Die Radiolandschaft ist im Umbruch, auch die Lokalfunksender in NRW klagen über sinkende Erlöse. Sender, die wirtschaftlich nicht tragfähig sind, sollen in Funkhausmodelle gezwungen werden können. Das sieht der Systemvertrag vor, den allerdings nicht alle Verantwortlichen unterschreiben wollen (siehe zuletzt JOURNAL 1/24). Die Umsetzung des Strukturprozesses zieht sich hin, derweil schaffen manche Betriebsgesellschaften (BGen) bereits Fakten: Radio WAF zog im September in ein Funkhaus mit Radio Gütersloh außerhalb seines Sendegebiets, Radio Ennepe Ruhr sendet seit zwei Jahren aus Wuppertal. Auch bei den Sendern der DuMont-Mediengruppe und denen der Funke Mediengruppe sollen Zusammenlegungen geplant sein.
Vier Sender ziehen zusammen
Konkrete Pläne gibt es bereits für vier Münsterland-Sender: Sie sollen in ein gemeinsames Funkhaus in Münster ziehen, ins Gebäude des Aschendorff-Verlags. Der Verlag besitzt die Mehrheit an Antenne Münster, Radio Kiepenkerl, Radio RST und Radio WMW. Die Redaktion von Radio Kiepenkerl soll Mitte 2025 als erstes Lokalradio umziehen, die Frühsendung kommt aber weiter aus dem Kreis Coesfeld. Das Ziel ist, Synergien zu schaffen, indem die Mehrheit der Beschäftigten an einem gemeinsamen Ort arbeitet, ohne dass die Identität der beteiligten Lokalfunksender leidet.
„Alle vier Sender bleiben auch in ihren Verbreitungsgebieten und die Marken bleiben erhalten“, betont Dr. Peter Härtl, BG-Chef aller vier Sender und Geschäftsführer des Vermarkters, der Münsterländischen Medien Service GmbH & Co. KG (MMS). Auslöser für die Pläne sei nicht etwa der gerade laufende Strukturprozess im Lokalfunksystem gewesen, sondern die Goldmedia-Studie von 2018, die von kontinuierlich sinkenden Werbeeinnahmen im Radiobereich ausgeht.
Der Strukturanalyseprozess habe danach nochmals deutlich gezeigt, dass gehandelt werden müsse. Die MMS-Sender könnten sich noch zwei Jahre über Wasser halten, dann müsste ohnehin über Zusammenlegungen oder Schließungen nachgedacht werden. Härtl legt Wert darauf, dass er die Idee zum Funkhausmodell nicht allein hatte, sondern sie gemeinsam mit den Chefredaktionen der MMS-Sender entwickelt habe.
Gutachten zur Lage im NRW-Lokalfunk
Handlungsdruck bei Radio Kiepenkerl
Bei Radio Kiepenkerl herrschte Handlungsdruck: Die jetzigen Räume in einer ehemaligen Bankfiliale in Dülmen sind mit 700 qm viel zu groß. Wie erwähnt, geht der Hauptteil der Redaktion nach Münster. Das Sendestudio bleibt in der Region und bezieht im Gebäude der Aschendorff-Tochter Allgemeine Zeitung in Coesfeld eine Fläche von 100 qm. Für Ralf Steindorf, Vorsitzender der Veranstaltergemeinschaft (VG) von Radio Kiepenkerl, war der Verbleib im Verbreitungsgebiet eine Voraussetzung, um dem Umzug zuzustimmen: „Die lokale Niederlassung ist wichtig, sonst geben wir uns auf.“
Laut Härtl ziehen die Chefredaktionen und VGen mit, weil sie die wirtschaftliche Notwendigkeit sehen. Das bestätigt auch Steindorf. Begeistert scheinen zwar nicht alle Beteiligten zu sein, offiziell will das aber niemand bestätigen. Die Beschäftigten sind ebenfalls nicht durchweg glücklich mit der Vorstellung, in Münster zu arbeiten, weil sie teils längere Anfahrtswege haben. Angst um den Arbeitsplatz kam hinzu: Laut Gerüchten sollen zwölf Stellen wegfallen. Diese Zahl wollte Härtl nicht bestätigen, er rechnet aber damit, dass durch die Synergien für manche Bereiche weniger Arbeitskräfte nötig sein werden.
Keine betriebsbedingten Kündigungen
Betriebsbedingte Kündigungen sind aber ausgeschlossen, das war eine der Bedingungen, die auch die VG von Radio Kiepenkerl gestellt hat. Härtl erwartet, dass einige Redakteurinnen und Redakteure nicht nach Münster mitgehen wollen und deshalb selbst kündigen werden. Älteren Mitarbeitenden, die sich nicht auf neue Arbeitsweisen und neue Technik einstellen wollten, könnte der Weggang mit einer Abfindung schmackhaft gemacht werden. Bei einem Teil der Beschäftigten kommt dieses Rechnen mit der „natürlichen Fluktuation“ nicht gut an. Zudem sehen sie die Gefahr, dass eher junge beziehungsweise gute Leute weggehen. Diese Sorge teilt der MMS-Chef nicht. Im Gegenteil: „Es werden auch aktuell junge Leute eingestellt.“ Um mehr Festanstellungen zu ermöglichen, habe man Mittel aus dem Freienetat verschoben.
In Münster werde alles so gebaut und eingerichtet, damit die Mitarbeitenden sich wohlfühlen, betont Härtl. Im Großraumbüro seien eigene Schreibtische nicht mehr vorgesehen, wohl aber „Inseln“, in denen zum Beispiel die Nachrichtenredaktion zusammensitzen soll. Geplant sind Ruhe- sowie Treffzonen, Konferenztische und Stehtische. Härtl zeigt sich überzeugt, man biete den Beschäftigten Arbeitsplätze an, „zu denen sie gerne kommen“. Homeoffice soll möglich sein, aber nur noch ein bis zwei Tage pro Woche. „Wir müssen ein gutes Produkt anbieten, damit die Leute uns hören wollen, und dazu brauchen wir eine Mindestausstattung an Mitarbeitern. Wir werden nur Erfolg haben, wenn die lokalen Marken und Radios erhalten bleiben“, bekräftigt der MMS-Chef.
Diese Mindestausstattung sieht Härtl auch bei Radio Kiepenkerl noch gegeben, obwohl dort aktuell – anders als bei den anderen MMS-Sendern – frei werdende Stellen nicht neu besetzt werden. Wie so weiter gutes Programm geliefert werden soll bei der ohnehin meist dünnen Personaldecke in fast allen Lokalradios, ist zumindest diskussionswürdig. Nach und nach sollen auch die anderen Redaktionen nach Münster umziehen, nur die Frühteams und jeweils ein Nachmittags-Redakteur bleiben vor Ort. Dabei werden Radio RST und Radio WMW in ihren aktuellen Redaktionsräumen bleiben.
Aus Sicht der MMS ist ein weiterer Vorteil der neuen Zentraleinheit (Arbeitstitel „Audio Center Münsterland“), dass angesichts des bestehenden Personalmangels Urlaubs- und Krankheitsvertretungen einfacher organisiert werden könnten. Das würde allerdings bedeuten, dass Angestellte auch für einen anderen Sender als ihren eigenen tätig werden könnten.
Für eine „Einheit“ verantwortlich
Härtl geht davon aus, dass im neuen Audio Center die bisherige strikte Trennung zwischen den Redaktionen ohnehin entfallen wird. Die Chefredakteure bleiben zwar (wie die Beschäftigten) bei ihrer jeweiligen VG angestellt, sie verantworten dann aber jeweils eine „Einheit“. Als Einheit gelten Nachrichten, Programm, Online und Aktionen (etwa gesponserte beziehungsweise mit Werbepartnern gemeinsam organisierte Außenveranstaltungen oder Programmreihen). Wer als Chefredakteur zum Beispiel die Einheit „Nachrichten“ verwaltet, kann demnach allen Nachrichtenredakteurinnen und -redakteuren Anweisungen geben.
Ob das arbeitsrechtlich in Ordnung ist, scheint fraglich. „Das wirft zudem die spannende Frage auf, ob dieses Audio Center nicht als ein gemeinsamer Betrieb zu sehen ist“, sagt Volkmar Kah, Geschäftsführer des DJV-NRW. „Das würde auch die Mitbestimmung verändern, aktuell haben zwei der Lokalradios Betriebsräte, dann müsste es einen für alle Beschäftigten geben. Wir werden das sehr genau beobachten.“ ||
Zwei Fehler, die in der Druckfassung enthalten waren, sind in dieser Fassung korrigiert: Der Kreis Coesfeld war versehentlich falsch benannt und die Aschendorff-Tochter Allgemeine Zeitung tauchte an der falschen Stelle auf. Bei ihr kommen nicht die vier Redaktionen unter, sondern das Sendestudio von Radio Kiepenkerl.
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2024.