Der Presseverein Niederrhein-Ruhr hat eine Tradition wiederbelebt: Erstmals seit 2012 richtete er wieder seinen Journalistentreff aus. In der Talkreihe diskutierten schon namhafte Kollegen wie Gerd Ruge, Heiko Engelkes oder Günter Wallraff über aktuelle Medienthemen. Mit den Radiojournalisten und WDR5-Moderatoren Tom Hegermann und Uwe Schulz ging es diesmal um die Frage: „Vom Informationsmedium zur Dudelwelle – geht Radio nur noch so?“ In der gut gefüllten, neuen Duisburger Zentralbibliothek erlebten die Zuschauer eine angeregte Podiumsdiskussion, die der Ortsverbandsvorsitzende Thomas Münten moderierte.
„Ich bin ein Mann des Wortes“, sagte der gebürtige Duisburger Tom Hegermann. Knapp 31 Jahre lang habe er beim WDR moderiert, darunter das Morgen- und Mittagsmagazin sowie den Montalk von WDR2. „Das war für mich der Himmel auf Erden.“ Die Aufgaben hätten sich jedoch stark verändert. Früher hätten Moderatoren eng mit Musikredakteuren und Technikern zusammengearbeitet und sich auf die journalistische Arbeit konzentrieren können. Inzwischen werde die Sendung „komplett von den Moderatoren gemacht“, vom Aussuchen der Jingles bis zum Ziehen von Reglern. Auch musikalisch habe sich viel getan: „Nur noch gut 30 Titel rotieren tagsüber bei WDR2“, dagegen habe WDR4, wo früher vor allem Schlager lief, eine Tournee von Bob Dylan präsentiert.
Das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks habe sich gerade in den vergangenen zwei Jahren geändert, ergänzte Münten. „Muss immer alles gleich eine Show sein?“ Grundsätzlich sei Radio noch mehr zur Akustik-Kulisse geworden, meinte Uwe Schulz. „Informationen holen sich die meisten heute aus dem Netz.“ Das wollte Hegermann nicht stehen lassen. „Wie viel wichtiger wäre es, dass wir einordnen und Hintergrund bieten.“ Das aber sei kaum noch möglich. Ein durchschnittliches Interview habe früher gut sieben Minuten gedauert, heute 2:30. „Wenn man über Politik redet, kann man in zweieinhalb Minuten kein differenziertes Gespräch führen.“
„Radio heute ist oft schwarz-weiß“
Dann wird es nur noch „schwarz-weiß“, fand Hegermann, der gerne mehr Berichte zur Landespolitik hätte. Er mag überdies nicht, dass Politiker meist kritisiert, deren Erfolge aber nicht gelobt werden. Das stärke Leute, die einfache, scharf zugespitzte Antworten geben auf Probleme, für die es keine einfachen Antworten gibt. Da musste Moderator Münten kurz seine Rolle verlassen, um eine Lanze für die kritische, investigative Arbeit von Journalisten zu brechen.
Auch Uwe Schulz, einst eine der bekanntesten Stimmen auf WDR2, hielt dagegen: „AfD-Wähler sind nicht entpolitisiert, weil sie politikverdrossen gequatscht wurden von Investigativjournalisten.“ Er ließ auch die Kritik nicht gelten, dass sich der Hörfunk und besonders WDR2 als publikumsstärkste Welle zu sehr an statistischen Durchschnittshörern ausrichte. Der Rundfunk habe früher kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen genommen. „Die Orientierung an den Hörern ist richtig“, sagte Schulz, „aber wir müssen nicht über jede Schwelle gehen“. Da hatte Hegermann gerade engagiert vorgetragen, dass es bei WDR2 zuletzt oft nur darum gegangen sei, ob das Thema „Andreas und Susanne“ interessiere. Dieses typische Hörerpaar habe man sich in der Wellenleitung aus Umfragen und Statistiken gebastelt. „Wenn es immer nur um Durchschnitt geht, dann fehlt irgendwann die Qualität.“
Deswegen argumentierte Hegermann, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Pflicht habe, „mit wichtigen journalistischen Inhalten auch in den ,Massenprogrammen‘ um Hörer zu kämpfen“. Nicht zuletzt deshalb trat er, wie auch sein Kollege, als Fürsprecher des Rundfunkbeitrags auf. „Es gibt nichts, was so günstig ist wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk“, nur wüssten viele Menschen gar nicht, welche Sender und Programme es überhaupt gebe. Die Volksabstimmung über die Rundfunkgebühr in der Schweiz sahen alle drei Journalisten mit großer Sorge.
Auch im Publikum saßen größtenteils Befürworter des Rundfunkbeitrags. Die Kritik daran, so eine Wortmeldung, sei paradox: Denn der eine Vorwurf besage, dass das Programm zu nah an dem der Privaten ist, ein anderer, dass nur Nischen bedient würden. Letztlich halte die Gebühr auch die Vielfalt beim Radio am Leben.
„Vorauseilender Gehorsam gegenüber dem unbekannten ,Hörer‘ darf aber nicht zu weniger Niveau führen.“ Mit diesem Gedanken resümierte Thomas Münten die launige Talkrunde. Die Besucher bleiben Radioliebhaber – auch wenn viele von ihnen, die mit WDR2 groß geworden sind, sich inzwischen für den Sender zu alt fühlen und jetzt eine neue Radioheimat suchen. „Ein Programm mit klaren Inhalten, erwachsenen Moderatorinnen und Moderatoren und vielfältiger Musik für Menschen über 40, ohne Spielchen, schlimme Musikbetten und sich ewig wiederholende Jingles, das wäre ein echtes Glück.“ Nur – danach suche man in Nordrhein-Westfalen vergeblich.||
JOURNAL 1/18