MEDIENPOLITIK |

Bald regional statt lokal?

Die Verleger versuchen, im Lokalfunk Fakten zu schaffen
29. März 2023, Sascha Fobbe

Alarmierende Signale erreichen den DJV-NRW derzeit aus dem Lokalfunk. Bereits im Vorgriff auf die endgültigen Ergebnisse des laufenden Strukturprozesses für die 44 Sender scheinen große Verlage mit ihren Senderverbünden Fakten schaffen zu wollen: Sowohl im Rheinland (Rheinische Post) als auch im Ruhrgebiet (Funke) gibt es deutliche Anzeichen, dass aus dem Lokalfunk ein Regionalfunk werden könnte.

Der Prozess auf Basis der „Strukturanalyse Lokalfunk NRW“ soll eigentlich dazu dienen, die Zukunftsfähigkeit des Lokalfunks zu sichern. In einem elfseitigen „Letter of Intent“ (LoI) wurden im November 2022 die bisherigen Ergebnisse der Gespräche zwischen dem Verband der Betriebsgesellschaften und dem Verband Lokaler Rundfunk (VLR) unter Vermittlung der Landesanstalt für Medien (LfM) festgehalten. Auf dieser Basis soll weiter verhandelt werden.

Ungleich starke Partner

Schon als die Inhalte bekannt wurden, hatte sich der DJV-NRW kritisch dazu geäußert (siehe „Kein ,Weiter so’“, JOURNAL 4/22). Geschäftsführer Volkmar Kah begrüßt zwar explizit, dass die Strukturen endlich verbessert werden sollen, wie schon lange als notwendig erachtet. Allerdings merke man dem Papier an, dass zwei unterschiedlich starke Partner verhandelt haben, sagt Kah. Die wirtschaftlichen Interessen der Betriebsgesellschaften (BGen) stehen deutlich im Vordergrund: Es geht um die bessere Vermarktung im Digitalen, um Synergieeffekte und Kooperationsmodelle. Redaktionelle und journalistische Standards spielen in dem Papier hingegen keine Rolle.

Unter anderem legt der LoI fest, dass Kooperationen bis hin zu Funkhausmodellen umgesetzt werden sollen, wenn in einem Senderverbund nicht insgesamt mindestens zehn Prozent Rendite erreicht werden. Der DJV-NRW sieht darin einen Freifahrtschein für Funkhausmodelle, denn aktuell liegt die Rendite im Gesamtsystem nach seinen Informationen eher bei sieben Prozent.

Da im Strukturprozess alle Beteiligten für zwei Jahre auf einen Teil ihrer Rechte verzichten, kann eine Veranstaltergemeinschaft (VG) nichts gegen diese Sparmaßnahmen tun. Erst nach Ablauf der zwei Jahre soll überprüft werden, ob mit dem Strukturprozess erreicht wurde, was angedacht war.

Gefahr für die Akzeptanz

Bis dahin könnten neue Fakten geschaffen sein. Mit einer Zusammenlegung von Sendern in Funkhäusern und einer Konzentration auf Berichterstattung, „die lokal interessiert“, aber nicht mehr von lokalen Ereignissen berichtet, würde der Lokalfunk nach Ansicht des DJV-NRW seine generelle Akzeptanz und Existenzberechnung verlieren. Deswegen dringt er darauf,  den notwendigen Strukturprozess so weiterzuentwickeln, dass redaktionelle und journalistische Standards abgesichert werden und unrealistische Renditeerwartungen der BGen das Erfolgsmodell Lokalfunk als Ganzes nicht langfristig gefährden.

Entsprechende Forderungen gibt es auch im VLR, der Ende März tagt, weiß Vokmar Kah: „Wir haben festgestellt, dass die Ergebnisse des Prozesses bei vielen VG-Mitgliedern nicht angekommen waren.“

Auch für die Landesregierung gilt der Lokalfunk bislang als eine der tragenden Säulen der NRW-Medienlandschaft. Damit das so bleibt, sollte die Politik sich Gedanken machen, wie die publizistische Bedeutung des Lokalfunks erhalten und gefördert werden kann. Ihn nur als Wirtschaftsgut zu sehen, wie die BGen das offenbar tun, wird seiner Bedeutung nicht gerecht.||

Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.