Der Grundgedanke der Öffentlich-Rechtlichen ist die Versorgung der Gesamtbevölkerung. Das ist schwieriger geworden: Die Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio erreichen heute viele Menschen nicht mehr. Dass sich das ändern soll, ist richtig, auch im Sinne der Demokratie. Der Reformstaatsvertrag atmet allerdings zu viel altes Denken: Noch ist der Gradmesser für Erfolg häufig die lineare Verbreitung, der man ansonsten die Totenglocke schlägt. Und auch, wo man ins Digitale will, passt etwas nicht zusammen: Wenn man 3sat dicht macht, aber viel mehr dieser Inhalte für die Mediathek produziert, werden die Anstalten keinen Cent sparen.
Auch beim Schlagwort der Presseähnlichkeit hängt die Medienpolitik an überholten Kriterien. Längst setzen alle Medienhäuser im Netz auf eine Mischung aus Text, Audio und Bewegtbild. Das Problem der Verlagshäuser mit ihrem Geschäftsmodell wird nicht kleiner, wenn Öffentlich-Rechtliche nur noch Überschriften veröffentlichen dürfen. Es wird immer genug anderen Gratis-Content geben, auf den Nutzende ausweichen können. Um die Zahlungsbereitschaft zügiger zu steigern, sollten die Verlagsspitzen schauen, dass ihr Angebot den Menschen das Geld wert ist. Guter Lokaljournalismus könnte die Antwort sein. Aber statt in Zukunftsmodelle zu investieren, sparen die Verlage auch hier vor allem am Produkt.
Das Gleiche passiert bei den Öffentlich-Rechtlichen, wenn sie beim „Umschichten“ vom Linearen ins Digitale versuchen, mit unverändertem Etat immer mehr diversifizierte Angebote gleich hoher Qualität zu schaffen. Das kann nicht klappen.
Kritik und Reformbemühungen müssten ganz anders ansetzen: Bei der Überlegung, ob die Öffentlich-Rechtlichen ihrem Auftrag gerecht werden, alle Bevölkerungsgruppen informationell zu versorgen. Und ob die Politik mit ihren Vorschlägen gute Rahmenbedingungen dafür schafft. Die Antwort lautet an vielen Stellen: nein. Statt am alten Denken festzuhalten, hätten die Verantwortlichen den Auftrag inhaltlich neu definieren und gemeinsam die Frage beantworten müssen: Was verstehen wir heute eigentlich unter öffentlich-rechtlich? Wie erfüllen wir die Rolle des Dienstleisters der Demokratie am besten? Was brauchen Menschen, um informiert und selbstbestimmt zu leben?
Weder Politik noch Medienmanager haben es abseits von Sonntagsreden versucht (geschweige denn geschafft), dem Publikum den Wert guter Information nachhaltig zu vermitteln. Dabei hängen Lebensumstände daran, wie viel man über politische und wirtschaftliche Zusammenhänge weiß und davon versteht. Wäre den Verantwortlichen wirklich daran gelegen, den Menschen politische Meinungs- und Willensbildung zu ermöglichen, würden sie auf andere Wege setzen.
Die Politik könnte zum Beispiel die Gemeinnützigkeit von Medien so anerkennen, dass sie eine Säule für Geschäftsmodelle würde. Denn wenn Journalismus so elementar für die Demokratie ist, was spricht dagegen? Das Rattenrennen ist so oder so eröffnet: Wird sich das alte Mediensystem schnell genug wandeln oder entsteht daneben ein neues? Und was macht das mit dem Informationsanspruch der Menschen, den die Öffentlich-Rechtlichen eigentlich bedienen sollen?
Statt den Auftrag zu modernisieren, setzt die Politik auf die Abrissbirne und definiert, was alles überflüssig ist – rein quantitativ. Zugleich ignoriert sie den von ihr selbst eingesetzten Rat aus Expertinnen und Experten. Mehr braucht es aus ihrer Sicht nur, wovon etliche heute schon zu viel vermuten: nämlich politische Mitsprache. Ein Medienrat soll es richten. Ein Aufsichtsgremium, sechs Leute, die dann gucken, dass das richtig läuft mit dem Input für ein ganzes Land. Halleluja. Wenn so Bürokratieabbau in der Medienpolitik funktioniert, dann weiß ich auch nicht.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2024.