Die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten bei der Berichterstattung muss spürbar verbessert und die Pressefreiheit in vollem Umfang gewährleistet werden. Diese Forderung an Gesetzgeber und Sicherheitsbehörden erhoben die rund 200 Delegierten des DJV-Verbandstags Anfang November in Bochum. Wie aktuell ihre Forderung war, zeigte ein aktueller Angriff auf ein MDR-Fernsehteam bei einer nicht genehmigten Demonstration gegen Coronamaßnahmen in Zwickau.
Mehr Sicherheit für Medienschaffende und die Gewährleistung der Pressefreiheit waren Themen, die den Verbandstag prägten. Weitere wichtige Themen waren die Anpassung der Branche und auch des DJV selbst an den fortwährenden Wandel.
Tarifpolitik modernisieren
Dazu gehört es auch, sich als Gewerkschaft zu erneuern, wie es ein Antrag des DJV-NRW forderte. Denn wenn einerseits Stellen immer häufiger befristet und nicht tarifgebunden sind und andererseits die Priorität für Jüngere oft nicht mehr das stetig steigende Gehalt ist, muss sich auch die größte Organisation der Journalistinnen und Journalisten in ihrer Doppelfunktion als Gewerkschaft und Berufsverband anders aufstellen. Die Idee: Der DJV soll für ein „intaktes Medienökosystem“ kämpfen, das gute Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten bietet und so seiner demokratierelevanten Funktion in der Gesellschaft besser gerecht werden kann. Der Verbandstag befürwortete diesen NRW-Antrag.
Die Delegierten nahmen auch einen Leitantrag des Bundesvorstands an und erneuerten damit die Positionen und Zielvorgaben des DJV für die Zukunft eines vielfältigen und differenzierten professionellen Journalismus im Dienste der demokratischen Gesellschaft und die damit verbundenen Forderungen an Politik und Medienakteurinnen und -akteure.
Zweieinhalb Tage mit 3Gplus
Es waren zweieinhalb Tage unter besonderen Bedingungen: Die Delegierten tagten diszipliniert mit Maske, Abstand und 3Gplus-Konzept. Und auch wenn anfangs einzelne über die hohen Anforderungen mopperten, waren am Schluss wohl alle froh darüber, denn über die täglichen Selbsttests wurde ein positiver Fall gefunden.
Auf der Tagesordnung standen Vorstandswahlen und ein umfangreiches Antragspaket. Dass dabei auch um Gewesenes und Zukünftiges gestritten wurde, war ein Stück Normalität, das im vergangenen Jahr pandemiebedingt hatte ausfallen müssen. Nach einer lebhaften Aussprache zu den Geschäftsberichten wurden Frank Überall als Vorsitzender und Katrin Kroemer als Schatzmeisterin im Amt bestätigt. Damit ist Nordrhein-Westfalen wieder stark im Bundesvorstand vertreten. Überall hatte dafür geworben, den DJV zukunftsfähig aufzustellen und zu schauen, „was wir noch besser machen können“. Zwei Drittel der Anwesenden gaben ihm ihre Stimme für diese Amtszeit, die seine letzte sein soll, wie er vorab erklärt hatte.
Neue stellvertretende Vorsitzende sind die freie Journalistin Anne Webert und der Tageszeitungsredakteur Mika Beuster, zu Beisitzenden wurden der Onliner Philipp Blanke, die freie Journalistin Mariana Friedrich und Wissenschaftsjournalist Harald Stocker gewählt. Beuster und Blanke gehörten dem vorigen Vorstand bereits als Beisitzer an, Webert, Friedrich und Stocker sind neu im Team – eine gute Mischung also aus Kontinuität und Erneuerung.
Ehe sich die Delegierten in Anträgen und Resolutionen mit der Gestaltung des Wandels befassten, widmete sich der Verbandstag nach einem Grußwort von Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch den Dauerthemen Pressefreiheit und Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten.
Einblick in Causa Reichelt
So war Marcus Engert vom Investigativteam der Ippen-Mediengruppe per Video aus Washington zugeschaltet und erzählte über das abrupte Bremsmanöver in der Causa Reichelt. Monatelang hatte das Team recherchiert, das Factchecking war abgeschlossen und alle juristischen Fragen geklärt, als Verleger Dirk Ippen freitags mitteilte, dass der Text entgegen den Planungen nicht am Sonntag veröffentlicht werden dürfe. Bekanntermaßen ließ sich die Recherche nicht unter dem Deckel halten, Julian Reichelt ist nicht mehr BILD-Chefredakteur. Aber auch wenn die Veröffentlichung eine Genugtuung für das Team darstellte, machte Engert deutlich, dass investigative Recherche nicht verhindert werden dürfe. „Sonst haben wir ein Problem.“
Wie groß dieses Problem mit der Pressefreiheit in anderen Ländern ist, zeigte das Gespräch mit einem weiteren Gast: Prof. Dr. Katja Artsiomenka warb im Gespräch mit Frank Überall eindringlich um Aufmerksamkeit und Unterstützung für die Journalistinnen und Journalisten in ihrer Heimat Belarus, die nicht nur sich selbst durch ihre Arbeit in Gefahr bringen, sondern auch ihre Familien und Freunde (siehe auch Gastbeitrag JOURNAL 5/21).
In einer Resolution forderte der Verbandstag später die Bundesregierung zu intensiveren Sanktionen gegen Belarus auf und erklärte sich solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle und anderer Auslandssender, die intensiv zu Belarus berichteten.
Als dritter Gast stellte David Schraven von Correctiv die Ausstellung „Menschen im Fadenkreuz rechten Terrors“ vor, von der wenige Tafeln vor dem Tagungssaal präsentiert wurden. Das Projekt macht auf tausende Menschen aufmerksam, die auf sogenannten Feindeslisten stehen, mit denen Rechtsextreme und Neonazis Angst verbreiten wollen, um zivilgesellschaftliches Engagement sowie journalistische Recherchen zu verhindern.
Verpflichtung für Medienhäuser
Um den besseren Schutz für Kolleginnen und Kollegen ging es dann auch in der Antragsberatung. Vor dem Hintergrund erneuter tätlicher Angriffe auf Medienschaffende forderte ein Dringlichkeitsantrag des DJV Sachsen, der Grundrechtsschutz von Journalistinnen und Journalisten müsse bei Einsatzbesprechungen im Vorfeld kritischer Versammlungen – ob politische Versammlungen oder Sportereignisse – eine zentrale Rolle einnehmen.
Mehrere Anträge zur Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten wurden zusammengeführt und verabschiedet. Wichtig waren den NRW-Delegierten dabei zwei Punkte: Danach sind Medienhäuser aufgefordert, Angriffe auf jeden Fall zur Anzeige zu bringen und Freie bei Angriffen ebenso zu schützen wie festangestellte Kolleginnen und Kollegen. Dieser Gedanke findet sich auch im Beschluss wieder, den FAIRhaltenskodex zur Zusammenarbeit von Freien und Festen zu aktualisieren. Weitere NRW-Anträge forderten bessere Coronahilfen und eine Stärkung des Urheberrechts.
Lokaljournalismus sichern
Ebenfalls auf Antrag aus NRW wird sich der DJV für ein bundesweites Förderkonzept einsetzen, „das eine an qualitätssichernde Kriterien gebundene Förderung von Medienhäusern und journalistischen Projekten ermöglicht, um noch vorhandene Strukturen im Lokaljournalismus langfristig zu erhalten. Die finanziellen Hilfen sollen an quantitative Standards bei der personellen Ausstattung von Redaktionen, qualitativ-inhaltliche Kriterien, die Tarifbindung und die Einhaltung von angemessenen Honoraren geknüpft sein“. Dabei sei der Grundsatz der Staatsferne strikt zu beachten, zudem dürfe die Förderung „nicht zulasten der Förderung von neuen Formen im Lokaljournalismus gehen“.
Weitere Anträge aus NRW betrafen die Entwicklung eines Code of Conduct für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Journalismus und die ausreichende Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für die notwendige Digitalisierung in den Sendern dürften keine Mittel aus dem Programm abgezogen werden, heißt es in einem der Beschlüsse. Ein weiterer Antrag forderte die Öffentlich-Rechtlichen auf, auch in ihren Tochterunternehmen Betriebsräte zu unterstützen und auf Verhandlungen über Tarifverträge mit den Gewerkschaften hinzuwirken.
Selbst digitaler werden
Die Digitalisierung war auch ein innerverbandliches Thema: Der Leerlauf zwischen Abstimmung und Auszählung machte mehr als deutlich, dass die Zeit der Stimmzettel vorbei ist. Die Delegierten beauftragten den neu gewählten Bundesvorstand, die Weichen für ein elektronisches Wahlverfahren zu stellen. Die Weichen erneut zu stellen, muss man sagen, denn einen ersten – erfolglosen – Versuch hatte es 2015 gegeben. Seitdem sind digitale Wahlverfahren allerdings deutlich sicherer und weniger manipulationsanfällig geworden, wie unter anderem die beiden zurückliegenden Gewerkschaftstage des DJV-NRW gezeigt haben.
Als der Bundesvorsitzende die Delegierten in Bochum verabschiedete, war das komplette Antragspaket erledigt, was nicht bei jedem Verbandstag gelingt. Das war umso bemerkenswerter, als das Antragspaket auch noch Anträge aus dem Jahr 2020 enthielt, als der Verbandstag ausfallen musste.
„Das Ruhrgebiet ist deshalb so besonders, weil wir hier den permanenten Wandel leben“, hatte Frank Stach als Landesvorsitzender des gastgebenden DJV-NRW in seinem Grußwort zum Auftakt erklärt. Aus Sicht der NRW-Delegierten hat der Verbandstag in Bochum ein gutes Fundament für den weiteren Wandel des DJV gelegt. Weiter geht es mit der stetigen Erneuerung im kommenden Jahr Anfang November in Lübeck.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 6/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2021.