Verbale und körperliche Angriffe bei Demos, Anfeindungen im Netz, Drohbriefe an die Privatadresse: Wer über bestimmte Milieus schreibt, braucht starke Nerven. Seit einiger Zeit kursieren zudem sogenannte Todes- oder Feindeslisten, auf denen Rechtsextreme die Namen und Adressen derjenigen zusammenstellen, die aus ihrer Sicht Ärger machen. Neue Aufmerksamkeit erhielt das Thema jüngst durch die Morddrohung gegen Monitor-Chef Georg Restle.
„Wir sehen, dass die Stimmung sich tatsächlich in den vergangenen Jahren verschärft hat und sich gegen all die richtet, die den Mund aufmachen gegen diesen Rechtsruck, gegen Rechtsextremismus“, erkärte Restle im Deutschlandfunk. „Ich bin einer von vielen. Da sind ganz, ganz viele Kollegen und Kolleginnen, denen unsere Solidarität mindestens so sehr gehören sollte.“
Restle zeigte sich überrascht, dass das Innenministerium angesichts der Feindeslisten vor Hysterie gewarnt habe. Es gebe sehr konkrete Drohungen, und es gebe Menschen, die zur Tat schreiten. Das zeige der Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, dessen Name auf einer solchen Liste gstanden hatte.
Oft nicht einmal informiert
Trotzdem lässt die Aufmerksamkeit von Politik und Sicherheitsorganen zu wünschen übrig. So hat das ARD-Politmagazin Fakt festgestellt, wie unterschiedlich die Landesbehörden mit den Bedrohungen umgingen. Die rund 200 potenziellen Anschlagsopfer, die auf einer Anfang 2019 veröffentlichten Liste standen, wurden je nach Bundesland beschützt oder sich selbst überlassen, oft nicht einmal informiert. Nordrhein-Westfalen gehörte danach zu den Ländern, in denen das Landeskriminalamt es den örtlichen Polizeidienststellen überließ, ob sie Betroffene benachrichtigten (siehe tagesschau.de vom 23.7.19). In Hessen und Thüringen wurden Personen, die auf der Liste stehen, dagegen zügig informiert. Und in Bayern erhielten die Betroffenen zusammen mit der Benachrichtigung gleich ein Formular,um Strafanzeige zu erstatten.
Der DJV forderte die Polizeibehörden der Länder auf, die Drohlisten endlich ernst zu nehmen. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall mahnte: „Die Bedrohungslage ordnet sich nun mal nicht dem Föderalprinzip unter.“ Wer auf einer solchen Feindesliste stehe, benötige „größtmöglichen Schutz“.
Dass sich die Stimmung in den vergangenen Jahren verschärft hat und Medienschaffende in Bedrängnis bringt, beobachtet der DJV schon länger – bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen. Seit 2014 hat der Landesverband das Thema immer wieder aufgegriffen, unter anderem mit zwei Titelgeschichten im JOURNAL („Bedrohungslagen“, JOURNAL 5/14, und „Strategien gegen den Hass“, JOURNAL 1/18) und mit Verhaltenshinweisen für den Eigenschutz in brenzligen Situationen (Rechte, Linke, Hools & Co., JOURNAL 3/16). Zudem haben sich Landesverband und Ortsvereine auf zahlreichen Veranstaltungen mit dem Thema befasst, etwa im Juni 2018 auf einer Podiumsdiskussion in Dortmund.
Wiederholte Bedrohung in Dortmund
Dortmund fällt immer wieder mit der Bedrohung von Journalisten durch Rechtextreme auf, wie sich auch Anfang Juli wieder zeigte: Zwei Dortmunder Journalisten erhielten Drohbriefe mit einer weißen Substanz, die sich nach Untersuchung als ungefährlich herausstellte. Beide Journalisten berichten seit längerem über die dortige rechtsextremistische Szene und wurden bereits in der Vergangenheit bedroht.
Der DJV-NRW begrüßte die klare Positionierung der Dortmunder Polizei. Deren stellvertretende Präsidentin Alexandra Dorndorf hatte erklärt: „Freier Journalismus ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie.“ Die Polizei in Dortmund setze „alles daran, die Hintergründe der Tat aufzuklären und die Freiheit des Journalismus zu gewährleisten. Demokratiefeinden treten wir entschlossen entgegen.“
Über den Einzelfall hinaus gibt es aus Sicht des DJV trotzdem Handlungsbedarf, wie der Landesvorsitzende Frank Stach erklärte. „Das betrifft insbesondere den Austausch von Informationen zwischen Behörden, aber auch die Bereitschaft, selbst geringfügige Angriffe auf Journalistinnen und Journaisten konsequent zu verfolgen. Selbst wenn die Ermittlungsbehörden Bedrohungen konsequent erfassen, liegt es an Staatsanwaltschaften und Gerichten, die Aufgreifschwelle bei Bedrohungen (§241 StGB) jeweils im Kontext der Gesamtlage zu bewerten. Hier ist Luft nach oben.“
Stach, der selbst als freier Journalist arbeitet, machte deutlich, dass solche Drohungen sich nicht nur gegen den einzelnen Journalisten richten, sondern einen direkten Angriff auf die Pressefreiheit darstellen. Dass es nicht um seine Person gehe, sondern um die Pressefreiheit, schrieb Restle auch auf Twitter und fügte hinzu: „Also lasst uns unseren Job machen. Heißt: Licht ins braune Dunkel der Republik – und Wölfe nicht für Schafe halten!“||
Reaktionen auf die Drohung gegen Restle
Die Morddrohung gegen Monitor-Chef Georg Restle sorgte für bundesweites Aufsehen. Das Schreiben soll nach WDR-Informationen von demselben Absender stammen, der auch die Kölner Oberbürgermeisterin Reker und den Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein bedroht hatte. Der WDR stellte Strafanzeige. Intendant Tom Buhrow zeigte sich „entsetzt und erschüttert“. „Wir tun alles, um unseren Kollegen – wie alle anderen auch – zu schützen und ihn zu unterstützen.“
Die WDR-Redakteursvertretung lobte die prompte Reaktion des Intendanten und der WDR-Geschäftsleitung zum Schutz von Restle als „ermutigendes und wichtiges Zeichen, dass der WDR hinter unseren Werten und hinter seinen Mitarbeitern steht“. Die Redakteurinnen und Redakteure erinnerten daran, dass sie sich für unabhängigen, glaubwürdigen Journalismus einsetzen – „auch nach innen, für die innere Rundfunkfreiheit“.
Solidarisiert haben sich auch Redakteure von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse (AGRA) nannte die Bedrohung gegen Restle einen „abscheulicher Angriff auf ihn und die Presse- und Meinungsfreiheit“. Die AGRA forderte Politiker sowie Amts- und Funktionsträger auf, die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten zu gewährleisten – egal ob sie für öffentlich-rechtliche oder privat finazierten Medien arbeiten – und sich deutlich von Menschen und Aussagen zu distanzieren, die Kolleginnen und Kollegen verbal und körperlich angreifen.
Für den DJV-NRW verurteilte der Landesvorsitzende Frank Stach die „widerliche Morddrohung“ und forderte ein konsequentes Vorgehen „gegen Brandstifter, die Hass den Boden bereiten“. /cbl
Ein Beitrag aus JOURNAL 4/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2019.