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Mit wenigen Klicks zum Job

Recruiting 4.0: So geht Bewerben heute
6. Juli 2023, Daniela Lukaßen-Held

Ob zum Berufseinstieg direkt nach dem Studium, für die erste Stelle nach dem Volontariat oder bei einer beruflichen Neuorientierung, weil die Redaktion geschlossen wurde – eines ist immer gleich: Man muss sich bewerben. Doch wie läuft das heute?

"Die Zeit der Bittsteller ist vorbei, doch Fachkräftemangel bedeutet nicht, überheblich aufzutreten", sagt Dr. Bernd Slaghuis, Karriere-Coach aus Köln. | Foto: privat
„Die Zeit der Bittsteller ist vorbei, doch Fachkräftemangel bedeutet nicht, überheblich aufzutreten“, sagt Dr. Bernd Slaghuis, Karriere-Coach aus Köln.Foto: privat

Dunkle Mappe, Anschreiben, Lebenslauf mit Foto, Zeugnisse und Arbeitsproben, die von journalistischem Know-how zeugen – daran gab es in Sachen Bewerbung jahrzehntelang nicht viel zu rütteln. Das sieht heute anders aus: „Die Bewerbungsmappe in Papierform ist heute weitgehend ausgestorben“, sagt Karriere-Coach Dr. Bernd Slaghuis aus Köln.

Denn im Recruiting 4.0 setzen Personalverantwortliche auf andere Methoden. Etwa auf Bewerbungen über Online-Jobportale. „Viele Arbeitgeber nutzen heute Bewerber-Management-Systeme“, erklärt Slaghuis. Häufig setzen sie auf die sogenannte One-Click-Bewerbung. Mit einem Klick können Kandidatinnen und Kandidaten ihr Profil, das sie in einem Business-Netzwerk hinterlegt haben, in das Bewerber-Management-System hochladen. Dort wird es in der Regel in einer Datenbank gespeichert, aus der der Arbeitgeber jene, die infrage kommen, einfach herausfiltern und kontaktieren kann.

Andere Systeme übertragen die Daten, die Jobinteressierte mit ihren Profilen freigeben, automatisch in ein eigenes Bewerbungsformular, sodass alle relevanten Angaben mit wenigen Klicks an den Wunscharbeitgeber übermittelt werden. Wer ohnehin in einem Business-Netzwerk angemeldet ist und die Daten dort regelmäßig pflegt, kann sich ohne große Umstände flexibel mit wenigen Klicks sogar vom Smartphone aus bewerben.

Job-Matching per App

Doch nicht nur wegen der One-Click-Bewerbung lohnen sich Netzwerke wie Xing oder LinkedIn. „Headhunter können anhand eines sogenannten Matching-Scores etwa auf Xing mithilfe von Nutzer-Aktivitäts-Kennzahlen jene Profile identifizieren, die eine hohe Wechselbereitschaft versprechen“, erklärt Bernd Slaghuis.

Für das "Recruitng 4.0" gibt es verschiedene Möglichlichkeiten - alle sind digital.
Für das „Recruiting 4.0“ gibt es verschiedene Möglichlichkeiten – alle sind digital.

Eine Online-Befragung von Studierenden des Studiengangs Personalmanagement der FH Wien zeigt: Mobile-Recruiting wird insbesondere bei den Generationen Y und Z immer wichtiger, also bei denen, die zwischen den 1980er Jahren und 2010 geboren sind. Dabei spielt der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle: Fast 60 Prozent der mehr als 500 Befragten möchten nicht mehr als 30 Minuten in die Erstellung einer Bewerbung investieren.

Ein Verfahren, das dieses Kriterium erfüllt und seit einiger Zeit immer beliebter wird, ist der Einsatz sogenannter Job-Matching-Apps. Sie erinnern ein wenig an die Dating-App Tinder. Mithilfe eines Algorithmus werden passende Arbeitgeber und Stellenangebote herausgefiltert. Die Ergebnisse ploppen dann in der App auf dem Smartphone auf. „User können mit einem Swipe zur Seite ihr Interesse an einer Position bekunden“, erklärt Slaghuis. Passt das von der Bewerberin oder dem Bewerber hinterlegte Profil zu den Stellenanforderungen, bekommen die Kandidatinnen und Kandidaten eine Einladung zum Vorstellungsgespräch – in der Regel ebenfalls über die App.

Nicht nur in Job-Matching-Apps spielt der Algorithmus eine entscheidende Rolle. Schon seit einiger Zeit setzen viele Arbeitgeber auf Programme, bei denen ein Algorithmus die eingegangenen Lebensläufe gründlich analysiert. „Die sogenannten CV-Parser scannen Lebensläufe, übernehmen die Daten automatisiert in entsprechende Felder im System und ermitteln Kennzahlen“, erklärt Bernd Slaghuis. Das könne beispielsweise zeigen, wie das Profil zur Stellenausschreibung passt oder ob es dem „Cultural Fit“ zwischen Kandidatin oder Kandidat und Unternehmen entspricht.

Keywords für den Algorithmus

Doch was können Bewerberinnen und Bewerber machen, wenn sie zunächst den Algorithmus überzeugen müssen, um überhaupt im Bewerbungsverfahren weiterzukommen? Der Algorithmus des Unternehmens analysiert den Lebenslauf anhand unterschiedlicher Keywords, also Schlüsselwörter, die das Unternehmen im Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Stelle als wichtig erachtet. Fehlen diese im Lebenslauf, kommt das System zu dem Ergebnis, dass es nicht passt.

Daher ist es genauso wichtig wie früher, dass sich Bewerberinnen und Bewerber die Stellenausschreibung ganz genau durchlesen: Welche Schlüsselkompetenzen sind dort gefordert? Was wird fachlich vorausgesetzt? Und eben diese Begriffe sollten sich im Lebenslauf wiederfinden. Zwar wird gerade im Journalismus Wert auf gute, abwechslungsreiche Formulierungen gelegt, ist jedoch ein Algorithmus im Spiel, ist das Gegenteil gefordert. Kompetenzen sollten daher nicht blumig umschrieben, sondern auf den Punkt gebracht werden, damit der Algorithmus sie erkennt.

Stellentitel oder Job-Kennziffer im Mail-Betreff

Bei Unternehmen, die noch nicht mit eigenen Online-Bewerbungssystemen arbeiten, sind heute Bewerbungen per E-Mail üblich. „Häufig sind in den Stellenausschreibungen dann die E-Mail-Adressen der zuständigen Recruiter angegeben. Ich empfehle in diesen Fällen eine kurze Mail mit dem Stellentitel oder einer Job-Kennziffer im Betreff sowie dem Hinweis auf die Bewerbungsunterlagen als PDF-Dokumente im Anhang“, rät Bernd Slaghuis.

Eines ist dem Karriere-Coach besonders wichtig: „Ein moderner Bewerbungs- und Recruiting-Prozess zeichnet sich heute durch Augenhöhe zwischen Bewerbenden und Arbeitgebern aus. Beide Seiten haben die Chance sowie auch die Verpflichtung, sich gegenseitig so gut wie möglich kennenzulernen und zu prüfen, ob es für die nächsten Jahre gemeinsamer Zusammenarbeit wirklich passt.“ Und er ergänzt: „Die Zeit der Bittsteller ist vorbei, doch gleichzeitig bedeutet der Fachkräftemangel nicht, als Bewerberin oder Bewerber überheblich oder sogar unverschämt aufzutreten.“

Sicheres Auftreten bei Älteren

Erfahrenen Journalistinnen und Journalisten, die sich etwa aufgrund von Redaktionsschließungen neu bewerben, rät er zur Selbstreflexion: „Machen Sie sich den Wert Ihrer Berufserfahrung bewusst: Was haben Sie schon alles erlebt, gelernt und erfahren? Welche großen Entscheidungen haben Sie im Beruf und in Ihrem Leben bereits getroffen? Suchen Sie gezielt nach solchen Positionen und Aufgaben, in denen Ihr langjähriges Erfahrungswissen sowie Ihre Seniorität und Lebenserfahrung einen hohen Wert haben.“ Und bei Journalistinnen und Journalisten, die schon einige Berufsjahre auf dem Buckel haben, darf es ruhig etwas mehr sein, wie Slaghuis sagt: „Meine Erfahrung zeigt, dass ein Lebenslauf mit dem Alter wachsen darf. Meine Faustformel als grobe Orientierung für die Länge eines Lebenslaufs: erste Ziffer Ihres Alters gleich Anzahl der Seiten.“

Doch egal, ob man gerade frisch in den Beruf einsteigt oder ihn schon seit vielen Jahren ausübt – beim Bewerben geht es vor allem um eines: authentisch zu bleiben.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 2/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2023.