GLOSSE |

Wir können nicht gewinnen – sollten wir auch nicht müssen

Kolumne: Selbstständige Mütter m Journalismus
29. Dezember 2022, Anke Neckar

„Und? Wie kommst du damit klar, dass du ständig kritisiert wirst – weil du die Kinder deiner Arbeit vorziehst oder deine Arbeit den Kindern?“ wurde ich letztens gefragt. „Tja, eigentlich gut“, antwortete ich und erntete dafür eine fragend hochgezogene Augenbraue. Nachvollziehbar, denn kritisiert werden ist grundsätzlich ätzend. Besonders, wenn es die Lebensbereiche betrifft, die sich gefühlt durchgehend um den Mittelpunkt streiten.

Anke Neckar schreibt seit 2015 über ihren Fami­lienalltag: zu finden unter „LÄCHELN UND WINKEN - der ehrliche FamilienBlog aus Köln“ (laecheln-und-winken.com). | Foto: privat
Anke Neckar schreibt seit 2015 über ihren Fami­lienalltag:
zu finden unter „LÄCHELN UND WINKEN – der ehrliche FamilienBlog aus Köln“ (laecheln-und-winken.com). | Foto: privat

Das Problem: Wir können es jenen, die uns kritisieren, nicht recht machen. Obwohl uns Müttern mittlerweile nachgesagt wird, Superheldinnen zu sein, weil wir so verdammt vielen Ansprüchen gerecht werden (müssen), sind wir keine. Wir können nicht 100 Prozent im Job geben und gleichzeitig 100 Prozent für unsere Kinder da sein. Das ist unmöglich! Und es ist unmöglich unverschämt, dass die Gesellschaft im Allgemeinen und Arbeitgeber im Besonderen es dennoch erwarten und uns sogar dafür bestrafen, wenn wir dieses Wunder nicht vollbringen.

Klar, man kann uns als Folge dieses Mangels an Übermenschlichkeit vorwerfen, dass wir Frauen genau deshalb immer noch häufig mieser bezahlt werden, schlechtere Positionen bekleiden, gar nicht erst eingestellt oder unter fadenscheinigen, die Arbeitsrechtler:innen reich machenden Gründen gekündigt werden. Weil wir eben Kinderkrankentage nehmen (müssen) und – Gott bewahre – während der Arbeitszeit mal an unsere Kinder denken! Dass wir dafür neue, in der Mutterschaft gelernte Mega-Skills mit in unsere Jobs einfließen lassen – wie krassestes Multitasking oder ein Speedy-Gonzales-würdiges Arbeitstempo – wird ignoriert. Schade Marmelade.

Ich persönlich stehe für viele festangestellte Mütter schon besser da, weil ich selbstständig bin. „Wow, du verdienst mit (d)einem Hobby Geld! Du Glückliche!“ höre ich oft. Ähm, fast! Was in dieser „Jobbeschreibung“ fehlt, ist, dass ich immer mit meinem „Hobby“ beschäftigt bin. Trotz der Kinder. Keine Wochenenden, kein Urlaub, aufgrund dieses unangenehmen Mankos der Selbstständigkeit (Wer nicht arbeitet, verdient kein Geld!), das es zu vermeiden gilt. 😉 Von diesem Umstand wird leider auch der Traum zerschossen, dass ich mit den ständig spontan zuhause bleibenden Kindern auf der Couch rumlümmle. Stattdessen arbeite ich bei Krankheitsfällen an der Nachwuchsfront natürlich trotzdem, nur eben unter dröhnender Ninjago-Beschallung, was noch nerviger ist, als es klingt. On top könnte ich anführen, dass so eine Selbstständigkeit nicht nur aus „lustigen“ Aufgaben besteht – aber wer will sich schon von Excellisten, Steuer- oder Versicherungsfragen langweilen lassen. Hauptsache, es sieht aus wie ein Hobby!

Auf den Punkt: Was wir arbeitenden Mütter jeden Tag leisten (müssen), wird von jenen, die uns kritisieren, weder gesehen, noch wertgeschätzt. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, „abliefern“ ist unser aller Credo. Und von Müttern wird noch einmal mehr erwartet, sonst saust der Überfordert-Stempel herab. Wir können nicht gewinnen. Dank der Pandemie-Folgen für unseren „Status“ haben wir nicht mal eine Chance. Daher sollten wir uns gezielt auf unsere eigenen, individuell passenden Ansprüche konzentrieren, um nicht sinnlos auszubrennen. Wir leisten vielleicht nichts Übermenschliches, aber wir geben unser Bestes. Also: Sollen sie uns doch kritisieren. Sie haben schlicht keine Ahnung!

PS: Natürlich spielen Väter eine wichtige Rolle im Familienalltag, allerdings haben sie ja meist die besser bezahlten Jobs und sind daher in Sachen Vereinbarkeit weiterhin häufiger „entschuldigt“ als erstrebenswert. Aber das steht auf einem anderen Blatt.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 4-22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2022.