Viele freie Journalistinnen und Journalisten geraten durch die Coronapandemie in eine finanzielle Schieflage, manche wissen nicht, ob sie dauerhaft in diesem Beruf bleiben können. Das zeigt die Umfrage, die der DJV-NRW zur Situation von freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten in der Coronakrise durchgeführt hat. „40 Prozent der Freien sorgen sich um ihre berufliche und private Existenz. Das sind 40 Prozent zu viel“, erklärte Frank Stach, Landesvorsitzender des DJV-NRW. Kein Wunder, denn die bisherigen Hilfsprogramme der Bundes- und Landesregierung helfen Freien nicht, darauf hat der DJV-NRW früh hingewiesen. Die meisten Freien gehen leer aus.
Häufig schlechtere Auftragslage
Knapp 630 Freie aus allen journalistischen Ressorts haben an der Umfrage teilgenommen. Mehr als 80 Prozent gaben an, dass ihre Arbeitsbedingungen sich seit Beginn der Pandemie verändert haben – für viele zum Schlechten. 67 Prozent der Befragten bekommen seitdem weniger bis gar keine Aufträge mehr – mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre finanzielle Situation. Ebenfalls 67 Prozent geben an, dass sie weniger verdienen als vor Beginn der Pandemie. Durchschnittlich berichten die Befragten über Honorareinbußen von 50 Prozent. Mehr als 38 Prozent der Freien können dieses Honorardefizit nicht ausgleichen, weil ihre Rücklagen so gut wie oder bereits ganz aufgebraucht sind.
Anfang September hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Fortsetzung der sogenannten Corona-Überbrückungshilfe bis Dezember 2020 beschlossen. Danach können Soloselbstständige weiterhin monatlich 1 000 Euro erhalten. Das sieht der DJV-NRW als richtigen Schritt an, der allerdings nicht das dringend erforderliche Maßnahmenpaket ersetzen kann, das der DJV schon länger fordert.
So sehen es auch die freien Journalistinnen und Journalisten, wie die Umfrage zeigt: Rund 70 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer forderten bessere Hilfen. „Ein Hilfsprogramm, das auch den Lebensunterhalt mit einschließt, wäre unbedingt erforderlich. Ansonsten werden viele wie ich langfristig nicht mehr vom Journalismus leben können“, schreibt ein Mitglied des DJV-NRW in der Umfrage.
Hilfen sind unzureichend
Seit die Bundesregierung im Frühjahr die Soforthilfe für Soloselbstständige auflegte, fühlen sich viele Freie hängengelassen, weil die Bedingungen für sie eben nicht passen. Mehr als 55 Prozent der Befragten haben die Soforthilfe von 9 000 Euro trotzdem beantragt, davon haben fast 98 Prozent die Unterstützungsleistung erhalten. Allerdings ist fraglich, wer das Geld wirklich behalten darf: So sind die Befragten nach eigenen Angaben bis heute unsicher, ob, wie viel und auf welchem Wege sie die Soforthilfe zurückzahlen müssen.
Die Ratlosigkeit ist auf die widersprüchlichen Informationen aus dem NRW-Wirtschaftsministerium zurückzuführen. Als die Antragstellung schon lief, hieß es zunächst, mit dem Hilfspaket dürften nur betriebliche Fixkosten und keine privaten Kosten gedeckt werden – nicht einmal das eigene Honorar. Dann erklärte das Ministerium für Wirtschaft in NRW, für die Monate April und Mai dürften doch jeweils 1 000 Euro zur Deckung privater Kosten genutzt werden. Von denen, die die Soforthilfe beantragt hatten, gaben 25 Prozent an, die Summe sei zu gering, um die laufenden Kosten zu decken.
Und wer gedacht hatte, dass ihm oder ihr die Soforthilfe nicht zusteht oder wer im April und Mai noch auf Rücklagen zurückgreifen konnte, geht leer aus. Das trifft auf immerhin 45 Prozent der Befragten zu.
Anfang des Sommers hat die Bundesregierung dann mit der sogenannten Überbrückungshilfe nachgelegt, die allerdings nur mithilfe einer Steuerberaterin oder eines Steuerberaters beantragt werden kann, den viele Freie normalerweise nicht engagieren. Die Landesregierung ergänzte das Hilfsprogramm mit jeweils 1 000 Euro, die für private Zwecke genutzt werden können. Lediglich elf der mehr als 600 Befragten haben diese Unterstützung bisher erhalten, drei davon haben sie als hilfreich eingestuft.
Was aber nach wie vor fehlt, ist ein Hilfsprogramm, das auf die Lebenswirklichkeit freier Journalistinnen und Journalisten zugeschnitten ist und mit dem diese auch Ausgaben für die private Lebensführung bestreiten können. Grundsicherung zu beantragen empfinden die meisten Kolleginnen und Kollegen nicht als Lösung: Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Umfrage haben nur 17 diesen Weg gewählt. Und das, obwohl die Landesregierung dies für alle vorschlägt, die aus dem Raster der Soforthilfe fallen.
Zeitlich versetzte Flaute
„Dass sich 40 Prozent unserer freien Mitglieder, die an der Umfrage teilgenommen haben, Sorgen um ihre Existenz machen, ist erschreckend“, erklärte Stach. Er verwies darauf, dass die Notlage bei einem Teil der Freien erst zeitlich verzögert eintritt. So haben manche Freiberuflerinnen und Freiberufler in den ersten Krisenmonaten noch vorher akquirierte Aufträge abgearbeitet oder Honorare für die Monate davor erhalten. Die Auftrags- bzw. Honorarflaute setzte bei manchen erst ein, als der Bemessungszeitraum für die Hilfen schon abgeschlossen war.
Zudem können auch die Auftraggeber jetzt nach und nach in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, vielleicht sogar vom Markt verschwinden, sodass in den kommenden Monaten Aufträge wegfallen und Honorare deutlich zurückgehen könnten. Das kann selbst diejenigen betreffen, die noch gut durch die ersten Krisenmonate gekommen sind.
„Bei vielen werden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten erst noch kommen“, warnt Stach deswegen. „Die Politik darf die Kolleginnen und Kollegen nicht weiter im Regen stehen lassen. Journalistinnen und Journalisten sind ein wichtiger Pfeiler unserer Demokratie, für den die Politik Verantwortung übernehmen muss – und zwar jetzt“, forderte Stach.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 5/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2020.