JOURNAL: Herr Döbler, als Chefredakteur der Rheinischen Post sind Sie auch am Auswahlprozess für Bewerberinnen und Bewerber beteiligt. Wie groß ist aus Ihrer Sicht das Thema Fachkräftemangel im (Lokal-)Journalismus?
Moritz Döbler: Nicht so groß, jedenfalls nicht bei uns. Wir haben weder bei der Nachwuchsgewinnung noch beim sogenannten Fachkräftemangel ein Thema. Wir hatten im vergangenen Jahr genauso viele Bewerbungen wie in den Vorjahren. Die Bewerbungen sind genauso gut, teilweise sogar besser. Wir haben überhaupt kein Problem, qualifizierte, leidenschaftliche, engagierte junge Menschen für unseren Beruf und auch unser Haus zu begeistern.
JOURNAL: Ein Alleinstellungsmerkmal der Rheinischen Post? Schließlich hört man aus anderen Häusern, dass es immer schwieriger wird, Personal zu finden.
Döbler: Natürlich ist es so, dass wir nicht mehr auf Bewerberinnen und Bewerber warten, sondern wir uns als Haus, als Redaktion quasi bei den jungen Menschen bewerben. Wir haben die Art zu suchen verändert. Das ist aber nicht Ausdruck eines Mangels. Wir schalten natürlich nicht mehr nur die Zeitungsanzeigen, die früher zum Erfolg geführt haben. Die Welt der Medien hat sich radikal verändert, sodass wir im Zuge der digitalen Transformation zum Beispiel auch bei Social Media suchen. Außerdem haben wir die Ausbildung verbessert und verändert im Sinne der jungen Menschen. Sie dauert zum Beispiel nur noch 24 statt 30 Monate, es gibt zwei Starttermine pro Jahr, und wir zahlen 2.100 Euro im Monat. Auch inhaltlich entwickeln wir, allen voran unsere Schulleiterin Julia Rathcke, die Ausbildung kontinuierlich weiter.‘
JOURNAL: Wie versuchen Sie noch, Bewerberinnen und Bewerber an Ihr Haus zu binden?
Döbler: Wir sind offener als früher in puncto Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es macht das Organisieren ein bisschen komplizierter, aber es bringt einer Redaktion viel, Flexibilität zu zeigen, weil es andere Blickwinkel öffnet und am Ende auch die Job-Zufriedenheit hebt.
Wir müssen ordentlich bezahlen und ordentliche Entwicklungschancen bieten, keine Frage. Es mag gute Gründe geben, in die PR oder zu einem Investmentfonds zu gehen. Wen aber nur das Gehalt antreibt, ist im Beruf des Journalismus falsch. Das gilt ja auch für andere Berufe – wer Kinder unterrichten will, sollte es nicht allein des Geldes wegen tun. Eine Leidenschaft für den Journalismus und das Lokale gehören bei uns dazu. Das finden wir aber auch, jedenfalls bei allen Bewerberinnen und Bewerbern, für die wir uns entscheiden.‘
JOURNAL: Gibt es denn noch Potenzial, welches man heben könnte – etwa bei Menschen, die nicht aus Akademikerhaushalten kommen oder einen Migrationshintergrund haben?
Döbler: All das haben wir und tun wir. Wenn ich auf den gerade ausgewählten Jahrgang der Journalistenschule blicke, finden sich dort alle Dimensionen der Diversität, die sich vorstellen lassen. Von Hintergrund der Eltern, über Migrationsgeschichte, über sexuelle Präferenzen oder Identität. Ich habe nicht den Eindruck, dass es da noch ein besonderes Potenzial gäbe, das sich nicht schon in den jüngsten Generationen unserer Journalistenschule spiegelt. Diese gelebte Offenheit stößt auf sehr positives Feedback.||“
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.