VOLO-CAMPUS |

Volo machen – ja oder nein?

Ein Pro und Contra
1. August 2024, Marie Illner

Das Pro:

Athithya Balamuraley (28) hat sich nach ihrem Studium für ein Volontariat beworben. Was bei ihrer Entscheidung eine Rolle spielte und warum sie trotzdem nicht alles auf eine Karte setzen würde.

Eine junge Frau steht selbstbewisst mit verschränkten Armen vor einer Wand
Athithya Balamuraley sieht das Volontariat als Investition in ihre Zukunft. | Foto: Karsten Schöne

JOURNAL: Du hast dich gerade für ein Volontariat beim WDR beworben. Warum hast du dich so entschieden?
Athithya Balamuraley: Das ist für mich eine Option unter mehreren – aber ein Volontariat gilt immer noch als der Königsweg. Ich stehe gerade am Ende meines Studiums „Journalismus und PR“ an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Das Studium war bereits sehr anwendungsorientiert, und ich habe nebenbei immer an verschiedenen Projekten gearbeitet – zum Beispielim Podcast-Bereich oder für Social Media.

JOURNAL: Damit fühlst du dich aber noch nicht ausreichend aufgestellt für den Berufseinstieg?
Balamuraley: Ich habe bereits viel als freie Journalistin gearbeitet und mir einiges an Expertise angeeignet – etwa im Bereich intersektionaler Feminismus. Ich sehe das Volontariat aber als guten Weg in ein bestimmtes Medienhaus: Ich habe schon zwei Jahre beim WDR gearbeitet, unter anderem in der Wort- und Musikredaktion. Kurz vor der Pandemie habe ich das Angebot bekommen, als Freie anzufangen. Doch der Anschluss ist ein Stück weit verloren gegangen. Ein Volo wäre für mich jetzt eine Chance, in diese renommierte Rundfunkanstalt hineinzufinden.

JOURNAL: Ein Volontariat könnte also eine Eintrittskarte sein, wenn man einen bestimmten Arbeitgeber im Blick hat?
Balamuraley: Ja, ich empfinde eine gewisse Verbundenheit zu einer öffentlich-rechtlichen Institution und ihrem Auftrag. Ich denke, dass man dort besonders gut Journalismus lernen kann. Außerdem sehe ich bei einem Volontariat viel Potenzial, sich selbst einzubringen und etwas eigenes zu entwickeln.
Ich denke, dass man in einem Volontariat herausgefordert wird, aber auch anecken kann.

JOURNAL: Mit einem direkten Berufseinstieg hättest du womöglich zunächst mehr verdient. Hat das deine Entscheidung beeinflusst?
Balamuraley: Ich sehe es so: Ein Volontariat ist eine Ausbildung, die eben nicht so gut bezahlt ist wie zum Beispiel der Berufseinstieg. Das für zwei Jahre auf sich zu nehmen, zahlt sich aus meiner Sicht aus: Wenn man während des Volos ein ganzes Haus durchläuft, knüpft man wertvolle Kontakte. Das ist aus meiner Sicht die Möglichkeit, sich ein sicheres Netz aufzubauen. In diesem Sinne ist ein Volo eine Investition.

JOURNAL: Hast du Alternativen, falls es mit deiner Bewerbung nicht klappt?
Balamuraley: Stimmt, die Erfolgsaussichten sind häufig niederschmetternd. Letztes Jahr hatte ich mich für das Volontariat von ZEIT Online beworben. Ich war am Ende knapp nicht dabei, bin aber unter 580 Bewerbungen in die letzte Auswahlrunde gekommen. Nach der ersten Enttäuschung hat mich das ermutigt. Wenn man sich als Volontärin bezeichnen darf, kann man echt stolz sein – denn um dahin zu kommen, braucht man echt ein dickes Fell. Alles auf die Karte Volo würde ich aber nicht setzen. Man sollte immer die Augen nach Alternativen offenhalten, wie man sich weiterbilden und in den Beruf einsteigen kann – etwa durch Reportageschulen oder Fortbildungen. Man sollte nicht vergessen: Der Journalismus lebt gerade davon, dass man auf unterschiedlichen Wegen in den Beruf kommen kann und verschiedene Blickwinkel mitbringt. Diese sollte man sich selbst auch immer wieder aneignen.

 

Das Contra

Helen Bielawa (26) hat den Einstieg in den Journalismus ohne klassisches Volontariat geschafft. Wie ihr das gelungen ist und warum ein Volo nichts für sie war.

Eine junge Frau lehnt selbstbewisst mit verschränkten Armen gegen eine Stange in einem Fotostudio.
Helen Bielawa hat auf ein angebotenes Volontariat verzichtet, weil sie es als Rückschritt empfunden hätte. | Foto: Steffi Behrmann

JOURNAL: Du arbeitest bereits hauptberuflich im Journalismus – und das ganz ohne Volontariat. Wie hast du Journalismus dann gelernt?
Helen Bielawa: Ausprobiert habe ich mich schon früh: Ich habe eine Schülerzeitung selbst gegründet und mit 15 Jahren als Freie bei meiner Lokalzeitung angefangen. Ich habe zunächst Politikwissenschaften und Computerlinguistik studiert und währenddessen ein Journalismus-Stipendium von der Konrad-Adenauer-Stiftung gehabt. Später sind noch ein paar Studienfächer dazugekommen, unter anderem Kognitive Informatik und Datenvisualisierung. Heute arbeite ich drei Tage pro Woche festangestellt beim Tagesspiegel Background und zwei Tage freiberuflich hauptsächlich für Tactile News.

JOURNAL: Wieso sollte es im Anschluss an dein Studium kein Volontariat mehr sein?
Bielawa: Das habe ich nie so richtig erwogen, obwohl ich sogar ein Angebot bekommen habe. Nach dem Studium, als ich bereits als Freie gearbeitet habe, hätte sich das für mich wie ein Rückschritt angefühlt. Da habe ich schon fast normal in der Redaktion mitgearbeit. Während des Studiums hatte ich immer das Gefühl, dass mich das Studieren in der Arbeit bremst, weil ich so viel parallel gemacht habe. Ich habe mich dann gefreut, endlich die Sachen ganz machen zu können, die ich vorher nur nebenbei machen konnte.

JOURNAL: Ein Volo wäre da in die Quere gekommen?
Bielawa: So habe ich es empfunden. Von den Projekten, die ich mir neben dem Studium aufgebaut habe, hätte ich mich nicht für ein Volontariat trennen können. Ich wollte nicht verlieren, dass ich so viele verschiedene Dinge für unterschiedliche Auftraggeber machen kann. Meine Befürchtung wäre gewesen, das nicht wieder zu bekommen. Volos sind außerdem sehr breit aufgestellt – ich habe für mich kein Angebot gefunden, was etwa auf den Bereich Datenvisualisierung, Programmieren und KI zugeschnitten ist.

JOURNAL: Du hast dich durch das Stipendium ausreichend journalistisch ausgebildet gefühlt?
Bielawa: Ja, das war volontariatsadäquat. Recherchieren, Interviewführung und Co. – all das habe ich dort gelernt. Außerdem gehörten auch Praktika dazu. Viel Wissen habe ich mir auch durch Fortbildungen bei der Landesanstalt für Medien angeeignet. Für meine jetzigen Auftraggeber hat das fehlende Volontariat auch nie eine Rolle gespielt. Ohne das Journalismus-

Stipendium wäre mein Weg vielleicht anders verlaufen. Denn das journalistische Grundwissen, Prinzipien, Standards, Formate – das muss man aus meiner Sicht schon vermittelt bekommen und kann sich nicht alles selbst aneignen.

JOURNAL: Was könnte dir durch die Entscheidung gegen ein klassisches Volontariat entgangen sein?
Bielawa: Ich wäre vielleicht noch verwurzelter in dem Medienhaus, für das ich dann arbeiten würde. Wenn man richtig Lust auf ein spezielles Haus hat, ist ein Volo bestimmt empfehlenswert. Aber das war bei mir nicht der Fall – ich wollte nicht fünf Tage im selben Büro sein. Wege in den Journalismus können sich nicht nur durch ein Volo erschließen, sondern auch durch Expertise, die man mitbringt.
Ich konnte beispielsweise programmieren. Wenn man aufs Volo verzichtet, ist es noch wichtiger, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen. Erstmal einfach Anfangen bleibt aber der wichtigste Schritt.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 2-24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2024.