Auf seinem Gewerkschaftstag am 27. April in Bielefeld hat der DJV-Landesverband NRW einen Pakt für Lokaljournalismus ausgerufen. Lokale Medien seien unentbehrliche Säulen der Meinungsvielfalt in NRW. Gefordert seien neue Förderkonzepte zur Entwicklung alternativer Modelle von Lokaljournalismus, ob als gedruckte Zeitung, im Netz oder als Lokalsender. Zudem sprachen sich die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gewerkschaftstags mit der Verabschiedung des Leitantrags dafür aus, die rechtlichen Privilegien für Medienunternehmen auf den Prüfstand zu stellen.
Privilegien auf den Prüfstand stellen
„Private Medienunternehmen genießen rechtliche Privilegien, da sie als Teil des dualen Mediensystems als Säule der Presse- und Meinungsfreiheit gelten. Diesem Anspruch werden Unternehmen mit Rückzug aus vielen Bereichen nicht mehr gerecht“, heißt es in dem Antrag. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz und der Tendenzschutz, der unter anderem die Rechte von Betriebsräten einschränkt, gehören nach Überzeugung des DJV-NRW deshalb auf den Prüfstand. Zudem müsse das Kartellrecht um den Aspekt Medienvielfalt ergänzt werden.
Von der NRW-Medienpolitik fordert der Leitantrag bessere Rahmenbedingungen, etwa die Gemeinnützigkeit von Journalismus anzuerkennen und eine journalistische Start-up-Kultur auf den Weg zu bringen. So könnten Modellprojekte in einzelnen Kommunen als „Schutzräume“ für lokaljournalistische Experimente dienen. Zudem müsse die Landesregierung den NRW-Lokalfunk mit seiner gesellschaftlichen Verankerung durch das Zwei-Säulen-Modell absichern und fit machen für die Herausforderungen der Digitalisierung.
Als weitere Vorschläge nennt der Leitantrag eine Forschungsinitiative, die solche Projekte begleitet und wirtschaftliche Perspektiven abklärt, sowie die Schaffung einer Stiftungsprofessur „Lokaljournalismus“.
Nicht zuletzt schickt der DJV-NRW mit seinem Leitantrag ein Signal an den Bundesverband und die anderen Landesverbände: Sie sollen sich auf allen Ebenen nach innen und außen für die Zukunft des Journalismus und seine Finanzierung einsetzen, um Meinungs- und Informationsvielfalt und die Sicherung journalistischer Arbeit zu gewährleisten. Dazu soll der DJV unter anderem an die Erkenntnisse anknüpfen, die er 2014 bei der damaligen Beschäftigung mit der Finanzierung von Journalismus gewonnen hat, und diese kontinuierlich weiterentwickeln. Dabei gehe es darum, „die Position des DJV zur Zukunft des Journalismus zu akzentuieren – mit Blick auf politische Handlungsfähigkeit, aber auch gegenüber den zunehmenden Fragen aus der Mitgliedschaft“, heißt es im Antrag.
Der DJV-NRW, der schon länger mit der Landespolitik im Gespräch ist, drängt darauf, die Diskussion über die Förderung des Lokaljournalismus stärker in die Öffentlichkeit zu tragen. Aktuell verweigerten sich die Verleger einem konstruktiven Dialog, erklärte der Landesvorsitzende Frank Stach zu den Hintergründen des Leitantrags. „Wir brauchen eine echte Bürgerbewegung, um für die Wertschätzung des Journalismus in der Öffentlichkeit einzutreten und neue Finanzierungsmodelle zu erschließen.“
Der neue Landesvorstand
Bei den Vorstandswahlen hat der Gewerkschaftstag den freien Journalisten Frank Stach als Vorsitzenden im Amt bestätigt, ebenso seine Stellvertreterin, die freie Journalistin Andrea Hansen. Neuer Stellvertreter ist der bisherige Schriftführer Kristian van Bentem, Betriebsratsvorsitzender der Westfälischen Nachrichten. Er folgt auf die WAZ-Betriebsratsvorsitzende Barbara Merten-Kemper, die nicht wieder antrat.
Neue Schriftführerin ist Barbara Löcherbach. Der freie Journalist Pascal Hesse bleibt Schatzmeister. Als Beisitzer wurden neu gewählt oder bestätigt: Andrea Donat, Katrin Kroemer, Stefan Lenz und Thomas Schwarz (Näheres zum Landesvorstand hier).
Glückwünsche für den neu gewählten Landesvorstand kamen unter anderem vom Bundesvorsitzenden Frank Überall, der morgens schon den Landesgewerkschaftstag in Niedersachsen besucht hatte, ehe er zu seinem eigenen Landesverband kam. In seinem Grußwort in Bielefeld sprach er über aktuelle Entwicklungen und Vorhaben des DJV-Bundesverbands und nannte neben dem allgegenwärtigen Kampf für die Pressefreiheit und das Thema Urheberrechte unter anderem den Einsatz für ein bundesweites Presseauskunftsgesetz und den Mindestlohn für Volontäre. Klare Worte fand Überall auch zur Situation bei den Tageszeitungen in NRW: So prangerte er unter anderem an, dass in seiner Heimatstadt Köln „die Zeitungen bei DuMont auf die Resterampe kommen“.
Bundes- und Landesvorsitzender kritisierten zudem übereinstimmend die Funke Mediengruppe. Stach warf dem Management einen Schlingerkurs vor – „ohne Richtung, ohne Leitplanken, ohne Haltung. Eine langfristige Strategie ist nicht zu erkennen.“ Entsprechend scharf verurteilte der Gewerkschaftstag in einer Resolution die erneute Sparrunde der Funke-Gruppe, die sich immer weiter aus dem Lokalen und Sublokalen zurückziehe, Stadteilredaktionen schließe und sich von erfahrenen Journalistinnen und Journalisten trennen wolle.
Die fragwürdigen Entscheidungen der Zeitungsverleger griff auch der Bielefelder Kabarettist Jürgen Rittershaus auf, der als „Heinz Flottmann“ plötzlich vor der Bühne auftauchte. „Ich würde mich nicht wundern, wenn Zeitungen demnächst mit ‚Jetzt mit zehn Prozent weniger Inhalt‘ werben“, spottete er über die immer dünner werdenden Blätter.
Denn auch in Ostwestfalen-Lippe gerät die Zeitungslandschaft inzwischen unter Druck. So will die Lippische Landeszeitung die Redaktion in tariflose Tochtergesellschaften auslagern, und beim Westfalen-Blatt sorgen sich die Beschäftigten nach der Übernahme durch den ebenfalls tariflosen Aschendorff-Konzern um ihre künftigen Arbeitsbedingungen. Auch die engere Verzahnung des Lokalsports von Westfalen-Blatt und Neuer Westfälischer lässt wenig Gutes erwarten. Um auf diese lokalen Probleme und die Rolle des Journalismus für das Funktionieren der Demokratie hatte der DJV-NRW begleitend zum Gewerkschaftstag eine Kampagne auf Bielefelder Plakatwänden gestartet: „Fake-News? Nicht mit uns!“ lautete das Motto, begleitet vom Versprechen: „Wir machen für Sie den Fakten-Check.“
Was die Branche umtreibt
In der Aussprache zu den Geschäftsberichten und in der Antragsberatung befasste sich der Gewerkschaftstag mit einer ganzen Palette weiterer Themen, die die Branche umtreiben. So ging es unter anderem um die Zukunft des NRW-Lokalfunks und um die Öffentlich-Rechtlichen, um Tarifthemen und Medienvielfalt, um die Berichterstattung über Krisen und Katastrophenfälle und um die schwierige Situation der freien Journalistinnen und Journalisten.
Auch einige innerverbandliche Anträge standen auf der Tagesordnung, darunter das Wahlverfahren für die Landesfachausschüsse, das nun für eine bessere Legitimation sorgen soll. Andrea Hansen warb dafür, dass der DJV neue Ideen entwickelt und in seinen Aktionen und Auftritten die „#FridaysForFuture-Momente“ sucht, um den Wert des Journalismus wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
In seinem Schlusswort dankte Stach für die guten und konstruktiven Diskussionen. „Wir haben, vor allem zum Thema Lokaljournalismus, etwas Wichtiges gestartet. Darauf können wir stolz sein.“||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2019.