Angemessene Vergütung, Panoramafreiheit, Verträge: Das Urheberrecht hat viele Facetten. Regelmäßig ist das Justiziariat des DJV-NRW mit verschiedenen Aspekten befasst. Dr. Constanze Berkenbrink hat sich unter anderem auf den Bereich Urheberrecht spezialisiert. Im Interview klärt sie über häufige Fehler und Stolperfallen auf.
JOURNAL: Das Urheberrecht hat unglaublich viele Facetten. Lässt es sich in verschiedene große Bereiche aufteilen?
Dr. Constanze Berkenbrink: Es stellt sich zunächst die Frage, was überhaupt urheberrechtlich geschützt ist. Voraussetzung ist ein Mindestmaß an individueller Kreativität. So besteht in der Regel kein Schutz, wenn Texte sehr kurz sind. Auch die darin wiedergegebenen Fakten oder die Idee eines Textes sind meist nicht geschützt. Schutz besteht vielmehr für die konkreten Formulierungen. Fotos und Filme sind immer urheberrechtlich geschützt. Es spielt aber möglicherweise zusätzlich eine Rolle, was auf den Fotos zu sehen ist. Es kann zum Beispiel sein, dass ein gezeigtes Gebäude oder ein Gegenstand selbst schon urheberrechtlichen Schutz genießt und deshalb nicht ohne weiteres auf einem Foto veröffentlicht werden darf. Was urheberrechtlich geschützt ist, darf von Dritten nur genutzt werden, wenn diesen entsprechende Rechte eingeräumt werden. Hiervon gibt es jedoch ein paar Ausnahmen, zum
Beispiel das Zitatrecht, bei dem sich der Zitierende mit dem fremden Werk, das er nutzen möchte, auseinandersetzen muss. Für Werke an öffentlichen Straßen oder Plätzen gilt die sogenannte Panoramafreiheit: Wer auf öffentlichem Grund steht, darf von dort aus auch geschützte Werke fotografieren und die Fotos veröffentlichen.
JOURNAL: Welche anderen Gebiete umfasst das Urheberrecht?
Berkenbrink: Ein weiterer Bereich ist das Urhebervertragsrecht, das regelt, wer wem welche Rechte einräumt. So muss man beispielsweise darauf achten, sich selbst entsprechende Rechte einräumen zu lassen, wenn man diese an einen Dritten weiterübertragen möchte. Wer einem Verlag Rechte an einem Beitrag einräumt und nur den Text geschrieben, das Foto aber nicht selbst gemacht hat, muss sicher sein, die Rechte an dem Foto zu haben, die er dem Verlag einräumt.
JOURNAL: Gibt es bei den Rechten auch Stolperfallen?
Berkenbrink: Wenn man einen Vertrag unterschreibt, sollte man auch genau wissen, welche Rechte man an den Vertragspartner überträgt. Möglicherweise darf man hinterher den eigenen Text oder das eigene Foto selbst nicht mehr nutzen, auch nicht, um auf der eigenen Internetseite damit Werbung für die eigene Arbeit zu machen.
JOURNAL: Wie sieht es mit Geld für meine Arbeit aus?
Berkenbrink: Auch die Frage der angemessenen Vergütung ist im Urheberrechtsgesetz geregelt. Erhält die Urheberin oder der Urheber kein angemessenes Honorar, kann sie oder er die Zahlung der angemessenen Vergütung notfalls gerichtlich durchsetzen. Im Bereich der freien hauptberuflichen Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen ist das durch die Vereinbarung Gemeinsamer Vergütungsregeln 2010 sehr erleichtert worden. Auch wenn diese 2017 wieder gekündigt wurden, haben sie immer noch Indizwirkung und werden von den Gerichten zugrunde gelegt. Zunächst galten die Gemeinsamen Vergütungsregeln nur für Texte. Seit 2013 gab es einen Schlichtungsspruch, der angemessene Honorare auch für Fotos in Zeitungen regelt. Für Journalistinnen und Journalisten an Zeitschriften gibt es solche Regeln leider noch nicht.
JOURNAL: Was davon landet am häufigsten beim DJV-NRW auf dem Schreibtisch?
Berkenbrink: Das ist tatsächlich gar nicht so leicht zu beantworten. Fragen bekommen wir aus allen aufgeführten Bereichen. Häufig prüfen wir für unsere Mitglieder Verträge, die sie mit Verlagen, Unternehmen, Sendern oder sonstigen Vertragspartnern abschließen möchten. Der DJV-NRW hat mit einigen Mitgliedern erfolgreich Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Honorars nach den Gemeinsamen Vergütungsregeln vor Gericht durchgesetzt. Recht häufig geht es in den Anfragen, die bei uns landen, um Urheberrechtsverletzungen.
JOURNAL: Kommt es vor, dass unsere Mitglieder aus Versehen das Urheberrecht anderer verletzen?
Berkenbrink: Ja, auch das kommt vor. Wenn Mitglieder das Urheberrecht anderer verletzen, handelt es sich fast immer um fremde Fotos, die sie in eigenen Beiträgen verwenden und für die sie nicht die notwendigen Rechte haben. Ein Grund dafür kann der Lizenzerwerb bei Stockfotoanbietern sein. Hier sehen die Lizenzbedingungen für jeden Anbieter unterschiedliche Einschränkungen vor. Es wird zum Beispiel sehr genau vorgeschrieben, wie die Urheberin oder der Urheber zu nennen ist. Teilweise sind bestimmte Nutzungsarten wie Anzeigen oder Advertorials ausgenommen.
JOURNAL: Was passiert dann?
Berkenbrink: Manchmal muss ein Mitglied Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung zahlen, weil es nicht mehr nachweisen kann, woher es die Rechte an einem Foto erhalten hat. Dies kann zum Beispiel eine E-Mail mit einer Pressemitteilung sein, die ein Foto enthält. Jahre später wird vielleicht das Foto noch auf der Internetseite des Mitglieds oder des Auftraggebers veröffentlicht, die E-Mail, mit der das Foto an das Mitglied geschickt wurde, ist jedoch längst gelöscht worden. Oder es stellt sich heraus, dass derjenige, der das Foto zur Veröffentlichung weitergeleitet hat, selbst keine Rechte daran hatte.
JOURNAL: Was passiert in solchen Fällen?
Berkenbrink: Die Rechtsprechung ist sehr streng: Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk veröffentlicht, muss sich vergewissern, dass er die erforderlichen Rechte daran hat, und notfalls die gesamte Rechtekette zurückverfolgen. Das ist in der Praxis nicht immer machbar. Wenn es dann aber zu einer Urheberrechtsverletzung kommt, muss derjenige, der veröffentlicht hat, ohne die erforderlichen Rechte zu haben, Schadensersatz zahlen und gegebenenfalls eine Unterlassungserklärung abgeben. Es lohnt sich also, all dies vor der Veröffentlichung noch einmal zu überprüfen. Gerade wenn Fotos über einen längeren Zeitraum im Internet veröffentlicht werden, kann es recht teuer werden.
JOURNAL: Was kann der DJV-NRW bei Urheberrechtsverletzungen tun?
Berkenbrink: Sofern es sich um eine versehentliche Urheberrechtsverletzung durch ein Mitglied handelt, helfen wir dabei, den Schaden möglichst gering zu halten und zum Beispiel auf eine Reduzierung des Schadensersatzbetrags hinzuwirken. Handelt es sich umgekehrt um eine Verletzung der Urheberrechte unseres Mitglieds, helfen wir bei der Durchsetzung seiner Rechte. Wir stellen zum Beispiel ein Musterschreiben zur Verfügung, mit dem die Urheberin oder der Urheber die Person anschreiben kann, die die Verletzung begangen hat. Oft schicken auch wir Justiziarinnen und Justiziare die Abmahnung an denjenigen, der die Urheberrechtsverletzung begangen hat.
JOURNAL: Landen Urheberrechtsverletzungen auch vor Gericht?
Berkenbrink: Wenn derjenige, der die Urheberrechte unseres Mitglieds verletzt hat, sich weigert zu zahlen, setzen wir den Zahlungsanspruch auch gerichtlich durch. Dies übernimmt dann ein externer Anwalt. Kosten fallen für das Mitglied für die gerichtliche Durchsetzung nicht an. Diese ist vom Rechtsschutz abgedeckt. Wenn unsere Mitglieder versehentlich Urheberrechte verletzt haben, helfen wir natürlich dabei, dass diese Fälle nicht vor Gericht entschieden werden.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2022.