Das Tagungspräsidium arbeitete diesmal hybrid: Nicola Balkenhol und Karlheinz Stannies saßen in Düsseldorf, Kai Heddergott war aus Münster zugeschaltet. | Foto: Alexander Schneider
Das Tagungspräsidium arbeitete diesmal hybrid: Nicola Balkenhol und Karlheinz Stannies saßen in Düsseldorf, Kai Heddergott war aus Münster zugeschaltet. | Foto: Alexander Schneider
 
GEWERKSCHAFTSTAG 2022

Sicherheit auf vielen Ebenen

Gewerkschaftstag am 7. Mai: Leitplanken für die Zukunft
14. Juli 2022, Corinna Blümel

Mit einem Hilfsangebot an geflüchtete Medienschaffende endete der virtuelle Gewerkschaftstag des DJV-NRW am 7. Mai: Journalistinnen und Journalisten, die aus Kriegs- und Krisengebieten hierher kommen und Mitglied des DJV-NRW werden wollen, zahlen in den ersten zwölf Monaten keinen Beitrag. „Damit strecken wir die Hand für diejenigen aus, die hier in NRW Schutz und Hilfe suchen“, sagte der Landesvorsitzende Frank Stach. „Wir bieten den Kolleginnen und Kollegen unser Netzwerk und unsere Unterstützung an.“

Hilfe und Solidarität

In seiner Eröffnungsrede erinnerte Stach daran, dass sich der Landesverband schon länger mit niederschwelligen Angeboten und Solidaritätsaktionen für Geflüchtete aus der Ukraine einsetzt, etwa mit einer eigenen Mailadresse und Telefonnummer. Ein Muttersprachler hilft dem DJV-NRW, Barrieren abzubauen. Hinzu kommen Aktionen wie die Mahnwache vor dem russischen Generalkonsulat in Bonn am Tag der Pressefreiheit, die den Journalistinnen und Journalisten gewidmet war, die bis zu diesem Tag im Krieg getötet worden waren. Der Gewerkschaftstag legte morgens eine Gedenkminute für die Opfer des Kriegs ein und verurteilte in einem Antrag den Angriff Russlands.

Die offene Mitgliederversammlung des DJV-NRW wurde zur Sicherheit aller Beteiligten zum dritten Mal als Videokonferenz ausgerichtet. Erneut waren im Tagungsraum in Düsseldorf Landesvorstand, Präsidium, Antrags- und Zählkommissionen sowie Teile des Teams aus der Geschäftsstelle versammelt, während die Mitglieder sich virtuell zuschalteten und die Fachausschuss-Mitglieder sowie die Delegierten per Smartphone-App wählten.

Das hat sich alles schon so gut eingespielt, dass das dreiköpfige Präsidium trotz erschwerter Bedingungen souverän durch den Tag führte: Wegen Krankheit des langjährigen Tagungspräsidenten Jörg Prostka sprang Karlheinz Stannies ad hoc ein und unterstützte Nicola Balkenhol vor Ort in Düsseldorf. Als dritter im Bunde war Kai Heddergott wegen Corona-Quarantäne aus Münster zugeschaltet.

Wählen per Smartphone-App: Das galt auch für die Mitglieder im Tagungssaal in Düsseldorf. Hier übt der Landesvorsitzende Frank Stach sein Stimmrecht aus. | Foto: Alexander Schneider
Wählen per Smartphone-App: Das galt auch für die Mitglieder im Tagungssaal in Düsseldorf. Hier
übt der Landesvorsitzende Frank Stach sein Stimmrecht aus. | Foto: Alexander Schneider

Blick zurück und nach vorne

Neben den aktuellen Geschehnissen blickte Frank Stach in seiner Auftaktrede auf die anstehenden Tarifverhandlungen beim WDR und warf einen Blick zurück auf die Hochwasserkatastrophe im vergangenen Sommer und die Coronapandemie mit ihren Folgen für Gesellschaft und Journalismus.

Dazu zählte er Bedrohungen und die wachsende Gewaltbereitschaft gegenüber Journalistinnen und Journalisten, sei es auf Demonstrationen oder im Netz. Stach erinnerte an die Notfallnummer des DJV-NRW, unter der Mitglieder des DJV-NRW in aktuellen Fällen Hilfe oder Beratung bekommen – auch am Wochenende. Mit zwei kürzlich veröffentlichten Flyern mit Präventionshinweisen für Medienschaffende und Informationen für die Polizei will der DJV-NRW zudem langfristig und nachhaltig dazu beitragen, dass journalistisches Arbeiten bei Einsatzlagen sicherer wird.

Den Etat brachte Geschäftsführer Volkmar Kah für den terminlich verhinderten Schatzmeister Pascal Hesse ein. Wie in den vergangenen Jahren plant der DJV-NRW mit einem leichten Defizit, das ohne Probleme aus Rücklagen gedeckt werden kann. Aber Kah machte auch die Notwendigkeit deutlich, „die Mitgliederzahlen zu stabilisieren, um das in den Griff zu kriegen“. Er verwies auf die erfolgreiche Aktion der Schnuppermitgliedschaften und auf das Anfang 2022 gestartete Programm „Mitglieder werben Mitglieder“.

Ein dickes Antragspaket

Nach Geschäftsberichten, Etat und Wahlen befassten sich die rund 70 Teilnehmenden mit dem dicken Antragspaket und bestimmten damit wichtige Leitplanken für die nähere und fernere Zukunft. Den Auftakt machte eine Resolution zur Achtung der Würde von non-binären, trans- und intersexuellen Menschen. Darin heißt es: „Der DJV-NRW lehnt jede Form von Diskriminierung ab.“ Mit der Resolution richtet der DJV-NRW den Blick nicht nur nach innen, sondern fordert auch Medienhäuser und Medienschaffende auf, die Rechte aller Menschen zu achten. Denn: „Journalistische Standards gelten unabhängig von geschlechtlicher Identität.“

Weitere Anträge beschäftigten sich mit Aktionen gegen Tarifflucht und Tarifbruch sowie der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Die Mitglieder pochen laut Beschluss auf Mindestlohn auch in Praktika (mit Ausnahme von Schulpraktika), denn die fehlende Vergütung ist für Menschen, die keine finanzielle Unterstützung etwa aus dem Elternhaus

haben, der wichtigste Grund, ein Praktikum nicht anzutreten. Dies betrifft häufig Menschen aus nicht-akademischem Elternhaus oder mit Migrationsgeschichte und steht damit der Diversität entgegen, die für viele Medienhäuser heute bereits erklärtes Ziel ist.

Alles für gute Arbeitsbedingungen

Was macht eigentlich gute Arbeitsbedingungen aus? Mit dieser Frage hatte sich der Gewerkschaftstag schon am Vormittag im Rahmen der Aussprache zu den Geschäftsberichten befasst. Sichere und verlässliche Rahmenbedingungen gehören auf jeden Fall dazu. Einige Anträge am Nachmittag griffen das wieder auf. So forderte der Gewerkschaftstag ein Gesetz zur verpflichtenden Erfassung der Arbeitszeit, das auch behördliche Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen regelt.

Unter der Hand berichten Medienschaffende oft von schlechten Arbeitsbedingungen und unfairen Honoraren, wollen dies aber in der Regel nicht offen thematisieren, weil sie sonst Konsequenzen fürchten müssen. Damit sie solche Informationen anonym melden können, soll der Landesverband ein digitales Tool entwickeln. Es würde dem DJV-NRW auch genaueren Einblick in mögliche Missstände bei Redaktionen und Pressestellen ermöglichen.

Bessere Informationen durch die Verwertungsgesellschaften VG Wort und VG Bild-Kunst sollen dazu beitragen, dass die Wahrnehmungsberechtigten einerseits die Meldeverfahren besser beherrschen und andererseits alle Unterstützungsmöglichkeiten kennen und nutzen, etwa Stipendien, Nothilfen und den Zuschuss zur Altersvorsorge. Von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fordert der DJV-NRW genauere Angaben, wo welche Beiträge ausgespielt werden, damit Freie ihren berechtigten Anteil an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften geltend machen können.

Erwartungen an die Medienpolitik

Nicht zuletzt formulierten die Mitglieder kurz vor der NRW-Landtagswahl ihre Erwartungen an die künftige Landesregierung: Dazu gehört ein eindeutiges Bekenntnis zur dualen Medienordnung. Diese soll dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso wie den privat finanzierten Medien einen guten Rechtsrahmen bieten, dem NRW-Lokalfunk eine Zukunftsperspektive sichern und eine staatsfern ausgelegte Förderung von lokaler Pressevielfalt auf den Weg bringen.

Auch an den Landesverband selbst haben die Mitglieder Erwartungen, die sich in mehreren innerverbandlichen Anträgen niederschlugen. Dieses Paket hatte der Gewerkschaftstag nach hinten verschoben, um ausreichend Raum für die anderen Themen zu geben. Ein Teil der innerverbandlichen Anträge musste am Ende des langen Tages an den Gesamtvorstand überwiesen werden, darunter die Frage, ob sich die wachsende Vielfalt im DJV auch im Verbandsnamen niederschlagen sollte.

Aber vorher stimmten die Teilnehmenden am späten Nachmittag noch für zwei Zukunftsthemen rund ums Klima: So wird der DJV-NRW eine Strategie entwickeln, um Treibhausgase zu reduzieren, und angesichts erster Erfahrungen mit katastrophalen Folgen des Klimawandels zusätzliche Angebote rund um die Vor- und Nachsorge bei Einsätzen in (gerade auch inländischen) Krisengebieten etablieren.

2023 hoffentlich wieder in Präsenz

So schön die virtuelle Teilnahme ohne lange Anreise für die Mitglieder ist, in der Behandlung der Anträge zeigten sich einmal mehr die Beschwernisse digitalen Tagens: Manche Diskussion hätte sich im Plenum einfacher führen lassen, mancher Änderungsantrag wäre schneller formuliert gewesen, wenn sich zwei, drei kurz hätten im Tagungssaal zusammensetzen können.

Dass der Gewerkschaftstag im kommenden Jahr wieder eine Präsenztagung ist, wünschen sich denn auch viele Mitglieder, vor allem aber Landesvorstand und Geschäftsstelle.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 2/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2022.