Frank Stachs Session „Tschüss Einheitsbrei“ drehte sich um Stiftungen und Gemeinnützigkeit von Journalismus. | Foto: Beate Krämer
Frank Stachs Session „Tschüss Einheitsbrei“ drehte sich um Stiftungen und Gemeinnützigkeit von Journalismus. | Foto: Beate Krämer
 
MEDIENSZENE NRW

Ideen fürs Lokale gesucht

Barcamp zum Thema Medienvielfalt im Ruhrgebiet
12. April 2019, Vivien Leue

Das Thema hätte aktueller kaum sein können: Gut eine Woche, nachdem die Funke ­Mediengruppe in Essen ihre umfassenden Restru­kturierungs- und Sparmaßnahmen verkündet hatte (siehe auch „Kulturrevolution“ als Schrumpfkur), lud die nordrhein-westfälische Landesregierung Medienmacher zum Barcamp. Das Motto: #Medien­vielfaltRuhr. Knapp 100 Teilnehmende – darunter freie Journalisten, Blogger und Vertreter von Journalistenschulen, Universitäten und Verbänden – diskutierten in 16 Sessions ­darüber, wie Medien im Ruhrgebiet erfolgreich sein können und wie lebendiger Lokal­jour­nalismus überleben kann.

Eine Überlebensfrage

Vor allem die Überlebensfrage wurde zum Teil heiß diskutiert. Lokaljournalismus dürfe für die Macher nicht nur Hobby sein, er müsse sich auch lohnen – finanziell, sagte der Gastgeber des Barcamps, NRW-Staatssekretär Nathanael Liminski, in seiner Eröffnungsrede und fragte: „Wie gelingt es uns, Lokaljournalismus zu einem attraktiven Geschäftsmodell zu machen?“

Wer guten Journalismus mache, müsse auch belohnt werden, erklärte der Landesvorsitzende des DJV-NRW, Frank Stach, der in seiner Ses­sion „Tschüss Einheitsbrei“ über Stiftungsfinanzierung und die Idee der Gemeinnützigkeit von Journalismus sprach. Letztere könne durch Steuerminderung helfen, den Lokaljournalismus finan­ziell auf bessere Füße zu stellen. So könne man Gründer unterstützen, die auch das Risiko eingehen, mit ihren digitalen Produkten zu scheitern. Das Land NRW ist laut Staatssekretär Liminski der Idee der Gemeinnnützigkeit gegenüber aufgeschlossen.

Außerdem überlegt die Landesregierung, Start-ups im Ruhrgebiet speziell zu fördern, auch ­solche aus dem Bereich Medien. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Barcamps waren sich einig, dass der Journalismus im Ruhrgebiet neue Ideen und Innovationen brauche. Frank Stach: „Klar gesagt: Die Großen können’s hier irgendwie nicht.“ Sie hätten sich das Ruhrgebiet so aufgeteilt, dass es kaum noch Konkurrenz gebe, aber: „Konkurrenz belebt das Geschäft, das wird hier nicht mehr gelebt.“

Für Stachs Vorstandskollegin Andrea Donat, Chefredakteurin von Radio Bochum und Co-Gastgeberin des Barcamps, gibt es genug Ideen, wie sich lokale Medien für die Zukunft wappnen könnten, auch im Hörfunk: „Lokal­radios müssen sich digital aufstellen und andere Produkte anbieten, zum Beispiel ihre Formate für verschiedene Kontexte aufbereiten oder in verschie­denen Anspruchshaltungen produzieren.“ Die Redak­tionen seien dafür bereit. Ob aber die ­finanziellen Mittel bewilligt würden, stehe auf einem anderen Blatt. Radio Bochum gehört mehrheitlich der Funke Mediengruppe und wird von der Westfunk vermarktet und betreut.

In vielen der 45-minütigen Sessions zeigte sich, wie groß das Innovationspotenzial und die Lust auf Neues unter den Medienmachern im ­Ruhrgebiet sind. So zeigte Bianca Hoffmann von Ruhr24 in der Veranstaltung „Das Schmuddelkind mit den Clickbait-Geschichten. Wie Reichweiten-Portale die Medienvielfalt bereichern“ unter anderem, wie „Mobile Journalism“ funk­tioniert. Die Bloggerin, Podcasterin und Social-Media-Expertin Nora Hespers ­erklärte in ihrer Session, wie vor allem lokale Medien von einer guten Social-­Media-Strategie profitieren können.

Ruhr-Konferenz

Teil der Ruhr-Konferenz

Das Barcamp #MedienvielfaltRuhr war Teil der Ruhr-Konferenz, einer Art Veranstaltungsreihe, die neue Ideen, Potenziale und Entwicklungen im Ruhrgebiet voran treiben soll. Eine der Kern­ideen der Ruhr-Konferenz ist es, die Menschen und Macher vor Ort mit genau den Institutionen zusammenzubringen, die letztlich dafür sorgen können, dass eine gute Idee auch umgesetzt wird, erklärte NRW-Staatssekretär Nathanael Liminski in seiner Eröffnungsrede: „ Hier gibt es viele Ideen, hier gibt es viel Initiative. Aber vieles von dem muss vielleicht auch noch stärker vernetzt und zusammengebracht werden mit Leuten, die dafür den entsprechenden finanziellen Hintergrund haben.“ Von entscheidender Bedeutung für die Zukunft des Ruhr­gebiets seien starke lokale Medien, die über alles berichten, was die Menschen interessiert, eine lebendige Blogger-Szene, die Themen aus Politik, Kultur und Gesellschaft aufgreift und Kommunikationsforen, die direkten individuellen Austausch bieten, so der Veranstalter./VL

Aufholbedarf im Ruhrgebiet

Noch zeichnet sich das Ruhrgebiet in der überregionalen Wahrnehmung nicht als medialer Innovationsstandort aus. Die Leiterin des Grimme Online Awards, Vera Lisakowski, sieht hier noch großes Potenzial: „Sehr viele ­unabhängige Projekte kommen zum Beispiel aus dem Raum Berlin, aber nicht so sehr aus dem Ruhrgebiet. Dabei bietet das Ruhrgebiet unglaublich viele Themen, gerade was den Wandel angeht.“

Allerdings starteten viele solcher Projekte erst einmal ehrenamtlich, sagt Lisakowski. Ihrer Erfahrung nach entwickeln sich aus erfolgreichen Regio-Blogs manchmal aber auch größere Projekte, die dann zum Beispiel von einem Verlag finanziert werden. Dafür braucht es allerdings Kontakte und Netzwerke – die Macher müssen mit den Geldgebern zusammengebracht werden. Das Barcamp #MedienvielfaltRuhr wollte hierfür eine Plattform bieten. Ob es gelungen ist? Die Teilnehmer waren zumindest durchweg zufrieden und hoffen, dass es weitere solcher Barcamps geben wird.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 2/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2019.