„Wenn jeder auf seiner reinen Lehre besteht, laufen wir Gefahr, dass das öffentlich-rechtliche System gegen die Wand fährt.“ Mit diesen Worten forderte NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) auf dem Journalistentag am 23. November in Dortmund konstruktive Reformbereitschaft von allen Akteurinnen und Akteuren aus Politik und Anstalten.
Zwei wichtige Entwicklungen im Reformprozess für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk waren ganz frisch, als Liminski mit der ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab und Klaus Sondergeld, dem Vorsitzenden des Rundfunkrats von Radio Bremen, über genau diese Reform diskutierte: Am 19. November hatten ARD und ZDF Verfassungsbeschwerde wegen der Nichtanpassung des Beitrags eingereicht. Und am 22. November hatte des Medienportal DWDL exklusiv gemeldet, dass sich die Medienpolitik zwei Tage zuvor in Sachen künftiger Finanzierung geeinigt habe (siehe Kasten „Das neue Finanzierungsmodell“). Damit hatte das Podium einen sehr aktuellen Aufhänger für die Diskussion.
Das neue Finanzierungsmodell
Im Grundsatz wird die Erhöhung bis zu einer KEF-Empfehlung von plus fünf Prozent ohne explizite Zu-stimmung der Länderparlamente umgesetzt. Allerdings können die Länder Widerspruch einlegen. Dabei gilt: Je höher die Empfehlung, desto weniger Länder müssen widersprechen.
+ Bei 0 bis 2 Prozent müssen drei Länder widersprechen.
+ Bei 2 bis 3,5 Prozent müssen zwei Länder widersprechen.
+ Bei 3,5 bis 5 Prozent reicht der Widerspruch eines Bundeslands.
Liegt die KEF-Empfehlung über 5 Prozent, greift das bisherige Verfahren der staatsvertraglichen Festset-zung: Alle Länderparlamente müssen zustimmen.
(Stand bei Drucklegung des JOURNALs am 11. Dezember)
Polarisierendes Thema
„Nicht hilfreich“ nannte Liminski das Einreichen der Verfassungsbeschwerde zu gerade diesem Zeitpunkt. Man habe dieses polarisierende Thema „mitten in unserem aufgewühlten Land“ eingespielt – „das falsche Signal zur falschen Zeit“. Aus seiner Sicht hätten ARD und ZDF wenigstens die Dezembersitzung abwarten sollen, für die die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten als letzten Schritt ihres Reformstaatsvertrags eine Einigung über die künftige Rundfunkfinanzierung in Aussicht gestellt hatten. Zumindest aber hätte er von den Intendantinnen und Intendanten erhofft, dass sich vorher jemand bei ihm gemeldet hätte, um die Sache durchzusprechen.
Susanne Pfab und Klaus Sondergeld hielten dagegen: Die Beschwerde sei eine Reaktion auf die Verzögerungen durch die Politik. Schließlich sei eine fristgerechte Erhöhung zum 1. Januar 2025 eben nicht mehr möglich. Sondergeld erläuterte, welche konkreten Sparmaßnahmen etwas bei Radio Bremen ohne Beitragsanpassung fällig wären.
Susanne Pfab dröselte die beiden Prozesse auseinander, die von Politik und Öffentlichkeit seit Beginn des Bemühens um einen Reformstaatsvertrag immer wieder vermischt werden. Sie machte deutlich, dass die aktuelle Empfehlung der Kommission zu Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) für die kommende Gebührenperiode auf dem gegenwärtigen Auftrag basiert und eben nicht von der Entscheidung über den Reformstaatsvertrags und das künftige Beitragsverfahren berührt werde.
Verschlankung von ARD und ZDF
Neben dem brandaktuellen Thema Finanzierung stand der ganze Reformprozess zur Diskussion, der die Anstalten effizienter und wirtschaftlicher aufzustellen soll: Angefangen bei den Ideen, die der Zukunftsrat im Januar vorgelegt hatte, bis zur Festlegung auf den Entwurf des neuen Staatsvertrags im Oktober.
Danach müssen die Anstalten die Zahl ihrer Hörfunkwellen und linearen Nischensender reduzieren. Zudem deckelt die Medienpolitik die Sportrechtekosten und fordert eine stärkere Konzentration auf die Kernaufgaben der Öffentlich-Rechtlichen: Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung mit gesellschaftlichem Mehrwert.
Vor allem die ARD muss Doppelstrukturen abbauen und Einheiten der Verwaltung und der technischen Infrastruktur zentralisieren. Dass der künftige Staatsvertrag dabei weniger Zentralisierung vorsieht, als es der Zukunftsrat vorgeschlagen hatte, lag unter anderem daran, dass die Länder um das Föderale in der ARD fürchteten. Deswegen habe man sich auf redaktionsferne Einheiten konzentriert. Ob sich das nun gestärkte Federführungsprinzip bewähren würde, müsste sich noch austarieren, befand das Podium unter Moderation von Katrin Kroemer, selbst stellvertretende Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats.
Der Zukunftsrat sah im Federführungsprinzip keine Lösung, um die „evidenten Strukturdefizite der ARD“ zu beseitigen und die von ihm empfohlene „organisierte Regionalität“ zu gewährleisten. Die Expertinnen und Experten rund um Julia Jäckel hatten sich für eindeutigere Verantwortlichkeiten auf ARD-Ebene ausgesprochen, um strategiefähiger und entscheidungsstärker zu werden.
Der umstrittene Medienrat
Klaus Sondergeld, der in seiner Rolle als Rundfunkratsvorsitzender auch Teil der Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD (GVK) ist, begrüßte viele der anstehenden Neuerungen, darunter auch die Einsetzung eines Medienrats aus Sachverständigen, der die Möglichkeit biete, „über das ganze System zu schauen“. Der Medienrat soll als unabhängige Kontrollinstanz die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt und seinen gesellschaftlichen Nutzen bewerten.
Der DJV hatte sich in der öffentlichen Anhörung allerdings kritisch zum Medienrat positioniert. So macht er wegen der Besetzung verfassungsrechtliche Bedenken geltend, weil zwei Mitglieder von den Regierungschefs der Länder berufen werden sollen. „Das widerspricht dem Gebot der Staatsferne. Die Politik darf die Leistung des öffentlichen Rundfunks nicht überprüfen“, heißt es in der Stellungnahme des DJV. Damit die Rundfunkfreiheit nicht gefährdet werde, dürfe das Gremium zudem allenfalls beratend für Geschäftsleitung und Gremien tätig sein und keine Entscheidungsgewalt besitzen.||
* Corinna Blümel ist stellvertretende Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats.
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2024.