Kann man in Zeiten der Coronakrise die Arbeit in der Redaktion niederlegen, um den Arbeitgebern in den laufenden Gehaltstarifverhandlungen Druck zu machen? Den Beschäftigten im NRW-Lokalfunk Beschäftigten scheint das gerade nicht passend, denn Menschen warten vor den Radiogeräten auf aktuelle Nachrichten. Die Gewerkschaften haben der Gegenseite deshalb einen Krisenabschluss mit kurzer Laufzeit angeboten, um weiterzuverhandeln, wenn sich die Dinge wieder normalisiert haben.
Zu verhandeln gibt es dann genug: Trotz Warnstreiks und Aktionen bei ersten Lokalfunksendern legten die Arbeitgeber in der dritten Verhandlungsrunde am 4. März kein prozentuales Gehaltsangebot auf den Tisch. Sie bestanden darauf, vorher Änderungen am Manteltarif und am Gehaltsgefüge zu vereinbaren.
Aktionen bei drei Sendern
Vor der dritten Runde hatten sich drei Sender an Aktionen beteiligt. Die Frühschicht von Hellweg Radio im Kreis Soest legte am 2. März die Arbeit nieder, sodass es nur Musik statt lokaler Informationen und Nachrichten gab. In einer Videobotschaft informierte die Belegschaft, dass sie für faire Bezahlung streikt. Am 3. März folgte die Frühschicht von Radio Bochum dem Warnstreikaufruf. Am Verhandlungstag sagten die Kolleginnen und Kollegen von Radio MK im Märkischen Kreis in den sozialen Medien „Stopp!“ zu längeren Arbeitszeiten, schlechterer Bezahlung und fehlenden Zukunftsperspektiven für den Nachwuchs.
Immerhin boten die Arbeitgeber eine Einmalzahlung an, wenn die Gespräche über „Strukturen“, wie sie es nennen, im Herbst noch kein Ergebnis gebracht haben sollten. Dafür müssten die Gewerkschaften aber „förmlich“ in solche Gespräche eintreten, so die Forderung. Die Einmalzahlung in Höhe von 1.000 Euro wäre zudem an Bedingungen geknüpft: Das Geld sollten nur diejenigen bekommen, deren Sender 2019 und 2020 Gewinne machten.
Dem konnten die Gewerkschaften nicht zustimmen, sagt Volkmar Kah, Verhandlungsführer für den DJV-NRW: „Hätten wir das getan, wären wir in Verhandlungen über Manteltarifvertragsthemen, die gar nicht Bestandteil der laufenden Tarifgespräche sind. Wir brauchen keine ‚förmliche Verabredung‘, wir sind zu Gesprächen bereit, sobald die Gehaltstarifrunde beendet ist.“ Die 1.000 Euro seien zudem kein echtes Angebot, weil Einmalzahlungen sich nicht auf künftige Gehaltserhöhungen auswirken. Die Tarifkommission sah in dem Vorschlag nicht zuletzt eine Ungleichbehandlung von Kolleginnen und Kollegen. Zumal es nicht abzuschätzen sei, wer das Geld überhaupt bekäme: Die Sender müssen ihre Gewinne nicht veröffentlichen und könnten Ende 2020 noch Ausgaben tätigen, um doch noch auf negative Ergebnisse zu kommen.
Entlastung für den Augenblick
Vor dem Hintergrund der aktuellen Werbeeinbrüche bei den Sendern entfiele diese vorgeschlagene Einmalzahlung wohl sowieso. Den Gewerkschaften ist genauso wie den Beschäftigten an einer Entlastung für den Augenblick gelegen: „Wir wollen, dass die Tarifrunde vorläufig abgeschlossen wird, damit die Kolleginnen und Kollegen sich voll auf ihre wichtige Arbeit konzentrieren können“, fasst Kah die Bestrebungen zusammen. „Wir hoffen, dass uns die Arbeitgeber da entsprechend entgegenkommen.“
Bei aller Kompromissbereitschaft in der aktuellen Situation: Die Gewerkschaften ärgern sich über das Schwarzer-Peter-Spiel der Gegenseite: Denn mit ihren Vorgaben versuchen die Arbeitgeber den Eindruck zu erwecken, dass die Gewerkschaften sich nach Abschluss der Gehaltsrunde weiteren Gesprächen verweigern könnten. Dabei waren es die Arbeitgeber selbst, die nach dem Abschluss 2017 entgegen der Vereinbarung nicht für weitere Gespräche auf DJV-NRW und ver.di zugekommen sind, obwohl die Gewerkschaften sie sogar daran erinnert haben.
Für Lösungen über den aktuellen Punkt hinaus steht der DJV-NRW natürlich weiter zu Verfügung, sagt Kah. „Wir haben den Arbeitgebern unsere Vorstellungen für einen modernen Tarifvertrag auf den Tisch gelegt, der das System für Neueinstellungen attraktiver macht. Wir sprechen auch gerne über bessere Bedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die jetzigen Beschäftigten oder einen Ausbildungstarifvertrag, der längst überfällig ist. Aber das alles sind keine Themen für Gehaltstarifverhandlungen. Wenn die durch sind, können wir in Ruhe über strukturelle Änderungen reden. Aber die dürfen dann auch nicht nur ein Spardiktat sein, bei dem Kolleginnen und Kollegen im Laufe eines Berufslebens auf fünfstellige Summen verzichten.“
Die Beschäftigten im Lokalfunk haben deutlich gemacht, dass sie ein Angebot erwarten, dass ihren Leistungen gerecht wird. Und sie sind dann zu gegebener Zeit auch bereit, wieder dafür zu kämpfen.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2020.