Lokaljournalismus in einer Stadt mit 500.000 Einwohnern zu machen – das war der Berufswunsch von Martin Liebig. Die Vielfalt und die journalistischen Gestaltungsmöglichkeiten faszinierten ihn. Das war vor über 30 Jahren.
Es kam anders: Liebig schloss sein Journalistik- Studium an der Uni Dortmund ab, wurde Dozent am Haus Busch in Hagen und später Professor für Journalismus und Mediengestaltung. 18 Jahre lang bildete er junge Menschen am Institut für Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen aus.
Aufklärung und Demokratie
Heute ist Liebig einer der Geschäftsführer des Journalistenzentrums Herne (JHZ), das unter anderem Volontärinnen und Volontäre ausbildet. Er beobachtet, wie sich das Image des Berufs bei den Studierenden wandelt. In den 80er und 90er Jahren zeichneten sich Volos und Studierende, die Redakteurinnen oder Redakteure werden wollten, meist durch eine künstlerische Ader aus, sie schrieben gern und hatten einen „stark romantisch beeinflussten Impetus“, erinnert sich Liebig. Man wollte im Journalismus aufklärerisch wirken, die Demokratie befördern.
Seit den Nullerjahren hat er eine Veränderung beobachtet: „Die Studierenden schauen deutlich nüchterner und pragmatischer auf den Beruf. Sie betrachten ihn als Handwerk und wollen keine halben Schriftsteller mehr sein“, konstatiert Liebig. Suchmaschinenoptimiertes Schreiben gehöre für den Nachwuchs inzwischen eher zum Alltag in den Redaktionen als die „schöne Geschichte“, die man nur noch selten schreiben könne.
Wo der „Glamour“ heute ist
Entschieden mehr „Glamour“ als der Journalismus habe für viele Studierende inzwischen die Arbeit in der PR-Branche, die eine spannendere Vielfalt und interessante Überschneidungen zum Marketing und grafischen Arbeiten biete. Sie erhoffen sich dort auch einen besseren Verdienst.
„Diese Annahme konnten wir allerdings aus Absolventenbefragungen bei der Westfälischen Hochschule nicht bestätigen“, sagt der Wissenschaftler. Zwar verdiene man in der PR etwas mehr, aber die Unterschiede seien graduell und im Durchschnitt längst nicht so gravierend, wie die Studierenden annähmen – von einigen Ausreißern nach oben abgesehen.
Nach Einschätzung von Liebig, haben die junge Leute, die heute von der Uni in den Journalismus gehen, teilweise immer noch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Sie studierten zum Beispiel auch Politikwissenschaft oder Soziologie, was bei eher PR-Interessierten nicht der Fall sei. „In Spurenelementen“ sei der frühere aufklärerische Anspruch an die journalistische Tätigkeit also noch da.
Zu wenig Strahlkraft
Wer in den Journalismus wolle, für den hätten vor allem die großen Sender viel Strahlkraft – wie der WDR oder der NDR, wo man gerne bei TV- oder Onlineredaktionen arbeiten wolle. Eindeutig als „Graubrot“ empfinde der studentische Berufsnachwuchs aber die Arbeit bei einer Tages- oder gar einer Lokalzeitung.
Martin Liebig bedauert das, weil er beides nach wie vor für sehr wichtige journalistische Felder hält. Aber es wundert ihn nicht: „Die Arbeit bei der Tageszeitung ist out, weil es für junge Leute kein Bestandteil der Alltagskultur mehr ist“, sagt er. „Wie soll man sich für das Medium begeistern, wenn man noch nie eine Zeitung in der Hand gehalten hat und es auch im Haushalt der Eltern keine mehr gibt?“||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgiedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.