Siebeneinhalb Jahrzehnte stecken voller Geschichten. Das sind zum einen die Entwicklungen, die die Branche und unser Beruf in dieser Zeit genommen haben (siehe dazu auch Damals und heute. 75 Jahre DJV-Landesverband Nordrhein-Westfalen). Das sind aber auch die Erinnerungen vieler Menschen, die sich für die anderen engagiert haben. Denn der DJV in Nordrhein-Westfalen lebt von einer starken Verknüpfung zwischen der Geschäftsstelle und den vielen, die mit großer Motivation ehrenamtlich arbeiten – in den Vorständen auf Landes- und Ortsebene, in den Fachausschüssen, den Betriebsgruppen und Tarifkommissionen und an vielen weiteren Stellen.
Mit Zeit und viel Energie haben alle Kolleginnen und Kollegen daran gearbeitet, dass der DJV in NRW und auf Bundesebene sich weiterentwickelt und den Bedürfnissen seiner Mitglieder immer wieder neu und besser gerecht wird. Das hat häufig geklappt, aber natürlich konnte auch nicht jedes Vorhaben zum Erfolg werden.
Stellvertretend für all die Engagierten hat das JOURNAL mit den vier Vorsitzenden seit 1989 gesprochen, wie sie auf ihre Amtszeit zurückblicken.
1970er bis 1980er Jahre: Mediengewerkschaft oder nicht?
Der DJV-NRW gehört zu den bewusst gewerkschaftlich orientierten Landesverbänden im Verband und beschäftigte sich immer wieder mit der Frage einer Mediengewerkschaft. In den 1950er Jahren bestand zeitweise eine Arbeitsgemeinschaft des DJV mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG). In den 1970ern warb der RWJV unter dem Vorsitzenden Dr. Joachim Besser (1971 bis 77) im Bundesverband für eine Annäherung an den DGB. Gedacht war an eine Mediengewerkschaft, die journalistische Berufe aller Mediengattungen organisieren sollte, aber auch aus den Bereichen Schriftstellerei, bildende und darstellende Künste sowie aus Technik und Verwaltung. Der DGB hatte damals keinen Platz für eine solche Mediengewerkschaft. Deswegen fasste der DJV-Verbandstag 1973 in Hamburg den Beschluss, im eigenen Verband die gewerkschaftliche Seite zu stärken.
In den 1980er Jahre warb der RWJV erneut für eine Mediengewerkschaft. Unter dem Vorsitzenden Werner Reuter (1977 bis 83) bekräftigte der RWJV-Verbandstag in Gütersloh 1981 das Ziel, alle in der Publizistik tätigen Gewerkschaften in einer Organisation zusammenzuführen. Der Impuls aus NRW überzeugte auf Bundesebene. Dabei half sicherlich, dass mit dem WDR-Nachrichtenredakteur Christian Schneider (Foto) ein NRWler den Bundesvorstand anführte. In den Folgejahren arbeiteten mehrere DJV-Verbandstage an diesem Vorhaben – 1981 formulierten die Delegierten das Ziel, schrieben es 1982 im DJV-Grundsatzprogramm fest und beauftragten den Vorstand mit den Verhandlungen und bestätigten die Beschlüsse zur Mediengewerkschaft 1983 erneut. Aber die Verhandlungen erwiesen sich als schwierig. Sie scheiterten schließlich daran, dass die IG Druck und Papier auf ihrem Gewerkschaftstag 1983 den eigenen Führungsanspruch in einer künftigen Mediengewerkschaft zementierte, der aus Sicht des DJV-Vorstands und vieler Aktiver in den Landesverbänden die politische Pluralität in Frage stellte.
Im April 1984 begrub ein außerordentlicher Bundes-Verbandstag in Köln die Pläne zur Bildung einer Mediengewerkschaft. Stattdessen fiel erneut der Beschluss, die gewerkschaftliche Kraft zu stärken. Entsprechende Schritte sollte eine Satzungsänderung beim ordentlichen Verbandstag im November auf den Weg bringen. Weil die scheiterte, trat der Vorstand mit NRW-Mann Christian Schneider an der Spitze zurück. Im darauffolgenden Frühjahr wurde Schneider zum Landesvorsitzenden in NRW gewählt und blieb bis 1989 im Amt./cbl
Michael Kroemer (1989 bis 2003)
In die Amtszeit von Michael Kroemer fällt unter anderem die erste Organisationsuntersuchung, mit der der Landesverband seine eigenen Strukturen und Arbeitsweisen reflektiert und überarbeitet hat. Zudem fällte der Landesvorstand Ender der 1990er Jahre die Entscheidung, das Haus in der Humboldtstraße zu erwerben. Vorher saß die Geschäftsstelle in einer Büroetage in der Kronprinzenstraße, die zu klein geworden war.
Während seiner Amtszeit war Michael Kroemer Pressesprecher der Bergischen Universität Wuppertal. Von 1985 bis 2019 gehörte er den Aufsichtsgremien des WDR an, zunächst als Mitglied im Rundfunkrat, später im Verwaltungsrat.
JOURNAL: Wie blickst Du auf Deine Amtszeit und den damaligen DJV-NRW zurück?
Michael Kroemer: Insgesamt überblicke ich eine Zeitspanne von ca. 40 Jahren. 1981 erstmals in den Landesvorstand des (damals noch) Rheinisch-Westfälischen Journalisten-Verbands (RWJV) gewählt (in Gütersloh und gemeinsam mit Lothar Kaiser, Rolf Lautenbach und Katrin Schowanek), beschäftigte den DJV bundesweit die Auseinandersetzung um eine Mediengewerkschaft (siehe Kasten oben „1970er bis 1980er Jahre: Mediengewerkschaft oder nicht?“). Christian Schneider, damals noch Personalratsvorsitzender des WDR und DJV-Bundesvorsitzender, stand an der Spitze der Bewegung. Das Vorhaben scheiterte krachend, Christian trat zurück. Der DJV-NRW verfolgte jedoch weiterhin konsequent die Linie als Gewerkschaft und Berufsverband. 1989 wurde ich in Dortmund zum Landesvorsitzenden gewählt, Lothar zu meinem Stellvertreter; auch Katrin kam in den Landesvorstand.
In meiner Amtszeit habe ich versucht, das zu entwickeln bzw. zu fördern, was man „Corporate Identity“ nennt. Praktisch sah das zum Beispiel so aus, dass ich in den beiden ersten Amtsjahren sämtliche Ortsvereine besucht habe, einige mehrfach. Das wurde mir hoch angerechnet und gab enormen Auf- und Antrieb. Insgesamt bezeichne ich meine Amtszeit – 22 Jahre Landesvorstand, davon 14 Jahre Vorsitzender – als erfolgreich, nach innen und nach außen.
JOURNAL: Was war für Dich das Einschneidendste in diesen Jahren?
Kroemer: Das Einschneidendste in diesen Jahren erfolgte erst ein Jahr nach meinem Ausscheiden als Vorsitzender, nämlich der Rauswurf zweier kompletter Landesverbände, Berlin und Brandenburg, mit 5 400 Mitgliedern (siehe Kasten unten „Streit um Berlin/Brandenburg“). Beim außerordentlichen DJV-Bundesverbandstag stimmte nur eine Handvoll von NRW-Kolleginnen und Kollegen dagegen, darunter Ulrich Pätzold, Eberhard Wühle, Susanne Uhrig, Hanskarl Willms, Katrin und ich. Wir wurden zum Teil geradezu „geächtet“, bekamen bei Delegiertenbesprechungen nicht einmal das Wort erteilt. Mit mir als Landesvorsitzendem wäre diese Katastrophe nicht geschehen. Damals – 2004 – habe ich mit dem DJV auf viele Jahre Schluss gemacht. 2012 wurde ich durch die Ehrenmitgliedschaft zurück „korrumpiert“. Dass Katrin heute als Mitglied des Bundesvorstands immer noch damit befasst ist, die Spätfolgen des damaligen Rauswurfs zu ordnen, ist eine Ironie der Geschichte.
JOURNAL: Wie schaust Du heute auf den DJV-NRW?
Kroemer: Es fehlt genau das, was ich oben mit „Corporate Identity“ beschrieben habe. Vielleicht darf man – ganz altmodisch – auch von „Zusammenhalt“ sprechen. Die Fliehkräfte sind stark, dagegen anzureden oder zu -schreiben, erinnert an Sisyphos. Die Attraktivität des DJV hat heftig eingebüßt. 6 000 Mitgliedern heute stehen 8 000 von damals gegenüber. In zahlreichen Zeitungsredaktionen spielt der DJV heute kaum noch eine Rolle. Die Freien geben zu sehr den Ton an.
Streit um Berlin/Brandenburg
Wahlmanipulation, „Wahltourismus“ und eine unsaubere Aufnahmepraxis: Gegen die DJV-Landesverbände Berlin und Brandenburg gab es 2004 massive Vorwürfe. Auf einem außerordentlichen Verbandstag in Frankfurt im Juli 2004 stimmten die Delegierten nach mehrstündiger Debatte mit sehr großer Mehrheit für den Ausschluss der beiden Landesverbände „wegen verbandsschädigenden Verhaltens mit sofortiger Wirkung“ (Berlin 243 Ja- von 284 abgegebenen Stimmen, Brandenburg 244 Ja- von 269 abgegebenen Stimmen). Die ausgeschlossenen Verbände klagten erfolgreich gegen den Beschluss – unter anderem, weil die Abstimmung nicht geheim erfolgte.
Unabhängig von diesen Verfahren entstanden in Berlin und Brandenburg zwei neue DJV-Landesverbände, die der DJV-NRW – ebenso wie andere Landesverbände und der Bundesverband – in der Gründungszeit mit Darlehn unterstützte. Die Bemühungen um deren Fusion zu einem starken Hauptstadtverband zogen sich hin: Erst 2014 schlossen sich die beiden „neuen“ Verbände zum Journalisten-Verband Berlin-Brandenburg (JVBB) zusammen, 2019 erfolgte auch der Zusammenschluss mit dem „alten“ DJV Berlin. Gemäß einer Vereinbarung von 2017 wurden damit die Restforderungen aus den Darlehn erlassen.
Neben den langjährigen Doppelstrukturen in Berlin und Brandenburg beschäftigte vor allem der „alte“ Verband Brandenburg den Bundesverband und die anderen Landesverbände mit internen Auseinandersetzungen und Prozessen./cbl
Gregor Spohr (2003 bis 2007)
Mit Gregor Spohr wurde ein Tageszeitungsredakteur an die Spitze gewählt. Der Lokalchef der Hertener Allgemeinen reduzierte seine Arbeitszeit, um regelmäßig in der Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf vor Ort zu ein. Unter seinem Vorsitz arbeitete der Vorstand daran, die Mitglieder auch jenseits der Ortsvereine und Betriebe zu erreichen.
JOURNAL: Du wurdest 2003 gewählt und dann erneut 2005. Wie blickst Du auf Deine Amtszeit und den damaligen DJV-NRW zurück?
Gregor Spohr: Wir waren damals ein tolles Vorstandsteam. Die Sitzungen im Landesvorstand und im Gesamtvorstand waren tatsächlich ein Genuss. Wir haben viel angestoßen, um den DJV-NRW weiterzubringen. Dazu gehörte 2004 der erste Journalistentag. Wir wollten neben dem Gewerkschaftstag mit seinen Regularien eine Möglichkeit schaffen, uns inhaltlich mit unserem Beruf und der Branche auseinanderzusetzen. Auch, um so für Jüngere attraktiv zu sein. 2005 gab es zudem einen ersten Freientag. Denn ich war schon damals überzeugt, dass der DJV-NRW sich besonders um diese Gruppe kümmern muss.
Und noch eins war mir in meiner Amtszeit und darüber hinaus sehr wichtig: meine Mitarbeit in den Gremien der Presseversorgung. Das war nach außen nicht so sichtbar, aber da hatte ich das Gefühl, sehr viel für unsere Mitglieder tun zu können – im Einvernehmen mit den dort vertretenen sozial eingestellten Verlegern. Eine gute Altersversorgung macht sich in den späteren Lebensjahren ja echt bezahlt, und dafür konnte ich an wichtigen Beschlüssen mitarbeiten.
JOURNAL: Was war für Dich besonders einschneidend in Deinen Jahren als Vorsitzender?
Spohr: Das war einiges. In meine Amtszeit fiel der Beginn des großen Umbruchs vor allem in den Zeitungsredaktionen: In den großen Streiks ging es zunehmend darum, Verschlechterungen abzuwehren. Damals begannen auch die Auslagerungen in kleine, tarifungebundene Gesellschaften – und die Redaktionsschließungen. 2006 erschien nach knapp 125 Jahren die letzte Ausgabe der Buerschen Zeitung. 2007, gegen Ende meiner Amtszeit, gab es den „Fall Münster“: Von einem Tag auf den anderen entzog Verleger Lambert Lensing-Wolff bei der Münsterschen Zeitung der kompletten Lokaledaktion den Produktionsauftrag und übergab ihn an eine neue Redaktionsgesellschaft, die nicht dem Tarif unterlag. Ein Tabubruch, der bundesweit für Aufmerksamkeit sorgte.
Etwas sehr Entscheidendes fand in diesen Jahren im Bundesverband statt, aber das hatte auch Auswirkungen auf den DJV-NRW: Das war 2004 die Entscheidung, die Landesverbände Brandenburg und Berlin aus dem Bundesverband auszuschließen (siehe auch Kasten oben „Streit um Berlin/Brandenburg“). Das haben die meisten, aber eben nicht alle NRW-Delegierten mitgetragen. Auch wenn die Gerichte diese Ausschluss-Entscheidung gekippt haben und der DJV lange daran arbeiten musste, diese Situation zu bereinigen: Ich bin auch im Nachhinein überzeugt, dass es richtig war, den Ausschluss wenigstens zu versuchen. Aber ich sehe auch, dass es danach einen Riss auch innerhalb des Landesverbands gab, der erst nach und nach und vielleicht immer noch nicht ganz zugewachsen ist.
JOURNAL: Wo steht der DJV-NRW heute? Wo siehst Du die Zukunftsaufgaben?
Spohr: Zu meiner Zeit hatte eine Entwertung der journalistischen Arbeit begonnen, und das hat sich fortgesetzt und die Branche stark verändert. Am sichtbarsten ist das vielleicht bei den Tageszeitungen. Der DJV muss tarifliche Strukturen sichern, wo es geht. Und genauso starke Unterstützung für jene geben, die aus dem Tarif gefallen sind oder als Freie arbeiten.
Ein weiteres Thema ist der Wert des Journalismus: Der DJV muss auch in NRW noch deutlicher machen, dass Journalismus viel mehr ist, als vorgegebenen Flächen mit Beiträgen zu füllen. Es ist gut, dass sich der Landesverband deutlicher zu Wort meldet als früher. Und dass das JOURNAL, für das ich mich schon in meinen Vorstandsjahren immer eingesetzt habe, weiterhin ein starkes Medium ist, das Mitglieder bindet, aber auch darüber hinaus zeigt, wie viel der DJV-NRW zu bieten hat.
Manche sehen es ja kritisch, dass der DJV-NRW immer wieder auf seine eigenen Strukturen geschaut hat. Aber das ist kein Kreisen um sich selbst, sondern der Wille, besser zu werden und mehr für die Mitglieder und die Branche zu erreichen. Ein wichtiger Faktor dabei sind die Ortsvereine. In denen wird oft unglaublich gute Arbeit geleistet, wie ich von den Besuchen in meiner Zeit als Vorsitzender weiß. Die Ortsvereine gilt es zu stärken und zu ermuntern. Denn sie bieten die Gelegenheit, dass Menschen sich persönlich begegnen und Tipps austauschen.
Helmut Dahlmann, 2007 bis 2013
Als Helmut Dahlmann zum Vorsitzenden gewählt wurde, brachte er reichlich Vorstandserfahrung mit, nach zwei Jahren als Beisitzer hatte er sich seit 1997 als Schatzmeister um die Finanzen des Landesverbands gekümmert. Dahlmann arbeitete als Chef vom Dienst bei der damaligen Verlagsgruppe Handelsblatt (heute Handelsblatt Media Group) zunächst für das Wirtschaftsmagazin DM, später nach dessen Verkauf für die absatzwirtschaft und war dort im Betriebsrat engagiert.
JOURNAL: Wie blickst Du auf Deine Amtszeit und den damaligen DJV-NRW zurück?
Helmut Dahlmann: Dass ich etwas für die Kolleginnen und Kollegen erreichen konnte, hat mir immer ein befriedigendes Gefühl gegeben. Das war ja nicht nur als Vorsitzender des DJV-NRW so. Ich war ja schon vorher zwölf Jahre lang als Beisitzer und Schatzmeister im Landesvorstand gewesen – in einer Zeit, als wir unser Haus in der Humboldtstraße kauften und finanzierten. Als Betriebsrat habe ich unter anderem Interessenausgleiche und Sozialpläne mit ausgehandelt. Zudem war ich auch in Tarif-Spitzengesprächen mit den Zeitschriftenverlegern dabei.
Damals war vieles für uns Gewerkschafter noch leichter. In den Jahren, in denen ich Landesvorsitzender war, begann das zu bröckeln, was früher einmal als Sozialpartnerschaft bezeichnet wurde. In den 90er Jahren – da war ich noch ganz frisch im Landesvorstand – haben wir um einen Ausbildungstarifvertrag gestreikt. Die Gehalts- und Manteltarifverträge waren damals noch bei den Verlegern – bei allen Unterschieden in der Interessenlage – vom Bewusstsein geprägt, dass Journalistinnen und Journalisten vernünftig entlohnt werden müssen. Und die Rundfunkanstalten bezahlten oft noch großzügiger. Aber der Konsens von früher galt nicht mehr. So mussten wir 2011 auf die Straße gehen und für eine Erhöhung der Gehälter für Tageszeitungsredakteure kämpfen.
Ich bin damals durchs Land gereist zu Warnstreiks und Protestdemonstrationen und habe auf Kundgebungen gesprochen. Der DJV-NRW hat in dieser Zeit einige Kraft entfaltet und kreative Formen des Protests und Arbeitskampfs entwickelt. Die Bilder des Jahres waren für mich die Kolleginnen und Kollegen in ihren orangen Jacken und mit ihren Trillerpfeifen. Und auf einmal mussten auch die Kolleginnen und Kollegen beim öffentlich-rechtlichen WDR streiken, um ihre Tarifforderungen durchzusetzen,
Noch etwas, das nach innen gerichtet war, war mir in meiner Amtszeit wichtig. Personelle Querelen hatten seinerzeit die Arbeit der Geschäftsstelle gelähmt. Dabei gab es auch erhebliche Kritik und Anfeindungen durch Teile des Gesamtvorstands. Beim Angehen dieses Problems waren an meiner Seite als stellvertretende Vorsitzenden Andrea Hansen und Volkmar Kah. Letzterer profitiert heute als Geschäftsführer von einer leistungsfähigen Geschäftsstelle.
JOURNAL: Was war für Dich das Einschneidendste in diesen Jahren?
Dahlmann: Es gab mehrere einschneidende Ereignisse während meiner Amtszeit. Die wichtigsten hatten alle etwas mit der WAZ-Gruppe, der heutigen Funke Mediengruppe, zu tun.
Der erste große Schlag war die Kündigung von 300 Redaktionsmitgliedern bei der WAZ, ein Drittel der damaligen Belegschaft. Ich vergesse nicht die Protestkundgebung in der Essener Lichtburg und den Auftritt des damaligen WAZ-Geschäftsführers Bodo Hombach, der die Entlassungen zu rechtfertigen suchte.
Und der zweite große Schlag: Handstreichartig wurde die komplette Redaktion der WR, der Westfälischen Rundschau in Dortmund, gekündigt. 120 Kolleginnen und Kollegen wurde von einem Tag auf den anderen der Stuhl vor die Tür gesetzt. Und 180 Freie hatten ihren Auftraggeber verloren. Die Inhalte der sozialdemokratisch geprägten Traditionszeitung kamen und kommen von der bürgerlich-konservativen Konkurrenz. Die Zombie-Zeitung war erfunden. Einfalt statt Vielfalt.
JOURNAL: Wie schaust Du heute auf den DJV-NRW?
Dahlmann: Die Kolleginnen und Kollegen haben es, denke ich, ungleich schwerer, als wir es hatten. Auf der einen Seite hat die Zahl der Redaktionen abgenommen, auf der anderen Seite hat sich die Zahl der Ausgabekanäle erweitert. Social Media ist hinzugekommen. Alles muss immer noch schneller gehen, manchmal auf Kosten der Sorgfalt. Dabei ist das Grundprinzip des Journalismus gleich geblieben: Der Wahrhaftigkeit verpflichtet.
Das alles auch auf DJV-Ebene im Griff zu haben, die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Ausgabeformen im Blick zu haben, das ist schon eine Riesenaufgabe. Unter diesen Umständen finde ich die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen im Landesvorstand, an der Spitze mein Nachfolger Frank Stach, großartig. Dazu eine Mannschaft in der Geschäftsstelle, die den Bedürfnissen der Kolleginnen und Kollegen entgegenkommt.
Der gestartete Markenprozess hat zutage gefördert, welchen Werten der DJV-NRW seit jeher verpflichtet war und ist. Daraus einen Marketing-Prozess zu entwickeln, der neue „Kunden“ – sprich Mitglieder – generiert, ist eine der schwierigen Zukunftsaufgaben. Dafür kann ich dem DJV-NRW nur viel Glück wünschen. Denn die Kolleginnen und Kollegen draußen vor Ort brauchen eine starke und leistungsfähige Vertretung ihrer Interessen.
Frank Stach, 2013 bis heute
Mit Frank Stach wurde erstmals ein freier Journalist an die Spitze des DJV-NRW gewählt. Der WDR-Journalist hatte zuvor zwei Jahre als Beisitzer im Vorstand mitgearbeitet. Schon damals engagierte Stach sich in der WDR-Tarifkommission Freie und saß als ordentliches Mitglied im Personalrat.
JOURNAL: Du bist gerade erneut als Vorsitzender im Amt bestätigt worden. Wie blickst Du auf Deine bisherige Amtszeit? Wie hat sich der DJV-NRW in diesen Jahren verändert?
Frank Stach: Erstmal staune ich darüber, dass ich schon acht Jahre im Amt bin. Und ich staune darüber, mit welcher Rasanz sich unser Beruf ändert und sich damit unser Verband ändern musste. Wir haben das aber ganz gut hinbekommen. Die Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen geben in jedem Jahr einen neuen Schub. Das merke ich schon an meinem eigenen Job als Fernseh- und Radioreporter. Die Entwicklung der Kameratechnik erlaubt heute neue Bildsprachen und hochwertiges Drehen ohne Team, wenn auch mit Limitierungen, die jede Redaktion, jede Autorin und jeder Autor erkennen muss. Der Lernfaktor ist hoch gewesen – aber notwendig, um im Beruf zu bestehen. Ähnlich sieht es in den Innendiensten aus. Und als wäre das jetzt nicht genug Schub, kommt eine Pandemie und verändert den Job noch einmal. Genauso hat sich der DJV anpassen müssen.
Wir sind heute mit unseren Themen auf vielen Kanälen unterwegs. Wir werden als die Stimme wahrgenommen, die relevant über Journalismus redet. Wir haben auch einen überaus wichtigen internen Prozess auf den Weg gebracht, damit wir künftig noch viel mehr Menschen überzeugen, wie wichtig die Mitgliedschaft in unserer Gewerkschaft und unseren Berufsverband ist.
Was sich deutlich verändert hat, ist die Kampfansage der Medienhäuser an die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Wertschätzung unserer Arbeit ist deutlich mehr als früher einem finanztechnischen Kalkül gewichen. Das macht die Arbeit als Gewerkschaft schwieriger. Aber es ist immer noch eine Freude, dass die Kolleginnen und Kollegen sich nicht alles gefallen lassen und dass wir als Gewerkschaft da ungemein helfen können. So gesehen sind wir eine Konstante im Meer der Veränderungen.
JOURNAL: Was war für Dich das Einschneidendste in diesen Jahren?
Stach: Man schaut als Journalistin oder Journalist ja manchmal in Abgründe. Bespielsweise, wenn man Berichterstattung aus dem Gericht macht. Umso erschütternder war es, genau so etwas in den eigenen Reihen erleben zu müssen. Wir hatten einen Betrüger als Geschäftsführer. Und das wir ihm rechtzeitig auf die Schliche gekommen sind, das rechne ich einigen aus dem Vorstand ganz hoch an.
Diese Zeiten waren auch für mich persönlich sehr schwierig. Ständig diese Frage an mich selbst: Hättest du das nicht eher merken müssen? Was für mich in dieser schwierigen Zeit aber dann das einschneidende Erlebnis war, ist die große innere Solidarität im DJV-NRW gewesen. Die hat mich getragen. Wir haben gemeinsam aufgeräumt – und wir haben den Verband alle zusammen wieder nach vorne gebracht. Allerdings hätte ich auf diese Erfahrung gerne verzichtet.
JOURNAL: Wo siehst Du gerade die besonderen Herausforderungen für den DJV-NRW? Wo soll es auch auf längere Sicht hingehen?
Stach: Alle Anstrengungen müssen dahin gehen, wieder mehr Mitglieder zu gewinnen. Natürlich sind wir beim jetzigen Status quo auch arbeitsfähig und schlagkräftig. Aber eine wieder erstarkte Basis würde ungemein helfen, um für unsere guten Vorhaben auch finanziell aus den Vollen schöpfen zu können.
Wir müssen in der Medienpolitik noch mehr Einfluss gewinnen. Hier ist die Stimme der Vernunft mehr denn je gefragt. Auch die Arbeit im Tarifgeschehen ist herausfordernder als früher. Eines meiner Ziele für die kommenden Jahre ist eine stärkere Kooperation der DJV-Landesverbände über die Landesgrenzen hinweg. Denn so ist mittlerweile die Lebenswirklichkeit. Verlage und andere Medienhäuser sind nicht an die Grenzen der Bundesländer gebunden.
Aber eines macht mich zuversichtlich: Wer wie der DJV-NRW auf 75 Jahre Erfahrungen mit allen Brüchen und Veränderungen zurückblicken kann, der schafft auch weitere 75 Jahre.||
Die Fragen stellte Corinna Blümel.
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2021.