verabschiedet, erfuhr nur, wer genau hinschaute. Auf Seite 5 blickt eine halbe Seite mit Text und Bildern aus dem Archiv auf die zurückliegenden Jahrzehnte: Aus einer Wochenzeitung für den Kölner Stadtteil Ehrenfeld, die der Journalist Willi Rehm im Dezember 1958 gründete, wurde einige Jahre später eine Wochenzeitung für ganz Köln.
Ein klassisches Anzeigenblatt, das in seiner besten Zeit dreizehn Stadtteilausgaben hatte, zuletzt waren es elf. Unterstützt von freien Kolleginnen und Kollegen berichtete die KWS-Redaktion über die Arbeit der Bezirksvertretungen und über Bauprojekte, über Vereine und Bürgerinitiativen, Geschäfte vor Ort und lokale Künstler, über Adventsmärkte, ehrenamtliche Projekte und – es ging ja um Köln – natürlich auch ausführlich über den Karneval. Nun hat DuMont die traditionsreiche Wochenzeitung in Rente geschickt.
Das verbliebene DuMont-Geschäftsfeld Regionalmedien
Das DuMont-Geschäftsfeld Regionalmedien heißt seit Oktober 2021 Kölner Stadt-Anzeiger Medien (vorher DuMont Rheinland). Es umfasst die journalistischen Aktivitäten, die 2019 nach der großen Portfolio-Bereinigung übriggeblieben sind: Kölner Stadt-Anzeiger, Express und Kölnische Rundschau, Rheinische Redaktionsgemeinschaft, diverse Wochenzeitungen, die unter dem Sammelbegriff Rheinische Anzeigenblätter in der RAG Redaktionsservice GmbH erscheinen, sieben Lokalsender sowie die Onlineauftritte aller Medien und weitere Webportale, vor allem im Bereich der ehemaligen Rubrikenanzeigen./cbl
Wieder eine andere Tochtergesellschaft
Natürlich gibt DuMont das immer noch lukrative Geschäft mit den Anzeigenblättern in Köln nicht auf. Eine ganzseitige, leuchtend rote Anzeige auf der letzten Seite des letzten KWS verrät, wie es weitergeht: Eine neue Wochenzeitung namens Express – Die Woche soll „et echte kölsche Jeföhl“ einmal wöchentlich ins Haus bringen. Dafür ändert sich mehr als Name, Logo und Layout: Anders als der KWS wird das Nachfolgeblatt nicht mehr bei der RAG Redaktionsservice GmbH erscheinen, dem bisherigen Dienstleister, der die DuMont-Anzeigenblätter („Rheinische Anzeigenblätter“) erstellt.
Erst im vergangenen Jahr war der KWS von der Kölner Anzeigenblatt GmbH in diese Gesellschaft übergegangen. Zu den Rheinischen Anzeigenblättern gehören neben dem nun eingestellten Kölner Wochenspiegel die Anzeigenblätter für die Regionen Bonn, Euskirchen, Leverkusen, Oberberg, Rhein-Berg, Rhein-Erft und Rhein-Sieg mit zahlreichen Unterausgaben. Ob längerfristig weitere der Rheinischen Anzeigenblätter dem neuen Konzept und Layout folgen sollen, verrät DuMont nicht. Mit dem KWS verliert die RAG Redaktionsservice GmbH nach Aussagen von Mitarbeitenden jedenfalls ihr größtes und profitabelstes Anzeigenblatt und muss wohl einige ihrer bisher 17 redaktionellen Stellen abgeben. Dem Kölner Wochenspiegel waren dort bisher drei Stellen zugerechnet.
Aus dem Intranet erfahren
Die Redaktion des KWS soll im vergangenen Jahr aus dem Intranet erfahren haben, dass „ihre“ Wochenzeitung eingestellt wird. Die dort beschäftigten freien Journalistinnen und Journalisten wurden dann von der Redaktion informiert.
Der Express – Die Woche wandert nun in eine andere DuMont-Tochter: Blattplanung und Umbruch erfolgen bei einem Dienstleister mit Sitz in Brühl, der VSW Verlag Schlossbote/Werbekurier GmbH & Co. KG. Die lokale Vermarktung für die Kölner Kunden übernehmen nach Verlagsangaben die Kölner Stadt-Anzeiger Medien. Für die neue Redaktion sollen dem Vernehmen nach wieder drei redaktionelle Stellen ausgeschrieben worden sein, für die sich Mitarbeitende der RAG Redaktionsservice GmbH bewerben konnten.
Der Verlag macht keine Angaben dazu, ob Redakteurinnen und Redakteure der RAG Redaktionsservice GmbH durch die Umstellung ihre Stelle oder freie Journalistinnen und Journalisten ihre Aufträge verlieren. Der DJV-NRW appelliert an den Verlag, dass für alle Beschäftigten eine Perspektive innerhalb der Kölner Stadt-Anzeiger Medien (vorher DuMont Rheinland) gefunden wird, und an die neue Redaktion, dass die bisher für den KWS tätigen Freien weiter aus den Kölner Stadtteilen berichten können.
„Weitestgehend unabhängig“ vom Express
Erklärtermaßen wird sich das Layout der neuen Kölner Wochenzeitung an den Express anlehnen. Inhaltlich soll es nach Auskunft einer Verlagssprecherin aber zwischen Anzeigenblatt und Kaufzeitung „wenn überhaupt nur minimale Überschneidungen geben“. Danach sollen die beiden Redaktionen „weitestgehend unabhängig voneinander“ arbeiten.
Die sublokale Berichterstattung als Ergänzung zu Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnischer Rundschau soll erhalten bleiben: Auch die neue Wochenzeitung soll in elf Ausgaben erscheinen, aber „redaktionell modern realisiert“ werden, wie es aus der Pressestelle heißt. „Modern“ heißt in dem Fall offenbar boulevardesk. Ob das nur für die Gestaltung gilt oder auch für die Art der Inhalte, werden die ersten Ausgaben zeigen.
Problemfall Express
Mit dem neuen Konzept lehnt sich die neue Kölner Wochenzeitung an ein Medium an, das zumindest im Printbereich selbst in schweren Fahrwassern ist. Die Druckauflauflage des Express fällt stetig und in der Regel stärker als der Durchschnitt des Boulevardsegments. Die verkaufte Auflage ist im vergangenen Jahr unter die 50.000 gerutscht. DuMont setzt deswegen stark auf den Onlineauftritt express.de, dessen Reichweite nach Verlagsangaben bei 30 Millionen Websitebesuchen pro Monat liegt.
Das Ziel des Verlags: Das gedruckte Boulevardblatt, die hohen digitalen Reichweiten des Portals und die neu gestaltete Anzeigenzeitung sollen gemeinsam auf die Marke Express einzahlen, um sie zu festigen. Darüber hinaus vermuten manche, dass DuMont mit dem Express – Die Woche schon mal einen Namensanker in der Printwelt setzen will. So ließe sich eine Art Hafen für die Traditionsmarke bauen, falls der gedruckte Express aus den Verkaufskästen und den Kiosken verschwindet.
Ob diese Rechnung aufgehen kann, muss sich zeigen. Zwar landeten in der Vergangenheit sicher viele Exemplare ungelesen im Altpapier, wie das bei Anzeigenblättern so ist. Aber der Wochenspiegel hatte treue Leserinnen und Leser, die für die neue Aufmachung und gegebenenfalls auch für anders gewichtete Inhalte erst gewonnen werden müssen. ||
Ein Beitrag aus dem JOURNAL NRW, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2022.