Sie treten im Kampf um das Spitzenamt in NRW gegeneinander an: Hendrik Wüst (CDU) und Thomas Kutschaty (SPD). Grund genug, bei beiden Kandidaten ihre medienpolitischen Positionen abzuklopfen. Vor der Landtagswahl im Mai benennt Hendrik Wüst, amtierender Ministerpräsident und Medienminister sowie Ex-Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbands NRW, eine starke Medienlandschaft als bestes Mittel gegen Propaganda, spricht über mehr Mittel für die Film- und Medienstiftung NRW und eine Profilschärfung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
JOURNAL: Sie sind dem Journalismus auch ganz persönlich seit vielen Jahren und in verschiedenen Rollen verbunden. Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Medien beschreiben? Als Nutzer und als Objekt der Berichterstattung?
Hendrik Wüst: Medien faszinieren mich seit jeher, denn sie haben in der Demokratie einen zentralen Auftrag. Und dass Politiker in ihrem Tun kritisch begleitet werden, ist deshalb eine Selbstverständlichkeit. Der Angriff Putins auf die Ukraine zeigt beklemmend, wie wichtig Journalismus für eine freie Gesellschaft ist. Das beste Mittel gegen die Propaganda Putins ist eine starke Medienlandschaft, die unabhängig informiert und uns immun macht gegen gezielte Desinformation. Einrichtungen wie Russia Today dürfen in unserem Land keine Plattform für Lügen und Manipulation bekommen.
„Einrichtungen wie Russia Today dürfen in unserem Land keine Plattform für Lügen bekommen.“
Hendrik Wüst
JOURNAL: Wie beurteilen Sie die Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen? Die Medienvielfalt erodiert vor allem auf lokaler und regionaler Ebene seit Jahren. Wie kann Medienpolitik das verhindern? Ist die Förderung von Journalismus eine Option?
Wüst: Die Herausforderungen in der Branche sind immens. Aber wir haben eine sehr vielfältige Medienlandschaft mit vielen Zeitungen, starkem privaten Rundfunk, beides auch im Lokalen, und einem starken WDR. Alle haben in den vergangenen Jahren ihre Anpassungsfähigkeit an die digitale Welt bewiesen. Aufgabe der Politik ist es, dafür bestmögliche Rahmenbedingungen zu sichern. Dazu gehört gute Medienregulierung im Medienstaatsvertrag oder die Landesförderung innovativer Medienprojekte. Das Land fördert etwa eine Jugendredaktion dabei, sich mit Journalismus gesellschaftlich einzubringen. Neu ist das Bonn Institute für Journalismus und konstruktiven Dialog, getragen von Medienunternehmen und vom Land mit einer Anschubfinanzierung bedacht.
Abgefragt – noch mehr Antworten
Hendrik Wüst und Thomas Kutschaty haben die Interviewfragen schriftlich beantwortet. Im Heft wurden die Interviews in Reihenfolge des Eingangs bei der JOURNAL-Redaktion abgedruckt.
Noch mehr Antworten auf medienpolitische Fragen bietet der Landtagswahlcheck2022 des DJV-NRW: Darin äußern sich die Spitzenkandidat:innen, medienpolitischen Sprecher:innen und Vorsitzenden der Nachwuchsorganisationen sowie Vetreter:innen aus medienpolitischen Gremien. Alle Ergbnisse sind im Netz unter www.djv-nrw.de/landtagswahlcheck22 abrufbar.
JOURNAL: Die Gewerkschaften fordern die Abschaffung des Tendenzschutzes. Unterstützen Sie dieses Ziel?
Wüst: Die Gewerkschaften begleiten den Tendenzschutz schon immer kritisch, das entspricht ihrem Selbstverständnis im Sinne der Mitglieder. Aus Sicht der Medienregulierung bietet der Tendenzschutz in einem Umfeld, das sich durch eine hohe Zahl an Angeboten und niedrige Zugangshürden auszeichnet, eine natürliche Basis für Vielfalt. Er ist daher bisher allein dem Rundfunk versagt, der einer Pflicht zur Herstellung positiver Vielfalt unterworfen ist. Der Ansatz hat sich meines Erachtens bisher bewährt, teils auch begleitet durch Redaktionsstatute, die die Freiheit der Redaktionen absichern.
JOURNAL: Stehen Sie zum Erhalt des Zwei-Säulen-Modells im NRW-Lokalfunk? Wie soll das Modell in der digitalen Zukunft aussehen?
Wüst: Der lokale Hörfunk bildet unser Land in seiner Vielfalt ab und stellt ein Angebot in der Fläche sicher. Gleichwohl bringt die Digitalisierung große Herausforderungen mit sich. Eines der wichtigen medienpolitischen Projekte dieser Landesregierung war daher die Entwicklung einer Gesamtstrategie „Radio in NRW 2022“ zur Sicherung des vielfältigen Hörfunks. Dabei hat sich gezeigt, dass die grundsätzliche Struktur funktioniert, aber durch Innovationsförderung und sinnvolle Kooperationen gestärkt werden kann.
JOURNAL: Die Pressefreiheit wird auch in NRW zusehends bedroht. Journalistinnen und Journalisten erfahren Hass und Hetze auf Social Media, Morddrohungen sowie körperliche Übergriffe bei Demonstrationen. Wie können sie besser geschützt werden?
Wüst: Angriffe auf Journalisten sind Angriffe auf die Demokratie. Sie müssen angezeigt und konsequent verfolgt werden. Das nehmen wir sehr ernst, und es gilt Nulltoleranz. Kürzlich haben der DJV und unser Innenministerium daher gemeinsam Präventionshinweise für Journalistinnen und Journalisten veröffentlicht. Und auch künftig wird meine Landesregierung immer an der Seite der freien Medien stehen.
JOURNAL: Medien erfüllen in der Demokratie eine wesentliche Aufgabe. Was kann Politik tun, um das Bewusstsein dafür zu stärken? Brauchen wir ein Schulfach Medienkunde?
Wüst: Demokratie funktioniert nur, wenn die Menschen seriöse Informationen von Fake News unterscheiden können. Deswegen fördern wir Angebote, die die Nachrichten- und Informationskompetenz stärken. In der Schule wird Medienkompetenz längst fächerübergreifend unterrichtet. Aber auch Erwachsene leben in einer anderen Medienwelt als vor zehn Jahren. Der #DigitalCheckNRW erlaubt es jedem, die eigenen Kenntnisse zu testen und sich Fortbildungen vorschlagen zu lassen. Das lege ich jedem ans Herz.
JOURNAL: Werden Sie sich persönlich dafür einsetzen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner bestehenden Form zu erhalten? Welche Rolle sollte er künftig spielen?
Wüst: Für mich ist ein starker und fest in der Gesellschaft verwurzelter öffentlich-rechtlicher Rundfunk unersetzlich. Er strebt ein Höchstmaß an journalistischer Professionalität an. Vielfalt und Ausgewogenheit der Inhalte und des Angebots stärken ihn als Marke. Er muss mit dem geänderten Nutzungsverhalten Schritt halten können. Sonst verliert er nicht nur Relevanz, sondern auch Akzeptanz bei den Beitragszahlern. Im Länderkreis diskutieren wir daher eine Profilschärfung wie auch eine Flexibilisierung bei der Angebotsgestaltung.
JOURNAL: Haben Sie weitere medienpolitische Ziele, die Sie in der kommenden Legislaturperiode umsetzen wollen?
Unser Fokus liegt auf Vielfaltssicherung. Wüst: Wir nehmen die gesamte Medienwirtschaft in den Blick, auch die Filmproduktion und Games. Wir haben die Film- und Medienstiftung NRW dafür erheblich gestärkt und unsere Fördermittel in diesem Bereich deutlich erhöht.
Aber starre Pläne tragen nicht, wie Pandemie und Krieg zeigen. Wir werden auf kurzfristige Entwicklungen reagieren, das Bonn Institute ist ein schönes Beispiel dafür. Und wir werden den regulatorischen Rahmen so fortentwickeln, dass er dem technischen Fortschritt und anderen Entwicklungen Rechnung trägt.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2022.