THEMA | Journalistentag 2025

Ermunterung statt Krise

Spannende Impulse beim Journalistentag in Dortmund
21. Dezember 2025, Corinna Blümel und Carmen Molitor

Es braucht mehr Zuversicht in Veränderung, größeren Gestaltungswillen, zuverlässige politische Rahmenbedingungen und mehr Kooperation statt Konkurrenz, um auch in Zukunft die Qualität des Journalismus zu sichern. Das betonte Andrea Hansen, DJV-Landesvorsitzende zum Auftakt des Journalistentags Ende November in Dortmund. „Wir werden nur dann dauerhaft etwas verändern, wenn wir anfangen, wieder zu gestalten – im eigenen Berufsalltag, unseren Redaktionen und Verbänden und in der Medienpolitik“, sagte Hansen.

Ein Frau in orangem Oberteil untrhält sich gestikulierend mit einem Mann, der ein pinkes Jacket und eine dunkle Brille trägt. Die szene ist leicht von unten fotografiert, im Hintergrund ist ein Aufsteller mit dem Logo des DJV-NRW zu erkennen.
Andrea Hansen und Thomas Knüwer warben zum Auftakt nicht nur optisch für Zuversicht. |Foto: Udo Geisler

„Who pays?“ lautete das Motto in diesem Jahr. Auf den ersten Blick klinge das nach einer simplen Abrechnungsfrage, führte Andrea Hansen aus: Wer also für die Jobs zahle – Verlag, Rundfunkanstalt, Crowd, Stiftung, Plattform, Staat, Werbung, Abo? Auf den zweiten Blick gehe es aber um viel mehr: „Was kostet es die Gesellschaft, was kostet es unsere Demokratie, wenn Journalismus nichts mehr wert zu sein scheint?“

Hohe gesellschaftliche Folgekosten

Denn letztlich laute die Antwort auf die Frage „who pays?“ schlicht: „Wir! Wir zahlen den Preis, wenn Redaktionen ausgedünnt werden, Honorare sinken, Stellen nicht nachbesetzt werden. Und alle zahlen den Preis, wenn Algorithmen bestimmen, was Millionen Menschen sehen, hören, lesen. Und wenn wir Journalistinnen und Journalisten irgendwann sagen: ‚Das tue ich mir nicht mehr an‘ – finanziell, mental, menschlich.“

Aber auch wenn die gesellschaftlichen Folgekosten hoch wären, falls Medienbranche und Politik es weiterlaufen ließen wie bisher: Der DJV-NRW wäre nicht der DJV-NRW, wenn er es bei der Krisenstimmung beließe. Das zeigte schon der kräftige Farbimpuls, den die Landesvorsitzende in Orange und der Keynote-Speaker Thomas Knüwer in Knall-Pink setzen: Der JoTag, wie er oft genannt wird, soll sich mit Handlungsmöglichkeiten beschäftigen und dazu ermuntern, die Zukunft mitzugestalten. Das heiße auch „ausprobieren, scheitern, nochmal anfangen – und das alles unter Bedingungen, die meist wenig komfortabel sind“, sagte Andrea Hansen.#

„Vieles wird besser, als Sie glauben“

Seinen Impulsvortrag versah Thomas Knüwer mit der Überschrift: „Warum vieles besser wird als Sie glauben“. Sein Credo: Valide Prognosen seien möglich, wenn man Gegenwart und Vergangenheit strukturiert und faktenbasiert analysiere. Das öffne Handlungsräume für die Zukunft und schaffe Zuversicht.

Letztere fehlt ihm im Handeln der Medienbranche und im Journalismus. Die aktuelle Krise sei teils hausgemacht: So hätte etwa ein Teil der Medien in der Berichterstattung zu sehr auf Emotionalisierung und dramatische Zuspitzungen gesetzt und damit als Verstärker zu einer „Überangst“ in der Gesellschaft beigetragen. Das lasse sich an Schlagzeilen und an Beiträgen ablesen, aber zum Beispiel auch an den zahlreichen True-Crime-Formaten. Wer die regelmäßig konsumiere, sei ängstlicher als andere Teile der Bevölkerung.

Das alles bleibe nicht ohne Folgen: „Angst macht Stress, und Stress führt zu Vermeidungsverhalten.“ Wenn Menschen in der Folge auf Medienkonsum verzichteten, habe das wirtschaftliche Auswirkungen für die Unternehmen, verdeutlichte Knüwer. Langfristig schadeten Medien sich also selbst, wenn sie Überangst befeuerten.

Dagegen gebe es Trends, die etwas zum Positiven drehen könnten. Dazu zählte Knüwer unter anderem den „postdigitalen Konsum“, der zu einer Aufwertung physischer Gegenstände führe, wie man es vor einigen Jahren bei Vinyl gesehen habe und aktuell bei aufwendig gestalteten Büchern im Schmuckschuber. Die seien für die junge Zielgruppe so attraktiv, dass die Fans teils mehrere Ausgaben der gleichen Ausgabe kauften, um sie im eigenen Regal mit aufgeschlagenen Einzelseiten zu präsentieren.

Hinzuschauen lohne sich auch bei den „Super-Influencern“, denen es über durchaus journalistische Formate wie etwa Podcasts gelungen sei, große Communitys aufzubauen. Das Publikum schenke diesen Menschen Vertrauen, weil sie unaufgeregt und persönlich berichteten. Knüwer riet den Medienhäusern, stärker mit solchen Influencerinnen und Influencern zusammenzuarbeiten und offener für deren Formate zu sein. Vielleicht würden sie künftig sogar zu deren Dienstleistern?

Disruption verstehen

Ignorierten sie solche Entwicklungsmöglichkeiten dagegen dauerhaft, sei die Medienkrise der letzten zehn Jahre ein „Kindergeburtstag“ gegen das, was dann noch komme. Das habe damit zu tun, wie Disruption funktioniere, wie Knüwer erläuterte: Newcomer machten in der Regel einfach eine einzige Sache besser als die etablierten Unternehmen und knabberten damit nach und nach im untersten Prozentbereich an deren Umsatz. Um das auszugleichen, setzten die Großen auf Sparen. Das Publikum in Dortmund wusste – oft aus
eigener leidvoller Erfahrung: Genau das ist der Teufelskreis.

„Zukunft ist das, was wir erzeugen“. Mit diesem Zitat der Politikwissenschaftlerin und Zukunftsforscherin Dr. Florence Gaub beendete Knüwer seinem Vortrag. „Das heißt Zukunft ist beeinflussbar. Seid Teil der Lösung.“

Labor für mögliche Antworten

Der Impulsvortrag setzte den Ton für den großen journalistischer Branchentreff. Als „Labor für mögliche Antworten“ hatte Andrea Hansen den JoTag zum Auftakt bezeichnet. Entsprechend drehten die Foren und Workshops in der Sparkassenakademie am Phoenix See sich um die Vielfalt möglicher Finanzierungsmodelle und um Kooperation statt Konkurrenz. In weiteren Panels ging um investigative Recherchen, um Sicherheit auf unübersichtlichen Plattformen, um rechtliche Fragen – und immer wieder darum, wie sich die Qualität im Journalismus sichern lässt, während der ökonomische Druck steigt.

Thema waren auch die Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks, der privat finanzierte Rundfunkmarkt in NRW, der Kampf gegen organisierte Kriminalität, die politische Meinungsbildung durch TikTok & Co. und der durch US-Dominanz und Digitalgiganten bedrohte europäische Journalismus.

Wie immer bot der „Markt der Möglichkeiten“ die Gelegenheit, sich den ganzen Tag über Ausbildung, Absicherung und andere berufspraktische Fragen zu informieren. Ein großer Mehrwert vor allem für die zahlreichen Studierenden und Volos unter den Hunderten Besucherinnen und Besuchern des Journalistentags.

Zum Erfolg der Veranstaltung trugen wie immer die zahlreichen Haupt- und Ehrenamtlichen aus dem DJV-NRW bei, die Organisation durch die RDN-Agentur und natürlich die Sponsoren.

Der JoTag schloss am Nachmittag erstmals mit der feierlichen Verleihung der Friedrich und Isabel Vogel-Preise für hervorragenden Wirtschaftsjournalismus. ||

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/25, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2025.