GEWERKSCHAFTSTAG 2023 |

Eine Frau an der Spitze

Der Gewerkschaftstag am 22. April wählte einen neuen Vorstand
13. Juni 2023, Corinna Blümel
Was in der Vergangenheit erkämpft wurde, kann auch wieder verloren gehen, warnte die neue Vorsitzende Andrea Hansen. | Foto: Alexander Schneider
Was in der Vergangenheit erkämpft wurde, kann auch wieder verloren gehen, warnte die neue Vorsitzende Andrea Hansen. | Foto: Alexander Schneider

Der DJV-NRW wird erstmals von einer Frau geführt: Der Gewerkschaftstag am 22. April in Oberhausen wählte Andrea Hansen an die Spitze. Die bisherige stellvertretende Vorsitzende aus Münster folgt auf Frank Stach, der sich nach zehn Jahren aus dem Vorstand verabschiedete.

Standing Ovations zum Abschied

Ehe die neue Landesvorsitzende ins Amt kam, galt es den Vorgänger zu ehren. Das taten unter anderem der Bundesvorsitzende Frank Überall und der Vorsitzende des Bayerischen Landesverbands, Michael Busch, und natürlich Andrea Hansen. Sichtlich bewegt nahm Stach die Würdigungen entgegen sowie die Standing Ovations, mit denen der Gewerkschaftstag ihn bedachte.

In seiner Rede zuvor hatte er daran erinnert, was die Medienbranche in den vergangenen Jahren durchgeschüttelt hat, und einen Blick auf künftige Aufgaben geworfen. Zwar lasse sich das, was in den Redaktionen jeden Tag geleistet werde, „nicht durch schlechtes Management, unfähige Vorgesetzte und schlechte Medienpolitik von jetzt auf gleich kaputt machen. Was mich allerdings sorgt, sind die schleichenden Prozesse, die dem Journalismus zusetzen.“

Der scheidende Vorsitzende Frank Stach blickte auf die Entwicklungen seiner Amtszeit zurück - in der Branche und natürlich auch im DJV-NRW. | Foto: Alexander Schneider
Der scheidende Vorsitzende Frank Stach blickte auf die Entwicklungen seiner Amtszeit zurück – in der Branche und natürlich auch im DJV-NRW. | Foto: Alexander Schneider

Stach erinnerte an konkrete Entwicklungen der vergangenen Jahre, gegen die sich der DJV-NRW während seiner Amtszeit gestemmt hat (siehe dazu auch Interview: Eine Dekade für den DJV-NRW). Neben der juristischen Beratung und Vertretung betroffener Kolleginnen und Kollegen hat sich der Landesverband mit Veröffentlichungen, Demos, Aktionen und Veranstaltungen positioniert, hat Expertise in den Landtag eingebracht und viele Gespräche mit der Medienpolitik führt.

Dass Relevanz und Bedeutung des lokalen und regionalen Journalismus jetzt stärker wahrgenommen werden, gehörte zu Stachs persönlichen Anliegen. Ebenso stolz ist er darauf, dass der DJV-NRW mithilfe des Zukunftsprozesses eine Antwort auf den Mitgliederschwund gefunden hat. Dem Team in der Geschäftsstelle dankte Stach sehr persönlich und warb darum, mit diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pfleglich umzugehen.

Gut miteinander umgehen

Das Plädoyer für einen guten Umgang miteinander griff Andrea Hansen in ihrer Bewerbungsrede zur Vorstandswahl auf. Sie möchte den DJV-NRW als Team weiterentwickeln und die Strukturen des Verbands weiter modernisieren. „Wir sind in Arbeitnehmerzeiten“, betonte sie. Unter diesen gewandelten Bedingungen müsse der DJV auch seine Rolle neu definieren (siehe dazu auch Interview: Wir leben in Arbeitnehmerzeiten).

Die Demokratie retten und dabei Spaß haben

Hansen hob den Wert des Journalismus angesichts wachsender Bedrohungen für die Demokratie hervor. „Alles, was in der Vergangenheit erkämpft wurde, kann auch wieder verloren gehen“, warnte sie. Das ist nicht nur auf gewerkschaftliche Errungenschaften und den Journalismus zu beziehen, sondern auch auf die Gesellschaft als Ganzes: „Ich möchte mit euch die Demokratie retten und dabei Spaß haben“, rief sie in den Saal.

Das teils neue Vorstandsteam deckt verschiedene Mediensparten und NRW-Regionen ab (siehe Kurzporträts). Dabei wechselten einige der bisherigen Mitglieder auf neue Posten. So ist der bisherige Schriftführer Stefan Lenz aus Köln jetzt stellvertretender Vorsitzender – neben Kristian van Bentem aus Münster, der im Amt bestätigt wurde. Der Essener Pascal Hesse wurde erneut zum Schatzmeister gewählt, die Bochumerin Andrea Donat, die zuvor zum Team der Beisitzenden gehörte, ist die neue Schriftführerin.

Aus dem Landesvorstand verabschiedet wurde auch Katrin Kroemer, die weiterhin Schatzmeisterin im Bundesverband bleibt. Links neben ihr Eberhard Wühle, rechts Mika Beuster aus dem Bundesvorstand. | Foto: Alexander Schneider
Aus dem Landesvorstand verabschiedet wurde auch Katrin Kroemer, die weiterhin Schatzmeisterin im Bundesverband bleibt. Links neben ihr Eberhard Wühle, rechts Mika Beuster aus dem Bundesvorstand. | Foto: Alexander Schneider

Arne Pöhnert, ebenfalls aus Bochum, bleibt Beisitzer. Erstmals in den Vorstand gewählt wurden die Beisitzenden Vivien Leue aus Düsseldorf, Thomas Münten aus Duisburg und Tobias Nehls aus Bielefeld. Als weitere Bewerberinnen um einen Beisitzendenposten unterlagen Jasmin Khatami und Birgitt Euting, beide aus Köln, in der Wahl. Nicht mehr angetreten war Katrin Kroemer aus Dortmund, die dem NRW-Landesvorstand insgesamt 22 Jahre angehört hatte und von den Mitgliedern ebenfalls herzlich verabschiedet wurde. Sie bleibt Schatzmeisterin im Bundesvorstand.

Der neue Landesvorstand übernimmt einen gut aufgestellten Landesverband. Entsprechend der mittelfristigen Finanzplanung enthält der von Schatzmeister Pascal Hesse eingebrachte Haushaltsplan erneut ein Minus. Hesse verwies auf die entsprechenden Rücklagen, machte aber auch deutlich, dass der Landesverband in absehbarer Zeit nicht um eine Beitragsanpassung herumkommen werde. Der Haushaltsplan wurde einstimmig angenommen.

Während die Abstimmung über die Finanzen (wie auch später die über Anträge und Resolutionen) ganz traditionell per Stimmkarte erfolgte, setzte der Gewerkschaftstag bei den Wahlen des Vorstands und der Delegierten zum Verbandstag im November in Magdeburg auf die digitale Abstimmung. Nachdem sich das Verfahren mit der Voting-App eingespielt hatte, gingen die einzelnen Wahlgänge zügig über die Bühne. Sobald feststand, dass alle Anwesenden eingeloggt waren, dauerte es jeweils nur wenige Minuten, bis abgestimmt war, die Zählkommission geprüft hatte und das Präsidium das Ergebnis bekannt geben konnte.

Dass zwischendrin kein Leerlauf aufkam, tat gut: So konzentriert und effizient hat man einen Gewerkschaftstag selten erlebt. Tagungspräsident Jörg Prostka, der die Sitzung zusammen mit Nicola Balkenhol und Sascha Fobbe leitete, lobte mehrfach die ruhige Arbeitsatmosphäre im Saal.

Sachliche und straffe Antragsdiskussion

Straff und konzentriert diskutierten die Mitglieder auch über Resolutionen und Anträge zu aktuellen Themen. Einstimmig verabschiedeten sie die kurzfristig eingebrachte Resolution zur Deutschen Welle. Darin stellte sich der Gewerkschaftstag an die Seite der Kolleginnen und Kollegen, die dort von geplanten Stellenstreichungen betroffen sind (siehe auch Seite 29). Die Mitglieder riefen Intendant Peter Limbourg dazu auf, von Kürzungen in den Redaktionen abzusehen.

An die Funke Mediengruppe richtete der Gewerkschaftstag die Forderung, den Worten der Aufsichtsratsvorsitzenden Julia Becker Taten folgen zu lassen. Danach sollen die journalistischen Print- und Onlinetitel nicht allein unter Renditeerwartungen geführt werden; statt dessen gelte es, die Lokalredaktionen zu stärken. Dazu gehört nach Überzeugung des DJV-NRW unverzichtbar auch das Bekenntnis zu Flächentarifverträgen.

In einem weiteren Antrag bekräftigte der Gewerkschaftstag, dass sich der Landesverband auf allen Ebenen für eine Weiterentwicklung des NRW-Lokalfunks im Sinne seines gesetzlichen, am Gemeinwohl orientierten Auftrags einsetzen und den Strukturprozess weiter kritisch begleiten wird.

Forderungen nach der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und nach Verbesserung bei der Versicherung unständig Beschäftigter im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden ebenso einvernehmlich besprochen und verabschiedet wie die Forderung nach einem intensiveren Blick Richtung Europa: Nach Überzeugung des Gewerkschaftstags gehört dazu, dass der DJV eine Strategie für seine Europapolitik entwickelt und die Kommission Europa breiter im Verband verankert.

Zwei Satzungsänderungen

Sachlich diskutiert und unstrittig entschieden wurden zudem zwei Satzungsänderungen: Zum einen hat der Gewerkschaftstag damit die Regelungen geschärft, um Mitglieder im Einzelfall ausschließen zu können, und dazu passend die Ehrengerichtsordnung aktualisiert. Mit dem zweiten Beschluss ist nun für einen rechtskonformen Rahmen gesorgt, um bei Bedarf auch künftig digitale Versammlungen durchführen und digitale Beschlüsse fassen zu können.

Das ist vor allem eine Vorsichtsmaßnahme, denn natürlich sollen Gewerkschaftstage nur im Notfall virtuell stattfinden. Es ist eben etwas anderes, ob man kleine Kacheln auf dem Bildschirm anschaut oder mit Kolleginnen und Kollegen zusammensitzt, in den Pausen plauscht oder kleinere Verständnisfragen auch mit Nebenfrau oder -mann klären kann.

Unter dem Strich ein sehr gelungener Gewerkschaftstag – endlich wieder in Präsenz. Um kurz nach 16 Uhr konnte Andrea Hansen schon die Schlussworte sprechen und verkünden: Der Gewerkschaftstag 2024 soll in Düsseldorf stattfinden.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 2/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2023.