Medienpolitik |

Thomas Kutschaty: Medienvielfalt erhalten

Thomas Kutschaty (SPD) im Interview zu medienpolitischen Fragen
26. April 2022, red.

Sie treten im Kampf um das Spitzenamt gegeneinander an: Hendrik Wüst (CDU) und Thomas Kutschaty (SPD). Grund genug, bei beiden Kandidaten ihre medienpolitischen Positionen abzuklopfen. Vor der Landtagswahl im Mai spricht sich Thomas Kutschaty, Vorsitzender der NRW-SPD und ehemaliger NRW-Jusitzminister, gegenüber dem JOURNAL für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Vollprogramm aus, für den Erhalt des Zwei-Säulen-Modells im NRW-Lokalfunk sowie für die Verankerung von Journalismus im Gemeinnützigkeitsrecht.

Thomas Kutschaty | Foto: SPD/Maximilian Koenig
Thomas Kutschaty | Foto: SPD/Maximilian Koenig

JOURNAL: Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Medien beschreiben? Als Nutzer und als Objekt der Berichterstattung?

Thomas Kutschaty: Medien sind ein wichtiges Kontrollorgan politischer Ar­beit und eine tragende Säule unserer Demokratie. Wie wichtig eine unabhängige und objektive Berichterstattung in verschiedensten Medien ist, wird in ­diesen Tagen mit Blick auf das Geschehen in Russland einmal mehr deutlich. Aber auch Entwicklungen in der Europäischen Union, wie in Ungarn, sind alarmierend.

Abgefragt – noch mehr Antworten

Hendrik Wüst und Thomas Kutschaty haben die Interviewfragen schriftlich beantwortet. Im Heft wurden die Interviews in Reihenfolge des Eingangs bei der JOURNAL-Redaktion abgedruckt.
Noch mehr Antworten auf medienpolitische Fragen bietet der Landtagswahlcheck2022 des DJV-NRW: Darin äußern sich die Spitzenkandidat:innen, medienpolitischen Sprecher:innen und Vorsitzenden der Nachwuchsorganisationen sowie Vetreter:innen aus medienpolitischen Gremien. Alle Ergbnisse sind im Netz unter www.djv-nrw.de/landtagswahlcheck22 abrufbar.

JOURNAL: Wie beurteilen Sie die Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen? Die Medienvielfalt erodiert vor allem auf lokaler und regionaler Ebene seit Jahren. Wie kann Medienpolitik das verhindern? Ist die Förderung von Journalismus eine Option?

Kutschaty: Die Entwicklungen auf der lokalen Ebene sind in Summe besorgniserregend: Lokalsender oder Lokal­zeitungen verschwinden, viele Redak­tionen schrumpfen oder werden zusammengelegt. Zugleich sind die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten schwieriger geworden.
Diese Entwicklungen bedrohen die Meinungsvielfalt und hinterlassen eine große Lücke in der lokalen Berichterstattung, aber auch bei Warnungen im Bereich des Katastrophenschutzes. Als SPD streben wir daher eine Verankerung von Journalismus im Gemeinnützigkeitsrecht an, um vielfältige Berichterstattung auch in Zukunft finanzieren zu können. Auch die Förderung einer gemeinsamen Vermarkungsplattform sowie die Entwicklung weiterer Finanzierungsmöglichkeiten, wie Stiftungsmodelle, wollen wir umsetzen. Auch sogenannte «Bürgermedien» sind Teil der Medienvielfalt. Daher wollen wir auch ehrenamtliches journalistischen Engagement unterstützen. Als Ministerpräsident möchte ich zudem für eine neue Kultur der Transparenz stehen. Da geht auch in Nordrhein-Westfalen deutlich mehr.

„Wir wollen guten Journalismus stärken und gute Arbeitsbedingungen gewährleisten.“ – Thomas Kutschaty

JOURNAL: Die Gewerkschaften fordern die Abschaffung des Tendenzschutzes. Unterstützen Sie dieses Ziel?

Kutschaty: Unsere Position ist klar: Wir wollen die innere Pressefreiheit und die Mitbestimmung in Redaktionen und Medien stärken.

JOURNAL: Stehen Sie zum Erhalt des Zwei-Säulen-Modells im NRW-Lokalfunk? Wie soll das Modell in der digitalen Zukunft aussehen?

Kutschaty: Die SPD steht entschlossen und unmissverständlich zum Erhalt des Zwei-Säulen-Modells im NRW-Lokalfunk. In der digitalen Zukunft ist es aus meiner Sicht wichtig, zusätzliche Plattformen zu schaffen, über die regionale Inhalte digital verbreitet werden können.
Ich kann mir gut vorstellen, dass publizistische Entscheidungen, wie die ­Moderation oder Zugangsfragen, durch ein Gremium ähnlich einer Veranstaltergemeinschaft betreut werden können. Damit würden wir übrigens das Zwei-Säulen-Modell in die Welt des Internets heben.

JOURNAL: Die Pressefreiheit wird auch in NRW zusehends bedroht. Journalistinnen und Journalisten erfahren Hass und Hetze auf Social Media, Morddrohungen sowie körperliche Übergriffe bei Demonstrationen. Wie können sie besser geschützt werden?

Kutschaty: Angriffe auf Medienschaffende sind auch immer Angriffe auf unser demokratisches System. Daher hat der Schutz von Journalistinnen und Journalisten für uns eine sehr hohe Priorität. Alle Berichterstattenden sollen ihren Beruf frei und ohne Angst vor Bedrohung ausüben können – in NRW und der ganzen Welt. Zuletzt haben wir im März 2022 eine Berichtsanfrage im Landtag gestellt, um zu erfahren, was die Landesregierung zum Schutz von Medienschaffenden seitdem getan hat. Das Ergebnis war ernüchternd: Jenseits von Flyern, Broschüren und dem Verweis, dass sich Medienschaffende bei Fragen an die Pressestellen der jeweiligen Kreispolizeibehörde wenden können, ist leider nicht viel passiert. Das müssen wir ändern: Wir brauchen eine verbesserte Sensibilisierung und Qualifizierung der Polizei sowie konkrete Vorgaben für Maßnahmen im Bedrohungsfall. Dafür sind ein gemeinsamer Austausch mit dem DJV-NRW und den zuständigen Sicherheitsbehörden erforderlich, ebenso wie gemeinsame Seminare zwischen Einsatzkräften und Medienschaffenden.

JOURNAL: Medien erfüllen in der Demokratie eine wesentliche Aufgabe. Was kann Politik tun, um das Bewusstsein dafür zu stärken? Brauchen wir ein Schulfach Medienkunde?

Kutschaty: Grundsätzlich gilt, dass wir die Medienkompetenz stärken müssen, vor allem in der schulischen Bildung. Ich will, dass Kinder und Jugendliche mündige Mediennutzerinnen und -nutzer werden, die Fakten von Fake News unterscheiden können. Dafür müssen wir auch das Budget für die Fortbildungen von Lehrkräften erhöhen. Die Abschaffung des Faches Sozialwissenschaften durch die aktuelle Regierung macht die Vermittlung solcher Zusammenhänge noch einmal schwerer. Diese Entscheidung müssen wir nach der Wahl schnell korrigieren.

JOURNAL: Werden Sie sich persönlich dafür einsetzen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner bestehenden Form zu erhalten? Welche Rolle sollte er künftig spielen?

Kutschaty: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine zentrale Säule für die Unabhängigkeit und Meinungsvielfalt in unserer Demokratie. Als SPD stehen wir zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Vollprogramm, inklusive Sport und Unterhaltung, denn wir wollen, dass alle Bevölkerungsgruppen von den Angeboten profitieren. Daher ist für uns ganz klar: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll auch in Zukunft eine prägende Rolle in der Medienlandschaft in Deutschland spielen – das gilt auch für das Internet.

JOURNAL: Haben Sie weitere medienpolitische Ziele, die Sie in der kommenden Legislaturperiode umsetzen wollen?

Kutschaty: Mein oberstes Ziel ist es, die Medienvielfalt in NRW flächendeckend zu erhalten und für mehr Transparenz bei der Vermittlung politischer Entscheidungen zu sorgen. Wir wollen guten und professionellen Journalismus stärken und gute Arbeitsbedingungen gewährleisten. Da braucht vor allem der Lokalfunk ein neues starkes Votum der Politik.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 1/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2022.