Muss ich als junger Mensch ständig Überstunden schieben, um zu zeigen, wie belastbar ich bin? Oder Themen in meiner Freizeit recherchieren? Und überhaupt: Bin ich gut genug, um nach Volontariat oder Studium eine unbefristete Stelle zu bekommen?
Beim Netzwerktreffen des DJV-NRW Ende Januar bot sich Gelegenheit, ganz offen über solche Sorgen und passende Gegenmaßnahmen zu sprechen. Das Motto: „EAT.SLEEP.REPORT.REPEAT – (Mental) gesund beim Einstieg in die Medienwelt?“
Auf den mentalen Akkustand achten
Was sie dem Stress entgegensetzt, erzählte Ricarda Dieckmann zum Einstieg: Die 27-jährige schreibt als Freie über Servicethemen und musste erst lernen, auf Alarmsignale wie schlechten Schlaf zu achten. Heute weiß sie, sie muss den „mentalen Akkustand im Blick haben und nicht erst handeln, wenn er bei fünf Prozent ist“.
Vor allem hat sie seit ihrem Volontariat gelernt, an wichtigen Stellen in der Redaktion Grenzen zu ziehen und ihre Auftraggeber gezielter danach auszusuchen, wie das Arbeitsumfeld dort gestaltet wird. Dass viele Unternehmen da echten Lernbedarf haben, weiß Jonas Höhn: Der 32-Jährige berät mit seinem Startup detoxRebels Konzerne, wie sie eine gesunde Unternehmenskultur schaffen und eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen. Stress bestehe zu zehn Prozent aus dem eigentlich Reiz, erklärte Höhn. Der Rest sei unsere Reaktion darauf. Aber Stress sei auch ein Statussymbol und werde oft „für Dinge verantwortlich gemacht, um die wir uns kümmern müssten“.
Für den 42-jährigen Psychologen Renè Träder ist Resilienz „das Immunsystem der Seele“. Gerade im Journalismus werde schnell und unter Druck gearbeitet, oft auch unter prekären Bedingungen und unsicheren Aussichten. „Die wichtigste Frage ist: Was kann ich selbst tun, um gesund zu bleiben?“ Notfalls sollte man die Reißleine ziehen: „Lieber selbst handeln, als gefeuert zu werden.“ Und dann hinterher schauen, was man aus der schwierigen Situation lernen könne. Träder leitete die Runde durch einige Atem-Entspannungsübungen, die sich in den Alltag einbauen lassen, etwa eine ritualisierte Selbstbefragung, die jeden Finger einer Hand mit bestimmten Themen verknüpft.
Problematische Strukuren benennen
Aber Selbstfürsorge und Achtsamkeit dürfen nicht zu Instrumenten werden, um die Verantwortung für die Work-Life-Balance einfach ins Individuelle zu verschieben. Das wurde an diesem Abend auch deutlich: Problematische Strukturen bei Arbeit- oder Auftraggebern müssen benannt werden.
Wie gut das Angebot ankam, zeigten die zahlreichen Fragen, die Moderatorin Marie Illner an die Expertinnen und Experten weiterreichte. Und die Tatsache, dass die rund 60 Teilnehmenden fast alle bis zum Ende durchhielten, obwohl alle sicher schon einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich hatten.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2022.