Der investigative Journalismus in Deutschland steckt nur bedingt in einer Krise. Davon ist Georg Restle, Leiter des WDR-Politmagazins Monitor, überzeugt. Auf Einladung der Bonner Journalistenvereinigung (BJV) spricht er im Anschluss an die Mitgliederversammlung vor rund 30 Mitgliedern im Bonner Funkhaus der Deutschen Welle zum Thema „Investigativer Journalismus – vergessen und verdrängt?“.
Rolle der „vierten“ Gewalt
Die genaue Recherche und das Aufdecken von Korruptionen, niederen Machenschaften und Skandalen sind das tägliche Brot von Restle und seinem Team, erzählt er im Gespräch mit dem stellvertretenden BJV-Vorsitzenden Steffen Heinze. Die Monitor-Redaktion erhalte täglich zwei bis drei Themenvorschläge. „Doch die meisten Geschichten finden unsere rund 20 festen und freien Mitarbeiter selbst“, erklärt der Journalist und Jurist, der seit vielen Jahren DJV-Mitglied ist. Er selbst gehört der Monitor-Redaktion seit 2000 an, seit knapp sieben Jahren leitet er sie. Um die Rolle der „vierten Gewalt“ im Staat wahrzunehmen, um aufzuklären.
„Schwacher Journalismus heißt schwache Demokratie“, sagt der 54-Jährige. Er brauche einen werteorientierten Journalismus, um das Fortbestehen der Demokratie zu sichern. Und Journalistinnen und Journalisten mit Haltung. Dabei mag Restle das Wort nicht gern. Es sei mittlerweile ein „vergifteter Begriff“, der sich abgenutzt habe, sagt er. Was jedoch mit Haltung gemeint sei, was dahinterstehe, teile er voll und ganz. Ohne Haltung gebe es keinen Journalismus. Haltung setze Wahrhaftigkeit voraus und verschaffe Unabhängigkeit. Haltung erfordere jedoch zugleich, sie transparent zu machen.
Mit Kritik gelassen umgehen
Haltung macht aber auch angreifbar, sagt Restle. Dies stellt er vor allem in den Sozialen Netzwerken fest. Auf Facebook und Youtube hat Monitor eine Reichweite von 3 bis 4 Millionen Nutzerinnen und Nutzern, also Personen, die die Inhalte gesehen haben, oft aber auch kommentieren. Und hier gibt es durchaus auch unsachliche Kritik. Damit sollte man jedoch möglichst gelassen umgehen und die Anwürfe nicht persönlich nehmen, meint er.
Auf welchem Weg die Enthüllungen zur Redaktion gelangten, will Heinze wissen. Der „Mut, sich aus den inneren Apparaten heraus zu äußern“, sei geringer geworden, beobachtet Restle. Es gebe immer mehr Verschwiegenheitsklauseln, auch über das Ende von Arbeitsverträgen hinaus. Aber man dürfe nicht aufgeben, müsse immer wieder den Kontakt suchen. Denn es seien mehr Menschen erreichbar, als man denkt.
„Wühler“ und „Kaffeetrinker“
Die journalistischen Kolleginnen und Kolleginnen unterscheidet er nach „Wühlern“ und „Kaffeetrinkern“, je nachdem, ob der Schwerpunkt der Recherche eher das Durchforsten von Akten oder das Abtelefonieren der eigenen Kontakte beinhaltet. Beides sei erforderlich, allerdings bestehe bei den Kaffeetrinkern die Gefahr, dass Inhalte von Bedeutung nicht an die Oberfläche gelangten. Niemand wolle sich schließlich seine Quellen kaputt machen. Die relativ seltene Berichterstattung über Polizeikriminalität ist aus Restles Sicht ein Beispiel dafür.
Ein anderes Problem sieht Restle in der Überalterung der Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer. Die Monitor-Gucker sind durchschnittlich 63 Jahre alt. Die Frage sei, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk innerhalb der zunehmend digitalen Welt wahrgenommen werde. Und ob der schwerfällige Apparat das Tempo halten könne, das hierfür nötig wäre.
Auch wenn manches schwieriger geworden ist, am Ende des Abends bleibt der Eindruck: Den kritischen Journalismus, der Schlagworte durchleuchtet und nach Hintergründen fragt, der sachlich berichtet und unbequem ist, der Diskussionen anstößt und Themen setzt – den gibt es noch. Er ist nicht vergessen. Und auch nicht verdrängt.||
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Ein Beitrag aus JOURNAL 2/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2019.