In eigener Sache | 75 Jahre DJV in NRW

Damals und heute

75 Jahre DJV-Landesverband Nordrhein-Westfalen
20. Juni 2021, Corinna Blümel

Der Krieg und das Nazi-Regime mit der Unterdrückung von Meinungs- und Pressefreiheit waren erst wenige Monate vorbei, als sich am 1. Dezember 1945 in Düsseldorf rund hundert Journalisten (und vermutlich sehr wenige Journalistinnen) trafen, um einen eigenen Verband zu gründen. Der Rheinisch-Westfälische Journalisten-Verband (RWJV), wie der DJV-NRW in den ersten Jahrzehnten hieß, sollte ihre beruflichen und sozialen Interessen vertreten. Die Satzung, die sie an diesem Tag verabschiedeten, wurde am 29. Juni 1946 beim Amtsgericht Düsseldorf in Vereinsregister eingetragen und trat am 1. August 1946 in Kraft.

Türschild des RWJV
Türschild des RWJV

Zur Gründung aufgefordert

Die Gründungsmitglieder des RWJV handelten nicht aus eigenem Antrieb: „Nachdem sich im August 1945 der Rheinisch-Westfälische Verleger-Verband gebildet hatte, bestellte die britische Presse-Kontrollbehörde die Chefredakteure der Besatzungszeitungen aus dem Rheinland und aus Westfalen für den 28. September nach Düsseldorf-Benrath.“ So berichtet es Erwin Burgmaier, von 1979 bis 1993 Geschäftsführer in NRW, im DJV-JOURNAL 4/95 zum Fünfzigjährigen des Landesverbands.

In Benrath einigten sich die Chefredakteure auf die Aufgabenverteilung im künftigen Vorstand, die mit der Wahl im Dezember bestätigt wurde: Dr. Friedrich Vogel (Düsseldorf), Chefredakteur des Handelsblatts und dessen Verleger, übernahm den Vorsitz, sein Stellvertreter war Alfred Hausknecht (Oelde), Bernd Oberhues (Dortmund) fungierte als Schriftführer, Dr. Rudolf Frielingsdorf (Köln) als stellvertretender Schriftführer sowie Dr. Josef Hofmann und Wilhelm Kindermann (beide aus Aachen) als Kassierer und stellvertretender Kassierer.

Burgmaier zufolge zählte der Verband 1948 schon 364 Mitglieder. Wer Mitglied werden wollte, brauchte Bürgen und musste Auskunft über die Zeit vor 1945 erteilen sowie 10 Mark Eintrittsgebühr entrichten. Der Monatsbeitrag lag Ende der 1940er Jahre bei 5 Mark. Zum Vergleich: Ein Redakteur verdiente bei mehrjähriger Berufserfahrung durchschnittlich 600 Mark im Monat.

Metallplakette für den Kühlergrill – neben dem DJV-Logo war in der Mitte Platz für die Abkürzung des Landesverbands
Metallplakette für den Kühlergrill – neben dem DJV-Logo war in der Mitte Platz für die Abkürzung des Landesverbands

Der RWJV gehörte zu den zwölf Landesverbänden, die sich am 12. Dezember 1949 in Berlin zum DJV-Bundesverband zusammenschlossen. Das legte den Grundstein für das stark föderale Denken, das den DJV bis heute prägt – und das neben dem Wettbewerb guter Ideen manchmal auch das Festhalten an alten Strukturen befördert. Das Thema „Strukturreform“ hat seitdem manche Nerven gekostet, auch im Landesverband NRW, der sich für eine Angleichung von Beitrag und Leistungen einsetzt.

Typisch für den DJV-NRW sind die zahlreichen Orts- und Regionalvereinigungen, die teils sogar älter sind als der Landesverband. Diese kleinteilige Gliederung sorgt für Nähe zu den Mitgliedern und schafft eine einfache Möglichkeit, ehrenamtlich im DJV mitzuarbeiten. Über den Gesamtvorstand sind die Orts- und Regionalvereinigungen auf Landesebene eingebunden und haben einen kurzen Draht zu Landesvorstand und Fachausschüssen. So bildet der DJV-NRW ein starkes, landesweites Netzwerk.

Berufsverband und Gewerkschaft

War der RWJV anfangs nur Berufsverband, so begann bald auf Landes- und auf Bundesebene das Ringen um die gewerkschaftliche Ausrichtung, die nicht bei allen Landesverbänden erwünscht war. Der RWJV beanspruchte 1951 mit einer Satzungsänderung Tariffähigkeit, und er spielte eine wichtige Rolle, als sich in den kommenden Jahrzehnten wiederholt die Frage nach einem Beitritt zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Gründung einer gemeinsamen Mediengewerkschaft stellte (siehe Kasten „1970er bis 90er Jahre: Mediengewerkschaft oder nicht?“ im Beitrag „Die vergangenen Jahrzehnte im Gespräch“).

Jedes Mal entschied sich der DJV für die Unabhängigkeit – verbunden mit dem Ziel, die eigene gewerkschaftliche Kraft zu stärken. Im Zuge dieser Bemühungen nahm der RWJV 1976 die Unterzeile „Gewerkschaft der Journalisten“ auf (die Journalistinnen fanden erst ab 1997 Erwähnung). 1984 benannte er sich in DJV-Landesverband Nordrhein-Westfalen um, Damit die Zugehörigkeit deutlicher wurde.

Blick in die erste Geschäftsstelle
Blick in die erste Geschäftsstelle.

Der Landesverband NRW ist bis heute ein tragender Teil des Gewerkschaftsflügels im DJV. Bei den großen Streiks der vergangenen Jahrzehnte – ob an Tageszeitungen, im Privatfunk oder bei öffentlich-rechtlichen Sendern – steuerte NRW mit vielen Köpfen und großem Durchhaltevermögen viel Kampfkraft bei. Etwa 1990 beim wochenlangen Streik um den Tarifvertrag für die geregelte zweijährige Ausbildung von Volontärinnen und Volontären. Auch im NRW-Lokalfunk waren die Arbeitgeber 1993 erst nach mehrwöchigen Streiks bereit, Tarifverträge abzuschließen.

Heute gilt die Kombination aus Gewerkschaft und Berufsverband als bewährt, der DJV-NRW lebt sie engagiert. Feste und Freie treten gemeinsam für ihre Interessen ein: Angemessenes Gehalt und angemessenes Honorar sind im DJV-NRW gleichwertige Themen.

NRW war beim Streiken immer vorne dabei – wie 1990 beim Kampf um den Ausbildungstarifvertrag. | Foto: Franz Strauch
NRW war beim Streiken immer vorne dabei – wie 1990 beim Kampf um den Ausbildungstarifvertrag. | Foto: Franz Strauch

Heimat für viele Berufsgruppen

Die doppelte Funktion stellte unter anderem sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen aus der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit früh eine Heimat im Verband fanden. Das gilt heute auch für die vielen Mitglieder aus neu entstandenen journalistischen Berufsfeldern und in Unternehmen, in denen der DJV keine Tarifverhandlungen führen kann.

Berufsverband ist der DJV-NRW natürlich vor allem für freie Journalistinnen und Journalisten. Denn von ihnen ist nur ein Teil tariflich abgesichert – etwa als Arbeitnehmerähnliche beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der große Rest muss seine Verträge selbst aushandeln und kann sich dabei auf gute Beratung und einen starken Rechtsschutz im DJV-NRW stützen.

Mit der Entwicklung der Medienlandschaft und der Berufsbilder ist für den Landesverband auch die Vielfalt an Themen und Aufgaben gewachsen. Dabei ist vieles komplexer geworden, selbst Mitgliederbetreuung und Betriebsarbeit, Beratung und Rechtsschutz oder Lobbyarbeit bei Parteien und Landesregierung. Hinzugekommen ist das eigene Programm für journalistischen Weiterbildung sowie die Arbeit an den Hochschulen, um junge Medienschaffende mit der Arbeit des DJV vertraut zu machen.

Fast nahtlos seit 1977: Landesvorsitzender Frank Stach (v.l.) im Jahr 2013 mit seinen Vorgängern Helmut Dahlmann, Gregor Spohr, Werner Reuter, Christian Schneider und Michael Kroemer. | Foto: Anja Cord
Fast nahtlos seit 1977: Landesvorsitzender Frank Stach (v.l.) im Jahr 2013 mit seinen Vorgängern Helmut Dahlmann, Gregor Spohr, Werner Reuter, Christian Schneider und Michael Kroemer. | Foto: Anja Cord

Verstärkt hat der Landesverband zudem seine Öffentlichkeitsarbeit und erstellt zunehmend auch eigene Inhalte. Dazu gehört nicht nur das JOURNAL, das sich in den mehr als fünfzig Jahren seines Erscheinens vom Mitgliedermagazin zum Medienmagazin für NRW gemausert hat. Inzwischen gibt es auch Newsletter, Podcasts und Formate für Social Media. Ganz viel Inhaltliches stellt der DJV-NRW auch mit seinen Veranstaltungen auf die Beine – allen voran mit dem Journalistentag, der jährlich die wichtigen Themen der Branche diskutiert und Hunderte Kolleginnen und Kollegen anzieht.

Bloß gut, dass auch das hauptberufliche Team des DJV-NRW über die Jahrzehnte mitgewachsen ist. Nach verschiedenen Stationen in Düsseldorf hat die Geschäftsstelle des Landesverbands 2001 ihre Heimat in der Humboldtstraße 9 gefunden. Das (vorwiegend weibliche) Team mit Geschäftsführung und Justiziariat, Mitgliederbetreuung sowie Kommunikation und Marketing verteilt sich auf vier Etagen.

Krisen der Branche

Die Mitgliederzahl kannte fast 60 Jahre lang nur eine Richtung: nach oben. Anfang der 2000er, als die Medienbranche wild boomte, lag sie zeitweilig bei rund 8 500 (darunter allerdings auch etliche Karteileichen, wie eine spätere Bereinigung des Bestands ergab). Aber technische Entwicklungen und wirtschaftliche Krisen seit Ende der 1990er Jahre gingen an der Branche und dem DJV nicht spurlos vorüber. Zudem änderte sich spätestens jetzt das Denken in den Unternehmensspitzen: An die Stelle von Verlegerpersönlichkeiten mit publizistischem Anliegen ist rein geschäftlichen ManagerDenken getreten. Die ehemals verlässliche Tarifpartnerschaft hat längst tiefe Risse bekommen, Verhandlungen drehen sich vor allem darum, mühsam erkämpfte Errungenschaften zu verteidigen und (weitere) Abstriche abzuwehren. Auslagerungen und Tarifflucht wurden fast zum Normalzustand.

„Zeitungssterben“ vor der WAZ-Redaktion | Foto: Bertold Fernkorn
„Zeitungssterben“ vor der WAZ-Redaktion | Foto: Bertold Fernkorn

Zu den deutlich wahrnehmbaren Einschnitten in NRW gehörte der Paukenschlag Ende 2008, als die damalige WAZ Mediengruppe (heute Funke Mediengruppe) den Abbau von 300 Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet ankündigte. 2009/10 verlegte die Gruppe ihre Zeitschriftenredaktionen von Düsseldorf nach Ismaning bei München. 2013 wurde die Redaktion der Westfälischen Rundschau abgewickelt.

Auch andere Medienhäuser haben Arbeitsplätze im Ruhrgebiet, im Münsterland, in Ost-Westfalen und im Rheinland abgebaut. Nicht zuletzt, weil Medienhäuser in den vergangenen Jahren die Möglichkeit entdeckten, Inhalte zuzukaufen oder – auch über Unternehmensgrenzen hinweg – gemeinsam zu produzieren. Bei jeder Sparmaßnahme, bei all den Fusionen, geschlossenen Lokal- und zentralen Mantelredaktionen gingen Arbeitsplätze in den Redaktionen verloren. Zugleich verloren viele Freie ihre Auftraggeber, sodass es bundesweit eine stete Absetzbewegung aus dem Beruf gibt. Auch aktuell in der Coronakrise verzeichnet der DJV-NRW vermehrt „Aufgabe des Berufs“ als Grund für Kündigungen. Für den DJV in NRW bedeutet der bundesweite Trend, dass die Mitgliedsdatei noch rund 6 000 Personen umfasst.

Viele Wege zum Mitglied

Und doch sieht der Landesverband für sich noch ein erhebliches Mitgliederpotenzial, sowohl in den Redaktionen klassischer Medien als auch in allen anderen Bereichen, in denen journalistische Inhalte entstehen. Dieses Potenzial gilt es zu erschließen und auch diejenigen noch besser zu erreichen, die schon Mitglied sind. 2019 startete der DJV-NRW deswegen seinen Marken- und Zukunftsprozess, mit dem er sein Wissen über sich selbst und seine Zielgruppen vertieft und sein Profil geschärft hat (das JOURNAL berichtete wiederholt, zuletzt in Ausgabe 2/20: „Reise zum (Marken-)Kern“).

Die intensive Arbeit zeigte, wofür der DJV-NRW steht: Er ist „unabhängig, solidarisch, wegweisend“ – und das seit 75 Jahren. Heute ist der bewährte Weg einer persönlichen Ansprache in den Redaktionen zwar immer noch wünschenswert. Aber er ist schon lange nicht mehr der einzige und auch nicht der wichtigste. Den Kontakt zu Mitgliedern und potenziell Interessierten sucht der DJV-NRW heute auf vielen Wegen. Er zeigt sich in Betrieben, auf Branchentreffs und in Hochschulen, er berät und unterstützt in beruflich schwierigen Situationen, veranstaltet selbst Seminare, Diskussionen und Gesprächsrunden, bietet interessante Veranstaltungen vor Ort und meldet sich zu den relevanten Themen rund um Journalismus und Medien zu Wort.

Wichtige Schnittstelle ist natürlich auch das Internet. Neben der Webseite djv-nrw.de mit ihren zielgruppenspezifischen Informationen, den ergänzenden Seiten vieler Orts- und Regionalvereinigungen und der Seite journal-nrw.de sind das vor allem die sozialen Medien. Das Teilen von Inhalten bietet die Chance, auf den DJV-NRW aufmerksam zu machen – etwa mit dem Quiz „Was für ein Journalist:innen-Typ bist du?“ (siehe dazu auch Durchklicken!).

Die richtige Entscheidung getroffen

So sieht sich der DJV-NRW gut aufgestellt für die Zukunft. Er wird sich weiter zu Wort melden, wenn es um den Wert des Journalismus geht, um die Medienvielfalt an Rhein und Ruhr und um die Arbeitsbedingungen von festen und freien Journalistinnen und Journalisten. Er kann seine Mitglieder zielgenau und effektiv unterstützen und ist eine wichtige Stimme in der Branche. Das zeigt, dass es die richtige Entscheidung war, sich nicht einer großen Mediengewerkschaft unterzuordnen, die noch dazu später in einer noch größeren Dienstleistungsgewerkschaft aufgegangen ist.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2021.