THEMA | Nachwuchs bei Lokalzeitungen

Was die Volos wollen

Lokalzeitungen brauchen ­Nachwuchs. Haben die Verlage das vergessen?
3. April 2023, Marie Illner
Nah an den Menschen sein und ihre Geschichten erzählen – das fasziniert Daniel Immel, Volontär bei den Ruhr Nachrichten, am Lokalen. Aber anders als früher müssen die Redaktionen heute um solchen Nachwuchs werben. | Foto: Anja Cord
Nah an den Menschen sein und ihre Geschichten erzählen – das fasziniert Daniel Immel, Volontär bei den Ruhr Nachrichten, am Lokalen. Aber anders als früher müssen die Redaktionen heute um solchen Nachwuchs werben. | Foto: Anja Cord

Ständig hoher Druck, regelmäßig Überstunden, ein Leben, das völlig von Arbeit bestimmt ist – das war nicht das, was Jana Pense sich für ihren Beruf gewünscht hatte. Deswegen hat sie sich gegen den Weg in den Journalismus entschieden. Obwohl dieser Beruf die 26-Jährige, die Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum studiert hat, immer gereizt hatte. Heute arbeitet sie in der Unternehmenskommunikation.

Eine andere Entscheidung hat Johanna Christoph getroffen, die aus Überzeugung bei einer Lokalzeitung volontiert. Die 28-Jährige hatte nach ihrem Journalistikstudium zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Unternehmen gearbeitet. „Aber das Schreiben hat mir gefehlt“, erinnert sie sich. „Ich wollte wieder zurück in den Journalismus.“ Vor einem Jahr bekam sie ein Volontariat bei der Westdeutschen Zeitung und zog nach Wuppertal.

Auch Daniel Immel hat sich nach seinem Studium Journalismus und Unternehmenskommunikation in Iserlohn bewusst für ein Volontariat entschieden – bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund. Eine „Herzensangelegenheit“, wie der 26-Jährige sagt, dessen „großer Traum“ es immer gewesen sei, Journalist zu werden, genauer gesagt: Sportjournalist.

Auch wenn es überzeugte Volos gibt wie diese beiden aus Wuppertal und Dortmund: Im Augenblick entscheiden sich viele eigentlich medieninteressierte junge Menschen gegen den Journalismus, so wie Jana Pense es getan hat. Vor allem die Lokalzeitungen bekommen den Fachkräftemangel zu spüren. Zwar ist es nicht so schlimm wie in der Pflege- oder Baubranche, aber die Zeiten sind vorbei, in denen die Jungen vor der Tür Schlange standen, um als Freie einen Fuß in den Journalismus zu kriegen und dann ein Volontariat zu ergattern.

Warum ist es für viele Lokalzeitungen schwieriger geworden, Nachwuchs zu finden und die jungen Redakteurinnen und Redakteure dann auch zu halten? Und was motiviert diejenigen, die im Lokalen volontieren? Eine Suche nach Antworten.

Die Situation hat sich gedreht

Kristian van Bentem, stellvertretender Vorsitzender des DJV-NRW, erinnert sich noch, wie er sich vor Jahrzehnten für sein Volontariat bei den Westfälischen Nachrichten bewarb. Berge an Bewerbungen lagen damals bei der Chefredaktion auf dem Schreibtisch. Wenn man sich nicht vorher mit freier Mitarbeit bewährt hatte? So gut wie keine Chance.

Heute hat sich die Situation gedreht, weiß van Bentem, der inzwischen Betriebsratsvorsitzender beim Aschendorff Verlag in Münster ist. „Ich habe noch nie so viele Stellenanzeigen auf den unterschiedlichsten Kanälen gesehen wie aktuell“, sagt der 55-Jährige. „Redakteurinnen und Redakteure und Volos werden händeringend gesucht, besonders im Lokalen und besonders im ländlichen Raum.“

Der Fachkräftemangel ist längst angekommen

Rückläufige Bewerberzahlen beobachtet auch Stefan Lenz, Schriftführer im DJV-Landesvorstand und Betriebsrat bei der Rheinische Redaktionsgemeinschaft (RRG), der gemeinsamen Tochtergesellschaft von DuMont und Heinen-Verlag für die Außenredaktionen von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnischer Rundschau: „Der Fachkräftemangel ist bei uns längst aufgeschlagen.“ Wenn Redaktionen früher ein Volontariat ausgeschrieben hätten, seien schon aus der Region reichlich Bewerbungen eingegangen. Mittlerweile, so hört er auch aus anderen Häusern, gibt es Stellenbesetzungen, für die es genau eine Bewerbung gab.

Nicht nur im Lokaljournalismus
… haben sich die Verhältnisse gedreht: „Was mit Medien“ zieht auch in anderen Bereichen der Branche nicht mehr so wie früher. Dass die Medienhäuser bei jungen Menschen für sich werben müssen, gilt in Abstufungen auch für andere Printmedien sowie für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk. Auch aus Journalistenschulen ist zu hören, dass es weniger Bewerbungen gibt als früher.
Ein neuer Medien-Fachkräfte-Beirat der Landesregierung, einberufen vom Medienminister und Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei Nathanael Liminski (CDU), soll Strategien gegen den Fachkräftemangel in der Medienwirtschaft in NRW entwickeln (siehe Meldung „Neuer Medien-Fachkräfte-Beirat für NRW“).

Dass es einen riesigen Bedarf „nach neuen, angehenden Journalistinnen und Journalisten“ gibt, bestätigt Stephan Mündges, Institutsmanager am Institut für Journalistik der TU Dortmund (siehe Interview „Hoher Bedarf an Nachwuchs“). Es sei sogar mit weiterem Zuwachs zu rechnen. Entsprechende Anfragen von Lokal- und überregionalen Medien könne das Institut allerdings nicht bedienen: „So viele Studierende haben wir gar nicht.“

Die Gründe für die Veränderungen sind vielfältig. So ist Lokaljournalismus heute nur noch eine Option unter vielen journalistischen Berufsbildern. Das betont Stephan Mündges genauso wie Martin Liebig, einer der Geschäftsführer des Journalistenzentrums Herne (JZH). Letzterer beobachtet, dass der Nachwuchs Medien wie etwa die großen Sender interessanter findet als die Tages- oder gar Lokalzeitung, die als „Graubrot“ empfunden werde (siehe auch „Brot und Butter statt Romantik“). Dass sich viele gegen den Lokaljournalismus entscheiden, hat unter anderem mit den Arbeitsbedingungen zu tun, beispielsweise der Bezahlung.

Für Inga Bartsch ist Journalismus im Lokalen der Traumberuf. Sie volontiert derzeit bei der Funke Mediengruppe. | Foto: Katharina Krontal
Für Inga Bartsch ist Journalismus im Lokalen der Traumberuf. Sie volontiert derzeit bei der Funke Mediengruppe. | Foto: Katharina Krontal

„Ich wusste, was auf mich zukommt“

Eine, die sich davon nicht abschrecken ließ, ist Inga Bartsch. Auch sie hat sich bewusst für den Lokaljournalismus entschieden und macht seit Januar 2023 ihr Volontariat bei der Funke Mediengruppe. Davor hat die 24-Jährige Sportwissenschaften studiert und eine Ausbildung zur Medienkauffrau drangehängt.

„Ich wusste, was auf mich zukommt“, sagt Bartsch. Mit der Ausbildung als Medienkauffrau hätte sie direkt in den Beruf einsteigen und damit ein besseres Gehalt als im Volontariat erzielen können. Doch Bartsch wollte lieber in den Journalismus und steht voll und ganz hinter dieser Entscheidung. „Ich habe schon seit Schulzeiten Spaß am Schreiben und habe den Weg bis heute nicht bereut“, sagt sie. Die Freude, die ihr der Beruf bringe, überwiege die teilweise anstrengenden Arbeitsbedingungen. Überstunden zu machen – damit hat sie sich abgefunden. „Wenn man einen gewissen Anspruch an seine Arbeit hat, führt manchmal kein Weg daran vorbei“, meint sie.

Als „geregelt, aber auch flexibel“, beschreibt Daniel Immel die Arbeitsbedingungen in der Ruhr-Nachrichten-Redaktion. An fünf Tagen in der Woche sei er zwischen 9 und 19 Uhr flexibel im Einsatz. „Da bin ich relativ schmerzlos“, sagt er. „Ich habe erwartet, dass das Volontariat viel Arbeit bedeutet.“

Auch bei Johanna Christoph sind die Arbeitsbedingungen so, wie sie im Lokaljournalismus oft sind: Es gibt viele Abend- und Wochenendtermine, und sie kommt längst nicht immer pünktlich in den Feierabend. „Der Workload ist nicht zu unterschätzen“, sagt sie. Aber das nimmt sie in dieser Phase ihres Berufswegs in Kauf.

„Einfach nicht attraktiv“

Jana Pense blickt dagegen kritisch auf den journalistischen Arbeitsalltag: „Ich habe in meinem Bekanntenkreis gehört, dass man gerade am Anfang sehr viel arbeiten muss für wenig Geld. Diese Kombination ist einfach nicht attraktiv“, sagt sie. Ihr Eindruck: Je kleiner die Redaktion und je weniger Mittel dort vorhanden sind, desto verschärfter die Lage.

Jana Pense hat sich gegen den Lokaljournalismus entschieden. | Foto: privat
Jana Pense hat sich gegen den Lokaljournalismus entschieden. | Foto: privat

„Ich hatte das Gefühl, dass man oft Einzelkämpfer ist. Dabei arbeite ich viel lieber im Team“, sagt Pense. Strikt getrennte Ressorts passten für sie nicht ins Konzept, wenn anderswo offenes und projektbasiertes Arbeiten möglich ist. Auch befürchtete sie, aus Zeitmangel nicht die Qualität liefern zu können, die ihrem eigenen Anspruch entspricht. „Obwohl mir Schreiben immer sehr viel Spaß gemacht hat und es sicherlich viele positive Aspekte im Journalismus gibt, habe ich mich dagegen entschieden“, sagt sie. Eine Rolle habe auch gespielt, „dass ich vermute, dass man gerade im Lokalen oft wenig Wertschätzung für seine Arbeit bekommt“.

Macht Vorleistung sich bezahlt?

Stefan Lenz bedauert, medieninteressierte Leute wie Jana Pense auf dem Weg in den Journalismus verloren zu haben. „Am Beginn des Berufs auch mal die unbeliebten Jobs zu übernehmen ist okay. Aber es stimmt: Man kann heute gar nicht mehr damit rechnen, dass sich diese Vorleistung bezahlt macht“, sagt er.

Und van Bentem weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Gerade jüngeren Kollegen und Kolleginnen ist es deutlich wichtiger, Arbeit und Freizeit zu trennen. Sie wollen keine 60-Stunden-Wochen mehr ableisten“, sagt er. Nicht umsonst klingt in Gesprächen mit dem (potenziellen) Nachwuchs an, dass es mehr angestellte Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen braucht, damit alle Schultern entlastet werden.

Beide Betriebsräte halten es für dringend erforderlich, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dazu gehöre unter anderem „eine arbeitnehmerfreundliche Homeoffice-Regelung“, meint Lenz. Zu oft gehe es in der Diskussion um solche Veränderungen nur darum, was dem Arbeitgeber nützt.

Das Bedürfnis nach besserer Work-Life-Balance hat zumindest die Rheinische Post offenbar im Blick. Wie Chefredakteur Moritz Döbler erklärt (siehe Interview „Wir haben die Suche verändert“), achtet das Haus zum Beispiel auf bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Flexibilität mache das Organisieren zwar etwas komplizierter, aber das lohne sich, „weil es andere Blickwinkel in die Redaktion bringt und am Ende auch die Job-Zufriedenheit hebt“. Ein Rezept, das aufzugehen scheint. Jedenfalls sagt Chefredakteur Döbler: „Wir haben überhaupt kein Problem, qualifizierte, leidenschaftliche, engagierte junge Menschen für unseren Beruf und auch unser Haus zu begeistern.“

Die Branche redet sich schlecht

Kristian van Bentem, Betriebsratsvorsitzender bei den Westfälischen Nachrichten und stellvertretetender Vorsitzender des DJV-NRW: "Die Geschäftsleitungen halten immer noch das Preisschild davor." | Foto: Alexander Schneider
Kristian van Bentem, Betriebsratsvorsitzender bei den Westfälischen Nachrichten und stellvertretetender Vorsitzender des DJV-NRW: „Die Geschäftsleitungen halten immer noch das Preisschild davor.“ | Foto: Alexander Schneider

Tatsächlich sieht van Bentem Ansätze dafür, dass Arbeitgeber sich bewegen: So gebe es in Reaktion auf die schlechte Bewerberlage weniger befristete Verträge als früher. Manche Häuser werben explizit mit der Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice und dem Ausgleich von Überstunden durch Freizeit. Aber unter dem Strich wird aus seiner Sicht zu schleppend daran gearbeitet, die für viele abschreckenden Arbeitsbedingungen zu verbessern. „Selbst, wenn man erkannt hat, dass man etwas tun muss, sind oft immer noch Geschäftsleitungen da, die das Preisschild davorhalten“, sagt der Betriebsratsvorsitzende.

Hinzu kommt, dass sich die Branche selbst schlecht redet. Das sieht nicht nur van Bentem so. Wenn es in der breiteren Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren um Lokal- und Regionalzeitungen ging, standen vor allem negative Aspekte im Fokus: die Auflagenverluste, der wirtschaftliche Druck, die Reduzierung des Angebots aufgrund ausgedünnter oder zusammengelegter Redaktionen und die Mühen, im Digitalen ein funktionierendes Geschäftsmodell zu finden.

Der Wert gerade des Lokalen

Dass dabei das Image der regionalen Tageszeitungen leidet, ist kaum verwunderlich. Zu kurz kommt in dieser Erzählung oft der Wert gerade des Lokalen: Dass diese Form des Journalismus ein wichtiger Pfeiler der Demokratie und im besten Fall nah an den Themen vor Ort ist. Dass lokale Medien informieren und erklären, dass sie die Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für die Menschen vor Ort und in der Region herunterbrechen, dass sie Missstände aufdecken und zur Meinungsbildung beitragen.

So kritisiert van Bentem: „Wenn Verlage immer klagen und keine Lösungen aufzeigen, überlegen es sich junge Leute zwei- oder dreimal, ob sie in den Journalismus gehen“, meint er. Es müsse wieder viel positiver hervorgehoben werden, was den Beruf ausmacht.

Was das für sie ist, können alle drei Volos schnell beantworten: Alle drei wollen draußen sein und Geschichten erzählen. Daniel Immel fasziniert am Lokaljournalismus, „sehr nah an den Menschen zu sein und zu beschreiben, was eine Person ausmacht, wie sie sich verhält“. Lokaljournalismus lebe von den Protagonistinnen und Protagonisten, ist er überzeugt. Der gebürtige Westerwälder erwähnt auch die große Vielfalt der Geschichten, die er im Lokalen erzählen kann: „Es klingt zwar ein bisschen wie ein Klischee, aber die besten Storys liegen wirklich auf der Straße.“

Johanna Christoph unterwegs in Wuppertal: Journalismus soll es auf jeden Fall sein, ob sie im Lokalen bleibt, wird sich zeigen. | Foto: Frank Sonnenberg
WZ-Volontärin Johanna Christoph unterwegs in Wuppertal: Journalismus soll es auf jeden Fall sein, ob sie im Lokalen bleibt, wird sich zeigen. | Foto: Frank Sonnenberg

Das „Besondere im Alltäglichen“

Auch Johanna Christoph, die aus Westerkappeln bei Osnabrück stammt, mag es, Menschen kennenzulernen und „das Besondere im Alltäglichen zu beschreiben“. Angefixt hat sie nach dem Abitur ein Praktikum in der Lokalredaktion der Westfälischen Nachrichten. „Ich durfte sofort so vieles machen: Schreiben, Geschichten finden. So konnte ich meine Stadt noch einmal ganz anders kennenlernen.“ Und ihre Eltern waren stolz darauf, dass sie in der Zeitung, die sie abonniert hatten, ihre Artikel veröffentlichen konnte.

Jetzt im Volontariat möchte sie für die Leserinnen und Leser nahbar bleiben und freut sich, wenn ab und zu einmal eine Mail eintrudelt, in der sich Menschen für ihre Texte bedanken. Die interessantesten Orte in Wuppertal während ihrer Recherchen nach und nach auf besondere Art kennenzulernen empfindet sie als Privileg dieses Berufs. So hat sie zuletzt für die Serie „Bunker in Wuppertal“ exklusiv mit einem Höhlenforscher die Wuppertaler Unterwelt besucht.

Die spannenden Geschichten, die sonst vielleicht nicht erzählt würden, machen auch für Inga Bartsch das Besondere am Lokalen aus. Auch sie betont die Tatsache, dass sie die eigene Stadt jeden Tag neu kennenlernt. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings auch für die Volontärin: Aktuell wird sie noch nach Tarif bezahlt, doch wenn es bei dem Austritt der Funke- Mediengruppe aus dem BDZV bleibt, sind die Volos, die in diesem Jahr anfangen, die letzten unter diesen Bedingungen. Deswegen hoffen die Funke-Beschäftigen auf die schnelle Anerkennung eines Haustarifvertrags. Das wüsste auch Bartsch zu schätzen: „Eine Tarifbindung bietet Sicherheit, und man weiß, was auf einen zukommt.“

Für den DJV gehört die Tarifflucht vieler Häuser nicht nur aus individueller Sicht zu den großen Problemen. Sie schwächt den Journalismus als Ganzes. Denn die unsicheren Gehaltsperspektiven tragen dazu bei, dass viele Journalistinnen und Journalisten in andere Bereiche und Branchen wechseln.

Keine langfristige Strategie

Das Thema Bezahlung spiele deshalb eine entscheidende Rolle, betont van Bentem: „Viele junge Leute machen die Erfahrung, dass sich das Gehalt nicht so toll entwickelt wie suggeriert und erhofft. Um jede Lohnanpassung betteln zu müssen kann frustrieren.“ Zudem fehle oft auch die Transparenz, wie man sich in einem Medienhaus weiterentwickeln könne.

Viele Arbeitgeber sind bei der Problembeschreibung stehen geblieben, beobachtet Stefan Lenz, Betriebsrat bei der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft und Schriftführer im Landesvorstand des DJV-NRW. | Foto: Klaus Daub
Viele Arbeitgeber sind bei der Problembeschreibung stehen geblieben, beobachtet Stefan Lenz, Betriebsrat bei der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft und Schriftführer im Landesvorstand des DJV-NRW. | Foto: Klaus Daub

„Viele Arbeitgeber sind bei der Problembeschreibung stehen geblieben“, kritisiert Lenz. Nach seiner Beobachtung behelfen sich Häuser oft mit studentischen Hilfskräften, von denen viele nach Ende des Studiums wieder raus seien. Das sei keine langfristige Strategie, zumal Arbeitgeber mit ihren Ansprüchen heruntergehen. „In Ausschreibungen steht teilweise ungefähr ‚Hast du schon mal was mit Medien gemacht? Dann bist du bei uns richtig‘.“ Wenn man die Anforderungen so herabsetze und studentische Hilfskräfte Redakteursjobs übernehmen lasse, beschädige man den Lokaljournalismus.

Was also tun, um als Arbeitgeber auch für den Nachwuchs wieder interessanter zu werden? Offene Augen für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber jenseits der klassischen Milieus können helfen. Diverser besetzte Redaktionen werden schließlich schon länger gefordert – auch mit Blick auf die Frage, ob alle Bevölkerungsgruppen mit ihren Themen und Positionen in den Medien ausreichend repräsentiert sind. Das Rezept scheint die Rheinische Post erfolgreich zu praktizieren: Chefredakteur Moritz Döbler verweist im Interview auf den gerade ausgewählten Jahrgang der hauseigenen Journalistenschule.

Stefan Lenz sieht viele Stellschrauben, bei denen die Arbeitgeber ansetzen könnten: „Wenn jemand aus dem Volontariat kommt und vorher schon freier Mitarbeiter war – dann kennt man den, dann braucht man einen Arbeitsvertrag nicht mehr zu befristen“, sagt er als Beispiel. Gleichzeitig könnten Medienhäuser einen Arbeitsplatz zum Beispiel mit einem Job-Ticket attraktiver machen. „Da reicht es aber nicht, das 49-Euro Ticket einen Monat zu übernehmen. Der Arbeitgeber muss es in attraktiven Modellen regelmäßig bezuschussen“, fordert er.

Denkbar ist aus Sicht des DJV auch andere Unterstützung für den journalistischen Nachwuchs – zum Beispiel mit ermäßigtem Kantinenessen oder mit Zuschüssen zur Miete, wenn Volos für ihre Ausbildungsstationen an entfernteren Orten arbeiten.

Für den Beruf werben

Zugleich aber gilt es, in allen Bevölkerungs- und Altersgruppen den Wert der journalistischen Arbeit im Lokalen wieder bewusst zu machen. Damit Menschen aus verlässlicher Quelle erfahren, was direkt bei ihnen vor der Tür passiert – im Schlechten wie im Guten. Damit die Stühle in den Lokalredaktionen künftig nicht leer bleiben, sondern junge Medienbegeisterte wie Inga Bartsch, Daniel Immel und Johanna Christoph den Weg in den Lokaljournalismus wählen.

Wie es für die drei weitergehen wird, muss sich zeigen. Johanna Christoph hat noch nicht entschieden, ob sie ihr ganzes Berufsleben im Lokalen bleiben will. „Journalismus ist generell mein Traumberuf“, sagt sie. „Aber ich muss erst mal gucken, was die Zukunft bringt und lasse es auf mich zukommen, wohin mein Weg mich dann führt.“

Daniel Immel träumt zwar davon, sich in Richtung Fernsehen oder Sportjournalismus weiterzuentwickeln. Aber er hat im Volontariat „so einen Spaß am Lokaljournalismus gewonnen“, dass er sich inzwischen auch vorstellen kann, im Lokalen zu bleiben. Und für Inga Bartsch steht fest: Lokaljournalismus ist ihr Traumjob.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.