Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Nach zwei Jahren Notprogramm von radio NRW in Oberhausen (s. JOURNAL 1/21) sendet Radio Ennepe Ruhr ab dem 2. Januar 2023 wieder eigenes Programm mit neuem Team aus dem neuen Sendestudio in Wuppertal. Vier Stunden Morgensendung, eine Stunde nachmittags mit lokalen Inhalten, die ins Mantelprogramm eingespielt werden, sowie insgesamt sieben Nachrichtenausgaben morgens und nachmittags – so wird es in der Woche aussehen. Am Wochenende werden nur lokale Veranstaltungstipps und ähnliches im Mantelprogramm zu hören sein. Die Chefredaktion übernimmt Radio-Wuppertal-Chefredakteur Georg Rose zusätzlich.
Möglich ist dieses Modell, weil Radio Ennepe Ruhr und Radio Wuppertal nun zum selben Serviceverbund gehören, der PFD Pressefunk GmbH, die wiederum Teil der Mediengruppe Rheinische Post ist. Die PFD ist unter anderem zuständig für Vermarktung und Technik, Uwe Peltzer ist Chef der PFD und der Betriebsgesellschaften (BGen) beider Lokalfunksender. Die BG sichert die Finanzierung, die Veranstaltergemeinschaft (VG) hält die Sendelizenz und ist Arbeitgeber der Redaktion, so ist das Zwei-Säulen-Modell in NRW konzipiert.
Eine Chance nach schwierigen Jahren
Die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) hatte diese Kooperation im August genehmigt. Ob sie dauerhaft trägt, darauf will sich Direktor Dr. Tobias Schmid nicht festlegen, „aber zumindest hat Radio Ennepe Ruhr nun die Chance, sich zu stabilisieren“.
VG-Vorstandsmitglied Jörg Prostka ist jedenfalls zufrieden, dass nun endlich eine Lösung gefunden wurde. Schon mit der Vertragskündigung der früheren Westfunk-BG für Ende 2020 hatte sich die VG auf die Suche nach einem neuen Betreiber gemacht. Erschwert wurde der Prozess durch die Coronapandemie mit hohen Verlusten bei den Radiowerbeeinnahmen. Die VG hatte auch den Landkreis wieder ins Boot geholt, der sich mit 125 000 Euro zu 25 Prozent an der BG beteiligt und ein Gesellschafterdarlehen in gleicher Höhe bereitstellt.
Schon früh hatte der Kreis deutlich gemacht, dass er dabei sein würde. Für Peltzer ein elementarer Bestandteil des Neustarts: „Das hohe Engagement des Kreises war auch ein deutliches Signal an unsere Mediengruppe. Ein Projekt wie dieses kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.“
Minimale Personalausstattung
Kritikwürdig ist die geringe Personalausstattung, mit der die Themen des Sendegebiets kaum ausreichend dargestellt werden können. Zum festen Team gehört neben der Viertelstelle für den Chefredakteur nur noch ein Morgenmoderator (1 Stelle) und ein Nachrichtenredakteur (0,75 Stellen). Dazu kommen freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Peltzer verweist darauf, dass nur Geld ausgegeben werden könne, „das wir haben“. Im Vergleich zum Notprogramm aus Oberhausen „werden wir uns auf jeden Fall thematisch und inhaltlich verbessern“. Auch VG-Vorstandsmitglied Prostka ist nicht glücklich über die geringe Personalausstattung „auf niedrigstem Niveau“, hofft aber auf Werbeeinnahmen und einen steigenden Etat, der dann mehr Personal ermögliche.
LfM will Medienvielfalt erhalten
Die LfM hatte zur Bedingung gemacht, dass die Beschäftigtenzahl innerhalb von zwei Jahren aufgestockt wird, sofern die wirtschaftliche Lage es zulässt. Nach anderthalb Jahren soll es auch einen eigenen Chefredakteur geben. Der LfM war dieser Punkt wichtig, sagt Schmid: „Unsere Kernaufgabe ist der Erhalt einer vielfältigen Medienlandschaft und dazu gehört auch vielfältiger Journalismus. Angesichts der finanziellen Probleme ist dies aber die aktuell bestmögliche Lösung für Radio Ennepe Ruhr. Wir werden sehen, ob und wie sich das weiter entwickelt.“
Wie es künftig konkret mit einem eigenen Chefredakteur für Radio Ennepe Ruhr klappen soll, ist allerdings schwer vorstellbar: Beide Redaktionen nutzen nämlich dieselben Räumlichkeiten. Das frühere Produktionsstudio von Radio Wuppertal ist das Sendestudio von Radio Ennepe Ruhr, die Nachrichtenleute, Moderatorinnen und Moderatoren sowie Reporterinnen und Reporter sitzen jeweils zusammen.
Kreis ohne echtes „Wir-Gefühl“
Prostka glaubt an den wirtschaftlichen Erfolg: „Ich bin zuversichtlich, dass die PFD die Vermarktung beherrscht.“ Da schwingt mit, dass die vorherige Westfunk-BG möglicherweise nicht das volle Potenzial gehoben hatte. Allen Beteiligten ist allerdings klar, dass der Ennepe-Ruhr-Kreis sehr heterogen und schwer zu vermarkten ist. Die Einwohner der neun Städte orientieren sich je nach Wohnort an den umliegenden Großstädten Dortmund, Essen und Wuppertal, ein echtes „Wir-Gefühl“ gibt es nicht. Hinzu kommen die aktuellen wirtschaftlichen Probleme aufgrund des Ukraine-Kriegs. Peltzer betont: „Wir wollen Radio Ennepe Ruhr erhalten, und alle Beteiligten werden alles versuchen, den Neustart zu einem dauerhaften Erfolg zu machen. Hätten wir den Glauben nicht, wären wir das Wagnis nicht eingegangen.“
Die lokale Kompetenz wird ein wichtiger Baustein sein. Um die zu gewährleisten, bekommen alle Beschäftigten im Dezember eine Einführungswoche, in der auch eine Bustour durch den Kreis geplant ist. Einer der freien Mitarbeiter war früher Redakteur bei Radio Ennepe Ruhr, wird seine Kenntnisse in den Nachrichten einbringen. Chefredakteur Rose ist wichtig: „Wir können nicht aus dem Vollen schöpfen, aber wir versuchen, ein journalistisch gutes, attraktives Programm zu machen, in dem sich die Menschen in der Region wiederfinden.“
Eine Blaupause für weitere Kooperationen?
Die neue Kooperation könnte eine Blaupause für die Funkhausmodelle sein, die in der aktuellen Strukturanalyse für den Lokalfunk (siehe Kein „Weiter so“) als Möglichkeit für wirtschaftlich schwache Sender angedacht sind. Der Verband Lokaler Rundfunk (VLR), in dem die meisten VGen organisiert sind, sieht in ihnen aber nur einen möglichen Weg, Sender zu stabilisieren. „Wir glauben, dass generell die Kooperation zwischen Sendern in Zukunft zunehmen wird, eher seltener wird es zur tatsächlichen Bildung von Funkhäusern kommen, in denen Redaktionen physisch zusammengelegt sind“, sagt der VLR.
Peltzer verweist darauf, dass die Planungen für Radio Ennepe Ruhr schon liefen, als der Strategieprozess begann, „einen direkten Zusammenhang gibt es also nicht“. Auch er ist der Auffassung, dass bei finanziell angeschlagenen Sendern „intelligente Einzelfalllösungen“ gefunden werden müssen – wie bei den Sendern in Kreis und Stadt Aachen: Dort wurden von zwölf Jahren die Sendegebiete zusammengelegt. „Die Situation in und um den Kreis Ennepe-Ruhr waren aber mit der damaligen Situation in Aachen nicht vergleichbar, und deshalb haben wir diese Variante nicht in Erwägung gezogen.“
Mangelnde Weitsicht
Dem DJV-NRW ist wichtig, einen weiteren weißen Fleck auf der Lokalfunk-Landkarte zu verhindern (im Kreis Olpe gab es noch nie einen Sender, Welle West im Kreis Heinsberg stellte 2007 den Betrieb ein). Ob der Neustart dauerhaft gelingt, wird sich zeigen. Erst wenn das Lokalfunk-System an sich für die Zukunft adäquat aufgestellt ist, seien auch kleinere Einheiten wie Radio Ennepe Ruhr gesichert, meint Volkmar Kah, Geschäftsführer des DJV-NRW. Er kritisiert die mangelnde Weitsicht, den Sender zukunftsweisend aufzustellen. Konkret vermisst Kah eine Digitalstrategie in Audio statt Radio: Mit Podcasts hätten die einzelnen Städte besser abgebildet werden können.
Im Gegenzug kann die Arbeitgeberseite nicht verstehen, warum die Gewerkschaft einer auf fünf Jahre befristeten Gehaltskürzung nicht zustimmte. „Wir hätten uns gewünscht, dass die betroffene VG und BG und der DJV einen Weg finden, eine Sonderregel zur Abweichung vom Tarifvertrag umzusetzen. Wir fragen uns, welche Rahmenbedingungen die Abweichung vom Tarifvertrag für den DJV rechtfertigen, wenn nicht mal die Situation von Radio Ennepe Ruhr dafür ausreicht?“, heißt es vom VLR.
Der DJV-NRW habe nicht zustimmen können, weil der Businessplan bereits nach einem Jahr Gewinne ausgewiesen habe, entgegnet Kah. Die Folge: Die VG stieg auf Wunsch der BG aus dem Tarifverbund mit dem VLR aus, muss nur noch bis März 2024 nach Tarif bezahlen und spart zudem die VLR-Mitgliedsbeiträge. Kah hält den Ausstieg aus dem Verband für einen „elementaren Fehler“, weil die VG sich nun nicht mehr an der Zukunftsgestaltung des Systems beteiligen könne. Der VLR sieht das ähnlich und hofft, dass die VG „in Zukunft wieder in den Verband eintritt“. Diese Hoffnung äußert auch Prostka.||
Dies ist die längere Online-Fassung des Beitrags aus dem JOURNAL 4-22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2022.