Journalismus kann unangenehme Wirkung entfalten – für diejenigen, über die recherchiert und dann auch berichtet wird. Um solche Enthüllungen über Missstände zu verhindern, versuchen Einzelpersonen, Gruppen, Organisationen und Institutionen, aber auch staatliche Stellen, Journalistinnen und Journalisten mit verschiedenen Mitteln die Arbeit schwer zu machen.
Behindern und Drohen
Während Redaktionen früher vor allem nach der Veröffentlichen mit Forderungen nach Gegendarstellung, Unterlassung oder Widerruf zu tun hatten, wird investigativ arbeitenden Kolleginnen und Kollegen heute das Leben oft schon im Vorfeld schwer gemacht. Etwa, indem sie von (Presse-)Konferenzen, Parteitagen oder Events ausgeschlossen werden. Oder indem man ihnen Informationen vorenthält bzw. der Auskunftspflicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz zwar nachkommt, aber dies mit hohen Gebühren belegt. Auch die „Intervention“ bei der (Chef-)Redaktion gehört in diese Kategorie.
Eine Steigerung sind Einschüchterungsklagen, sogenannte SLAPPs („Strategic Lawsuits Against Public Participation“), die mit hohen Strafsummen bewehrt sind, um kritische Berichterstattung, aber auch Forschung oder Bürgerbeteiligung zu verhindern. Hier wird auf EU-Ebene immerhin gerade gehandelt (siehe Kasten).
EU: Einigung zu SLAPP-Klagen
Künftig sollen missbräuchliche Klagen wirklich unter Strafe stehen: Der Europäische Rat hat am 19. März dem Entwurf einer Anti-Slapp-Richtlinie zugestimmt. Deutschland muss die Richtline nun zügig in nationales Recht umsetzen, damit Verbände, Organisationen und Gewerkschaften Beklagte unterstützen oder Informationen im Verfahren bereitstellen können.
Hemdsärmeliger wird es, wenn Medienschaffende direkt bedroht oder sogar angegriffen werden. Die Palette reicht von Bedrohungen im Netz oder Nachrichten an die Wohnadresse bis hin zur Zerstörung von Ausrüstung und körperlichen Attacken. Als massive Drohgebärde sind auch sogenannte Feindeslisten zu verstehen, die Journalistinnen und Journalisten namentlich benennen, die zum Thema Rechtsextremismus recherchieren. Die Zunahme solcher Bedrohungen hatte dazu beigetragen, dass Deutschland im Ranking der Pressefreiheit 2023 von Reporter ohne Grenzen erneut abgesunken war – um fünf Ränge auf Platz 21. Im aktuellen Ranking für 2024 steht es wieder auf Platz 10. Allerdings hat sich die Situation in Deutschland laut Reporter ohne Grenzen nur geringfügig verbessert – und das auch nur in der Kategorie Sicherheit. Der Sprung nach oben sei unter anderem der Tatsache geschuldet, dass sich andere Länder auf der Rangliste verschlechtert hätten.
Expertise dissen
Neben Rechtsextremismus gibt es manche anderen Themenbereiche, in denen bestimmte Interessengruppen Kolleginnen und Kollegen mit ausgewiesener Expertise für ihre Berichterstattung als „feindselig“ markieren. Deren Accounts werden dann zum Beispiel in den sozialen Netzwerken systematisch mit Hassbotschaften und Falschbehauptungen überrollt. Bei den Angegriffenen bindet das Zeit und Kraft und zielt darauf ab, sie als Person sowie die spezielle Recherche und ihre Arbeit als Ganzes zu diskreditieren. Das soll nicht nur ihnen, sondern allen Kolleginnen und Kollegen deutlich machen, dass sie sich dem betreffenden Themenfeld besser nicht widmen.
Zu dieser Strategie gehört es auch, gegen Tatsachenbehauptungen zu klagen, die in der beklagten Veröffentlichung gar nicht aufgestellt wurden. Oder gegen kleinste Ungenauigkeiten in einer Berichterstattung vorzugehen, die mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun haben. Auch das soll – unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage – dazu dienen, Zweifel zu wecken und eine Recherche zu entwerten. Exemplarisch ließ sich das im Zusammenhang mit der Correctiv-Recherche zum Treffen in Brandenburg beobachten.
In solchen Fällen bleibt bei vielen Menschen hängen: „Da wurde doch geklagt. So ganz kann die Story also nicht gestimmt haben.“
Falsche Narrative
Über bewusst falsche Narrative als eine weitere Variante des Dreck-Werfens berichtete Thomas Schnedler im Februar 2024 im Seed-Newsletter zum gemeinnützigen Journalismus: Danach zeige das Dokumentationssystem des Deutschen Bundestags, wie die AfD nach der Correctiv-Veröffentlichung zum Treffen in Brandenburg das parlamentarische Fragerecht strapaziere. Dem Eindruck nach gehe es „auch darum, Misstrauen zu säen und den gemeinnützigen Journalismus von Correctiv zu diskreditieren“.
Bezogen hätten sich die schriftlichen und mündlichen Fragen vor allem auf Treffen zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und Correctiv. Das Ziel dieser Anfragen, so folgerte Schnedler: „Es soll das Zerrbild eines staatsnahen Kampagnen-Journalismus gezeichnet werden, es soll abgelenkt werden von den Ergebnissen der investigativen Recherche, die die Menschen in Deutschland aufgerüttelt hat.“
Wie umgehen mit systematischen Anfeindungen und Diskreditierungen von extremistischen und populistischen Kräften, die journalistische Arbeit als Ganzes delegitimieren und Journalistinnen und Journalisten als Personen öffentlich in Misskredit bringen wollen? Ein Antrag auf dem Gewerkschaftstag im April widmet sich diesem Thema: Danach sollen die Medienhäuser ihren festen und freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Schulungen dazu anbieten. ||
* Der Antrag wurde beim Gewerkschaftstag am 20. April verabschiedet.
Ein ergänzender Beitrag zu JOURNAL 1/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, das im März 2024 erschienen ist.