MEDIENZIRKEL |

Freiheitsrechte in Europa nicht einschränken

Kampf gegen Terrorpropaganda darf nicht zu Missbrauch einladen
5. Juni 2020, Corinna Blümel

Kommunikationsrechte dürfen auch im Zuge der Terrorabwehr nicht beschränkt werden. Deswegen muss die Bundesregierung sich bei den Verhandlungen über eine EU-Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Onlineinhalte (Terreg-Verordnung) stärker für den Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit einsetzen. Mit dieser Forderung hat der DJV zusammen mit Reporter ohne Grenzen, dju in ver.di, Wikimedia Deutschland und dem Whistleblower Netzwerk Ende April einen offenen Brief an Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht verfasst.

Umfassende Nachbesserungen erforderlich

Im Schreiben der Journalismus- und Medienorganisationen heißt es: „Als Organisationen, die sich für den freien Zugang zu Informationen, für freie Meinungsäußerung, für die Presse- und Rundfunkfreiheit einsetzen, sind wir überzeugt, dass der Verordnungsvorschlag der Kommission die Kommunikationsgrundrechte unverhältnismäßig einschränkt.“ Entsprechend fordern die Organisationen umfassende Nachbesserungen. Deutschland komme bei den Verhandlungen über die Verordnung eine besondere Rolle zu, weil es ab Juli 2020 den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

Die EU-Kommission hatte ihren Entwurf für die geplante EU-Verordnung zur Bekämpfung von Terrorpropaganda im Netz im Herbst 2018 vorgestellt. Kritik dazu kam unter anderem vom Europaparlament und von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Aktuell tritt der Entwurf in die Phase der Trilog-Verhandlungen ein.

Zwar spreche nichts gegen das Ziel der EU, die Verbreitung terroristischer Onlineinhalte zu verhindern, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall aus diesem Anlass. „Es kommt aber darauf an, Grundrechte wie die Presse-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit ebenso zu schützen wie die Freiheit der Informationsbeschaffung.“

Schwammige Formulierungen

Zu den Kritikpunkten gehört unter anderem, dass journalistische Arbeit und Whistleblowing von den Regelungen nicht explizit ausgenommen sind. Die schwammige Definition terroristischer Kommunikationsinhalte öffne dem Missbrauch Tür und Tor. Demnach stellt die „Befürwortung“ terroristischer Straftaten einen „terroristischen Inhalt“ dar, ebenso die „Ermutigung“, an terroristischen Straftaten mitzuwirken, oder die „Förderung der Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung“. Solche sprachlichen Ungenauigkeiten ermöglichten es, Handlungen der Meinungsäußerung beliebig darunter zu subsumieren.

Die Verfasserinnen und Verfasser des Briefs fordern, die Definition terroristischer Inhalte dringend „auf offensichtlich illegale Handlungen wie die Anstiftung und Beihilfe“ zu beschränken. „Das gilt schon deshalb, weil bereits durch die Formulierung des Verordnungstextes sichergestellt sein muss, dass ein Missbrauch der vorgesehenen Regelungen in keinem Mitgliedstaat eine Einschränkung der Kommunikationsgrundrechte rechtfertigen kann.“

Nach Überzeugung des DJV und der anderen unterzeichnenden Organisationen ist es erforderlich, klare Ausnahmen für künstlerische, journalistische sowie für Bildungs- und Forschungszwecke zu definieren. Die Bundesregierung müsse sich dafür einsetzen, dass die Verordnung nicht zu massenhafter Blockade rechtlich legitimer Äußerungen führe.

Nicht auf Algorithmen und Uploadfilter verlassen

Als problematisch sehen die Medienorganisationen es dabei auch an, dass der bisherige Entwurf der Terreg-Verordnung die Entscheidung darüber, ob Inhalte rechtmäßig seien, weitgehend den Plattformen und Diensten überlasse und dafür eine Vorfilterung mit Hilfe sogenannter Uploadfilter empfehle. „Je unschärfer die Begriffe sind, desto mehr muss gefiltert werden“, warnen sie, „und das nach öffentlich unbekannten Kriterien, die die Plattformen intern festlegen. Das kann und wird in dieser Gemengelage einer Zensur gleichkommen.“

Neben einer schärfer definierten Begrifflichkeit fordern die Organisationen deshalb in Anlehnung an das EU-Parlament, dass Entscheidungen über die Sperrung oder Entfernung von Inhalten von Menschen getroffen werden. Dies dürfe nicht allein Algorithmen überlassen werden.||

Der Brief an die Bundesministerien ist hier zu finden.