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Fehler des Managements

Betriebsräte von RTL News kritisieren Entscheidungen zu G+J
4. April 2023, Corinna Blümel

Mitte März verkündete Bertelsmann die neuen Zahlen für die RTL Group:  Mit einem Umsatzplus um 8,8 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro verzeichnete der Konzern 2022 einen Rekordumsatz. Der Gewinn lag mit 766 Millionen Euro zwar niedriger als im Vorjahr, als hohe Veräußerungsgewinne zu einem Rekordergebnis geführt hatten. Aber verglichen mit dem Ergebnis von 2020 – 625 Millionen Euro – hat die RTL Group gut abgeschnitten. Trotz noch nie dagewesener externer Herausforderungen sei 2022 ein starkes Jahr für den Konzern gewesen, erklärte RTL-Vorstandschef Thomas Rabe.

Das werden zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anders empfunden haben. Für sie ist das vergangene  Jahr von Rabes unglücklichem Agieren in Sachen Gruner+Jahr (G+J) geprägt. Die G+J-Übernahme durch RTL Deutschland startete im Januar 2022 mit großen Ambitionen: Die Bertelsmann-Töchter sollten unter dem gemeinsamen Dach als crossmediales Unternehmen den globalen Tech-Plattformen Paroli bieten. Erwartet wurden große Synergien – etwa durch mehr exklusive Inhalte und bessere Cross-Promotion zwischen den Mediengattungen.

Frühe Zweifel an der Fusion

Bert Grickschat, Mitglied im Betriebsrat bei RTL News und Vorsitzender der DJV-Betriebsgruppe. | Foto: RTL
Bert Grickschat, Mitglied im Betriebsrat bei RTL News und Vorsitzender der DJV-Betriebsgruppe. | Foto: RTL

Aus dem nun gemeinsamen Haus war allerdings schon bald nach der Übernahme Zweifel zu hören. Das Vorhaben wirkte wenig durchdacht, dahinter steckte wohl eher wirtschaftlich getriebenes Wunschdenken. Aus inhaltlich-strategischer Sicht überzeugte es nicht. Für viele Beschäftigte startete die Fusion mit großen Fragezeichen, erinnert sich Bert Grickschat, Betriebsrat bei RTL News: „Eigentlich war sehr schnell klar, wo Synergien liegen und wo nicht.“ So holperte die Integration von G+J ebenso wie der Crossmedia-Ausbau der Streaming-Plattform RTL+. Vieles klingt in der Theorie halt besser als im Arbeitsalltag der Redaktionen. Wichtige Köpfe verließen das Haus, Bertelsmann-Chef Thomas Rabe übernahm die Führung bei RTL Deutschland (siehe JOURNAL 4/22).

Im Februar 2023 – nur dreizehn Monate nach der Übernahme – war klar: Entgegen ursprünglicher Versprechungen bleiben nur die G+J-Kernmarken, die Line-Extensions werden beerdigt, andere Magazine teils eingestellt, teils verkauft. In Hamburg werden bis 2025 rund 700 Stellen wegfallen, etwa 200 davon bleiben hoffentlich durch den Verkauf von Zeitschriften bei anderen Verlagen erhalten. Zu Stärkung der verbleibenden Magazine will Bertelsmann  bis 2025 80 Millionen Euro ins Verlagsgeschäft investieren. Davon sollen allein 30 Millionen Euro in den Ausbau des kostenpflichtigen Onlineangebots Stern Plus fließen.

Aus für 17-Uhr-News
Die werktägliche Nachmittagsausgabe von RTL Aktuell um 17 Uhr, die Mitte 2021 eingeführt wurde, entfällt ab Ende April. Wohl keine Sparmaßnahme, sondern eine Abwägung zwischen Aufwand und Quoten. Welches Programm auf dem Sendeplatz ab Ende April ausgestrahlt wird, will RTL zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben. Die reguläre Ausgabe von RTL Aktuell (werktags um 18:45 Uhr) bleibt von diesen Änderungen unberührt.
Kündigungen sind mit der Einstellung nicht verbunden: Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen werden in anderen Redaktionen unterkommen.

Schonfrist für Kölner Redaktionen

Auch am Standort Köln sollen in dem kommenden drei Jahren 300 bis 350 Stellen abgebaut werden, sozialverträglich und vorwiegend in der Verwaltung und den Stabsstellen. Der jüngst verkündete Wegfall der 17-Uhr-Nachrichtensendung (siehe Kasten) wird keine Stellen kosten. Für das laufende Jahr hat der Betriebsrat der Inhalte-Tochter RTL News das Signal erhalten, dass nur nicht-besetzte Stellen entfallen. Grickschat: „Gut begründete Nachbesetzungen sind weiterhin möglich – immerhin sind seit längerem 60 Stellen offen.“ Der Fachkräftemangel (siehe Meldung Neuer Medien-Fachkräfte-Beirat) schlägt auch hier zu.

Wolfram Kuhnigk ist Vorsitzender des Betriebsrats von RTL-News. | Foto: privat
Wolfram Kuhnigk ist Vorsitzender des Betriebsrats von RTL-News. | Foto: privat

Wie es für die kommenden beiden Jahre aussieht, wissen die Betriebsräte in Köln aber noch nicht. Hinzu kommt, dass in Hamburg bestimmte Verwaltungsabteilungen aufgelöst und deren Aufgaben nach Köln verlagert werden sollen. Wie die zusätzliche Aufgaben mit der sowieso schon zu dünnen Kölner Personaldecke gestemmt werden sollen, stellt den Personalrat der RTL News vor Rätsel, wie dessen Vorsitzender Wolfram Kuhnigk sagt. „Außerdem ist es nicht nachvollziehbar, wieso gute Kolleginnen und Kollegen in Hamburg gekündigt werden sollen – und in Köln dann für deren Aufgaben neue Leute gesucht werden müssen.“

Betriebsräte im engen Austausch

Wie immer bei solchen Konzernentscheidungen bemühen sich die Betriebsräte der betroffenen Einzelunternehmen um Schulterschluss. „Wir sind im engen Austausch mit allen betroffenen Betriebsräten, insbesondere aber mit Hamburg“, erklärt Kuhnigk. Und er macht deutlich, was er auch schon bei der G+J-Betriebsversammlung in Hamburg als Botschaft aus Köln überbracht hat: „Wir stehen zu hundert Prozent solidarisch zusammen; man wird uns nicht gegeneinander ausspielen.“ Mit den Tränen, der Fassungslosigkeit und der Wut habe die Versammlung ihm deutlich vor Augen geführt, dass gute Kolleginnen und Kollegen jetzt für die Fehler des Managements bezahlen.

Denn darum geht es nach Einschätzung der beiden Betriebsräte aus Köln. Kuhnigks Fazit: „Ich finde es kritisch, dass es zu Thomas Rabe kein Korrektiv gibt. Er berichtet in seinen Funktionen auf verschiedenen Ebenen ausschließlich an sich selbst. Dieses Modell der Macht- und Entscheidungskonzentration auf nur eine Person ist eher die Ausnahme als die Regel – und das könnte durchaus begründet sein.“||

Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.