Auch wenn es in der Praxis nicht ganz so einfach ist wie auf dem Papier: Es lohnt sich für Freie, unternehmerisch zu denken. | Foto: Weigand
Auch wenn es in der Praxis nicht ganz so einfach ist wie auf dem Papier: Es lohnt sich für Freie, unternehmerisch zu denken. | Foto: Weigand
 
THEMA | Freie als Unternehmer

Mehr Einnahmen, weniger Abhängigkeit

Vom selbstständigen Arbeitnehmer zum Unternehmer
4. April 2018, Daniel Held

Freie Journalistinnen und Journalisten gibt es in allen Einkommensstufen – vom Existenzminium bis richtig wohlhabend: Viele ackern für kleinste Honorare, zum Beispiel bei Tageszeitungen, mit denen sie umgerechnet nicht mal Mindestlohnniveau erreichen. Andere sind in Medienbereichen tätig, wo der einzelne Auftrag mehr bringt. Aber sie müssen sich mit ihrer Leistung immer wieder aufs Neue verkaufen. Wenn sie gut im Geschäft sind, können sie sich aussuchen, welche Aufträge sie annehmen und welche sie ablehnen. Wer frei für einen der großen Sender arbeitet, ob öffentlich-rechtlich oder privat, hat oft schon Ansprüche auf bezahlten Urlaub. Nicht umsonst wird dieser Status als „arbeitnehmerähnlich“ bezeichnet. Schließlich gib es auch freie Journalistinnen und Journalisten, die richtig gut verdienen.

So groß die Unterschiede im Einkommen sind: Ein Großteil dieser Freien ist auf das Modell fixiert, ihre Leistung und Arbeitszeit gegen das Geld ihrer Auftraggeber zu tauschen. Sie tragen zwar die Risiken der Selbstständigkeit, aber sie denken und verhalten sich eher wie Angestellte. Und sind damit für ihre Auftraggeber oft billige Arbeitnehmer zweiter Klasse.

Zeit zum Umdenken

Doch es gibt einen Ausweg aus der Falle des „Selbst und Ständig“. Dafür müssen Freie umdenken. Auch wenn es ihnen nicht klar und oft auch nicht lieb ist: Sie sind in erster Linie Unternehmer und müssen lernen, so zu denken. Neben der Arbeit für den Kunden müssen sie sich heute neue Wirkungsbereiche erschließen. Denn Märkte verändern sich, und Aufgabenfelder entfallen durch die Digitalisierung. Eigene Projekte und Produkte sowie neue und andersartige Geschäftsmodelle schaffen im besten Falle Einkommensquellen, die auch dann sprudeln, wenn der Selbstständige gerade nicht aktiv seine eigene Zeit investiert.

Jochen Mai, Sabine Fäth und Bianca-Maria Rathay beweisen mit Herzblut und Ideenreichtum, wie wichtig es ist, nicht nur für andere Auftraggeber zu arbeiten, sondern sich auch aktiv und kontinuierlich um die Ausrichtung und Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens zu kümmern.

Erst mal fünf magere Jahre

Wenn Jochen Mai von seinen Projekten erzählt, spürt man die Leidenschaft, die dahintersteckt. Der Autor aus Kerpen ist Gründer des Portals „Karrierebibel“. Mit rund drei Millionen Lesern ist es im Bereich Job und Bewerbungen eines der erfolgreichsten Blogs in Deutschland. Mai gründete die „Karrierebibel“ 2007 und zählt mittlerweile zu den einflussreichsten Größen im Social Web. „Die Leute sehen heute die enorme Reichweite, doch was viele nicht wissen: Für mich waren es davor fünf magere Jahre – kaum Einnahmen und Freizeit, viel Arbeit in der Nacht, private Investitionen in Technik und für Personal und regelmäßig 16 Stunden-Tage.“

Von Haus aus ist Mai Journalist. Zunächst freiberuflich für Focus, Forbes, RTL und andere Medien, später angestellt als Redakteur und dann als Ressortleiter arbeitete er mehr als ein Jahrzehnt für die Wirtschaftswoche. Nebenberuflich baute er mit viel Energie und Geduld die „Karrierebibel“ auf. Ursprünglich war die Seite als Marketinginstrument für sein gleichnamiges Buch gedacht, das im Dezember 2007 auf den Markt kam. „Durch meinen eigenen Blog bin ich als Journalist sichtbarer geworden“, erzählt Mai.

2011 lockte ihn die Wirtschaft mit einem Job-Angebot – zu einer Zeit, in der intensiv um die Zukunft der neuen Medien diskutiert wurde. „Blogs, Social Media, das Internet – alles veränderte sich. Viele in der Verlagsführung haben diese Entwicklung nicht wahrhaben wollen und als Blase oder Hype abgetan.“ Doch Mai spürte, dass „mehr drin“ war und sich eine Revolution anbahnte.

„Ich habe damals zu meiner Frau gesagt: Mein Traumjob ist es, Social-Media-Manager zu werden und mit dem Blog zu beweisen, dass ich die gesamte Klaviatur der Social Media virtuos spielen kann.“ Zwar hatte Mai bei der Wirtschaftswoche Sonderfunktionen inne und betreute auch die Social-Media-Kanäle, doch sah er viel mehr Potenzial, das er im Verlag nicht ausreizen durfte. „Ich fühlte mich wie der Prophet im eigenen Land, den keiner hören will.“

Also kündigte er und begann bei Yello Strom. „Wir hatten Budget und Personal, und man sagte mir: Mach mal, bau uns das auf!“ Parallel verfolgte er weiter akribisch sein eigenes Projekt: „Der Traffic meines Blogs wurde größer, ich bekam direkten Kontakt zu meinen Lesern, und es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.“ Mai schrieb nach Feierabend an der „Karrierebibel“ weiter und investierte privates Geld für technische Optimierungen und den ersten Praktikanten. Das Baby „Karrierebibel“ wuchs und gedieh.

Die „Karrierebibel“ wuchs vom kleinen Blog zu einem der erfolgreichsten deutschen Portale rum um die Themen Job und Bewerbung. | Screenshot karrierebibel.de
Die „Karrierebibel“ wuchs vom kleinen Blog zu einem der erfolgreichsten deutschen Portale rum um die Themen Job und Bewerbung. | Screenshot karrierebibel.de

Heute kann Mai als Online-Verleger von seinem Blog leben und eine eigene kleine Redaktion bezahlen. „Nach zehn Jahren ist die ‚Karrierebibel‘ mein Unternehmen geworden.“ Zur Unternehmensgruppe gehören inzwischen zwei Ableger: die Jobbörse „Karrieresprung“ und die Ratgeber-Community „Karrierefragen“. Weitere Projekte sind in Planung. Darüber hinaus berät Mai Unternehmen bei den Themen Content-Strategie und Blog-Aufbau und ist als Dozent an der Technischen Hochschule Köln tätig.

Vor allem aber begreift Mai selbst sich als Unternehmer. „Ich liebe diesen Beruf des Journalisten und schreibe heute noch, aber deutlich weniger als vorher. Das liegt daran, dass ich viel stärker in die strategischen, administrativen und unternehmerischen Aufgaben eingebunden bin.“ Dass er kein „selbstständiger Angestellter“ ist, war ihm früh schon wichtig. „Freie Journalisten sind in erster Linie eines: Unternehmer. Sie müssen ihre Produkte schärfen und sexy machen. Wenn ich als Selbstständiger eine Familie zu ernähren habe, zählt auch der wirtschaftliche Erfolg – außer, ich habe eine Erbschaft oder ein Aktienpolster, dann ist es egal.“

Mais Empfehlung: Nicht nur im Unternehmen arbeiten – also für andere Auftraggeber –, sondern auch am Unternehmen, und zwar dem eigenen. „Mit einem Blog können Sie zeigen, dass Sie ein gut informierter Journalist sind, der sorgfältig und akribisch arbeitet sowie die neuesten Trends kennt.“

Verfügbares Wissen nutzen

Hohe Spezialisierung ist in diesem Zusammenhang das Zauberwort. „Sie müssen der Journalist sein, der für ein bestimmtes Thema gebucht wird.“ Mai, der vor der „Karrierebibel“ schon andere Blogs ausprobiert hat, hat zunächst sehr viel geschrieben und dann eine Marktnische mit hoher Reichweite und starker Nachfrage gefunden. Seine Erfahrung: „Das Geschäftsmodell am Anfang ist selten dasselbe wie am Ende.“ Insofern sollten freie Journalistinnen und Journalisten immer flexibel bleiben, auf die sich ändernden Marktbedingungen eingehen und sich permanent weiterbilden. „Das Internet hält mit Youtube und den vielen Blogs so viel kostenloses Wissen bereit. Das sollten Sie als freier Journalist nutzen – und dann in Ihre Plattform investieren.“

Mit der „Karrierebibel“ ist Jochen Mai stetig weiter gewachsen. Zwischendurch hat er Strategien gewechselt, Suchmaschinenoptimierung gelernt und sich Social-Media-Marketing autodidaktisch beigebracht. „Ich habe gelernt, gelesen, ausprobiert. Ein Blog ist eine extrem langfristige Geschichte.“ Und es bietet Journalisten die Möglichkeit, ihr eigenes Portfolio darzustellen, zu zeigen, was sie können und in welchen Themengebieten sie eine Expertise besitzen.

„Die Journalisten, die am besten bezahlt werden, sind nicht die, die schreiben können“, hat Mai beobachtet. Diese Qualifikation setze man ab einem bestimmten Level selbstverständlich voraus. „Es sind die, die Kontakte haben und Zugang zu bestimmten Quellen und Insiderinformationen, die andere nichtbesitzen.“ Kurz gesagt: Vorsprungwissen, das sich weiterverkaufen lässt und den Marktwert steigert. „Ich bin mir sicher, dass Sie Anfragen bekommen werden, wenn Sie ein gut sicht-bares und vernetztes Blog haben, und nicht immer nur Texte anbieten und akquirieren müssen als freier Journalist.“ Netzwerke und Veranstaltungen, wie sie zum Beispiel der DJV anbietet, helfen dabei, am Puls der Zeit zu bleiben.

Sich in der Nische positionieren

In die gleiche Kerbe schlägt Dr. Kerstin Gernig: „Freie Journalisten sollten sich überlegen, was sie gut können, wo ihre Stärken gebraucht werden und wie sie sich in einer Nische positionieren. Zum Beispiel als Experte für Storytelling für Unternehmen.“ Wer gut verdienen wolle, müsse wissen, was andere benötigen, und aus Kundensicht denken. Gernig arbeitet als Business Coach für Neuanfänge in der Lebensmitte. 2014 wurde sie vom Bundesministerium für Wirtschaft als Vorbildunternehmerin Deutschlands ausgezeichnet.

Dr. Kerstin Gernig empfiehlt digitale Tools und eine geänderte Haltung. | Foto: Matthias Baumbach
Dr. Kerstin Gernig empfiehlt digitale Tools und eine geänderte Haltung. | Foto: Matthias Baumbach

„Solo-Selbstständige können der Falle des ‚Selbst und Ständig‘ nur entrinnen, wenn sie den Tausch Zeit gegen Geld durch skalierbare Geschäftsmodelle ersetzen“, sagt Gernig. Das heißt: Ein Projekt wird nach einer arbeits- und vielleicht auch finanzaufwändigen Anfangsphase im besten Fall zum Selbstläufer. Skalieren bedeutet in diesem Zusammenhang zum Beispiel, ein Buch zu schreiben oder einen Online-Kurs aufzusetzen. Das erfordert einmalig Aufwand, generiert danach aber ohne weiteres Zutun Einnahmen. Auch dann, wenn sich der Urheber eine Auszeit gönnt oder an anderen Projekten arbeitet.

Im Gegensatz dazu müssen Freie in der „Zeit-gegen-Geld-Falle“ permanent ihre Zeit investieren, um Geld von ihren Kunden zu bekommen. Sobald sie nicht arbeiten – etwa im Urlaub oder bei Krankheit –, verdienen sie auch nichts.

Auch Gernig, die früher Chefredakteurin einer Fachzeitschrift war, hat ein Buch veröffentlicht. In „Werde, was du kannst! Wie man ein ungewöhnlicher Unternehmer wird“ beschreibt sie die Erfolgsstrategien von 21 Unternehmerinnen und Unternehmern und zeigt, welche aktuellen Trends Selbstständige für ihren Erfolg nutzen können. „Der Schlüssel zur Veränderung liegt in der mentalen Haltung, und erfolgreich wird, wer durch die Digitalisierung automatisiert.“

Tools zum Automatisieren

Dazu gibt Gernig konkrete Beispiele: Für ihr eigenes Unternehmen nutzt sie digitale Tools, die bestimmte Sekretariatsfunktionen ersetzen. „Damit interessierte Coachingklienten einen Termin mit mir vereinbaren können, habe ich einen Terminkalender auf meiner Website eingebaut. Wer sich einen Termin bucht, bekommt automatisiert eine Terminbestätigung, ohne dass ich eine E-Mail schreiben muss. Diese Prozesse müssen erst einmal eingeführt werden, was Zeit kostet. Aber sobald sie eingeführt sind, haben Selbstständige mehr Zeit zur Verfügung.“

Mehr Zeit, die er in andere Aufgaben investieren kann, und dennoch parallel Geld zu verdienen – das ist auch für Jochen Mai wichtig. Er hat im Laufe der Jahre Werbung auf seinem Blog als zusätzliche Einnahmequelle ausgemacht. „Nach dem ersten Relaunch von ‚Karrierebibel‘ habe ich Banner geschaltet.“ Mit entsprechender Reichweite, rund 1 000 Lesern am Tag als absolutes Minimum, kämen immerhin 200 bis 300 Euro pro Monat zusammen.

Ein Bekannter von Mai verdient auf seiner Website Geld mit sogenannten Affiliate-Links. Für jedes Produkt, das ein Kunde über seine Seite bei seinen Kooperationspartnern kauft, erhält dieser eine Vermittlungsgebühr. „Mit Einnahmen von 1 000 Euro im Monat holt er sich so sein Stück Unabhängigkeit“, erklärt Mai. Allerdings gilt in Zeiten der digitalen Vielfalt, dass die Einstiegshöhen zwar gering sind, der Aufbauprozess dafür aber lang. Viele versuchen es, nur wenige schaffen es. Beharrlichkeit ist gefragt. Mai betont erneut, wie langfristig sein Geschäftsmodell zu sehen ist: „Es ist eine Mär zu sagen: Du startest einen Blog, und ein halbes Jahr später sitzt du mit einem Cocktail in der Hand auf Bali.“

Dass dem tatsächlich nicht so ist, sondern viel Arbeit dahintersteckt, wenn man sein eigenes Business aufbaut, das weiß auch Sabine Fäth. Die Journalistin war über 15 Jahre lang als Chefredakteurin von Frauenzeitschriften tätig, zuletzt bei der Für Sie, und hat sich dann für die Selbstständigkeit entschieden. „Die rasante Digitalisierung und der Medienwandel beflügelten mich, etwas Neues zu wagen.“

Heute berät die Hamburgerin Unternehmen bei konzeptionellen und organisatorischen Fragen wie New Work, Change-Management und Neuentwicklung. Außerdem, und das ist interessant an ihrem Geschäftsmodell, hat sie mit „Scribershub“ ein Qualitätsnetzwerk von freien Textern, Autoren und Journalisten aufgebaut. Seit Oktober 2016 vermittelt sie mittlerweile über 900 Schreiberinnen und Schreiber an Auftraggeber aller Branchen und Mediengattungen.

Fäth: „Ich arbeite nicht auf Provisionsbasis, sondern nehme für die persönliche Suchdienstleistung ein Vermittlungshonorar. Auftraggeber nennen mir ihren genauen Bedarf, dann beginnt die Suche nach dem ‚perfekten Treffer‘ im Scribershub-Netzwerk. Ich garantiere eine handverlesene und schnelle Vermittlung innerhalb von 24 Stunden.“ Fäth weiß, wofür sie die Online-Plattform gegründet hat: „Ich bin angetreten, weil ich eine Mission habe.“

So bauen Sie Ihr Unternehmen weiter aus

• Klären Sie zunächst Ihr Selbstverständnis und nehmen Sie eine klare Haltung ein: Machen Sie sich bewusst, dass Sie Unterstützung bieten und keine neuen Jobs suchen.

• Erschaffen Sie neue Perspektiven: Starten Sie eigene Projekte wie zum Beispiel einen Blog. Seien Sie immer flexibel, sehen Sie sich um, welche Alternativen es gibt und in welche Richtung sich Ihr Unternehmen entwickeln soll.

• Nutzen Sie die möglichen Nebeneinnahmen: Machen Sie von der Zweitverwertung Ihrer Artikel Gebrauch. Werden Sie Mitglied bei der VG Wort und/oder Bild, um Tantiemen für Ihre Beiträge zu erhalten.

•Stellen Sie sich breiter auf: Suchen Sie sich Kooperationspartner, damit Sie Anfragen fachspezifisch verteilen, Pakete gemeinsam schnüren und höhere Preise erzielen können. Bieten Sie beispielsweise gemeinsam die Leistungen Text, Bild und Social-Media-Management an.

•Schaffen Sie eigene Produkte: Haben Sie schon einmal überlegt, ein Buch oder ein E-Book zu veröffentlichen, eigene Videos zu drehen und im Netz online zu stellen oder Online-Kurse anzubieten? Mit eigenen Produkten positionieren Sie sich als Experte und verbuchen zusätzliche Einnahmen.

•Mit der eigenen Website Geld verdienen: Sehen Sie sich nach Werbepartnern um und binden Sie Links zu entsprechenden Produkten auf Ihrer Website ein. Klickt ein Leser Ihrer Seite auf diesen Link und kauft ein Produkt Ihres Werbepartners, erhalten Sie eine Provision. Sinnvoll und lohnenswert ist dies, wenn Ihre Seite hohe Besucherzahlen hat. Affiliate-Netzwerke ermöglichen es Ihnen, einen passenden Werbepartner zu finden.

Gegenmodell zum Billig-Content

Dem Billigmarkt mit Cent-Beträgen pro geschriebenem Wort möchte sie entschlossen entgegentreten. „Ich wollte denjenigen, die eine Ausbildung und Expertise haben, eine Plattform bieten. Es wird ständig von Content-Strategien gesprochen, aber nicht darüber, wer diesen Content erstellen soll.“ Fäths klare Haltung: „Lasst die Profis ran! Durch die Digitalisierung ist Texten entwertet worden.“ Und auch die Auftraggeber, die sich an die Gründerin wenden, sollen sicher sein: „Bei mir bekommen sie Qualität. Ich trenne die Spreu vom Weizen. Das ist meine Uniqueness, also Einzigartigkeit.“ Qualität, die sich auch im Preis widerspiegeln muss. „Texter, die von Kunden mit einem Stundensatz von 20 Euro abgespeist werden sollen, vermittele ich nicht. Meine Leute müssen fair bezahlt werden“, so Fäth. „Das Erste, was ich Auftraggeber frage, ist: Was muss die Person können, wann brauchen Sie sie und was bezahlen Sie?“

Die Seite „Scribershub“ versteht sich als Gegenentwurf zum Billigcontent. | Screenshot scribershub.com
Die Seite „Scribershub“ versteht sich als Gegenentwurf zum Billigcontent. | Screenshot scribershub.com

Die Idee zu „Scribershub“ kam Sabine Fäth erst während ihrer Zeit als Chefredakteurin. „Ich fand das Plattform-Business spannend. ‚Parship‘ und ‚Elite Partner‘ waren für mich Vorbilder. Ich fragte mich: Wenn man heute schon die Liebe im Internet findet, wieso nicht eine Plattform gründen, auf der ich freie Texter suchen kann?“ In Gesprächen merkte sie zudem, dass es einen steigenden Bedarf an fachspezifischen Freelancern mit Kenntnis von Branche und Mediengattung gibt. „Dieser Trend wurde zusätzlich angefeuert durch hervorragende Corporate-Publishing-Produkte und den Run auf Content-Marketing.“

Außerdem wollte Fäth damals als Chefredakteurin einen größeren Autorenpool zur Verfügung haben, insbesondere für Neuheiten und Erweiterungen. „Wenn du heute einen Texter mit dem Fachgebiet Versicherungswesen brauchst, kannst du bei Google ewig suchen. Wo findest du diese Spezialisten denn? Solche Leute braucht man nicht oft. Aber wenn man sie braucht, sind sie wie Notfallchirurgen.“

Eine wunderbare Gelegenheit für freie Journalisten mit Spezialkenntnissen, ihren Marktwert in die Höhe zu treiben. Generell rät Fäth Freien, eine persönliche Analyse zu machen: „Was kann ich gut? Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Was mache ich besser als die anderen? Jeder muss sich seiner Stärken, nicht Schwächen, bewusst sein und diese Stärken ausbauen.“ Viele Journalisten seien sehr konzeptionsstark. Diesen empfiehlt sie, sich an Kommunikationsagenturen und Werbeagenturen zu wenden und zu überlegen, wie sie Kontakt herstellen können, um sich in einen neuen Bereich hineinzukatapultieren.

Wer sich mit Fäth unterhält, merkt, dass sie sich diese Gedanken für sich selbst schon gemacht hat und längst an ihrem Unternehmen arbeitet. Sie sagt: „Freelancer sind Unternehmer!“ Aber sie weiß auch: „Wir haben nie gelernt, unternehmerisch zu denken. Es gibt heute wunderbare Buchautoren und Agenten, die sich um einen Verlag und die Provisionen kümmern. Das übertrage ich auf ‚Scribershub‘ und sage dem Texter in meinem Netzwerk: Dann bin ich von mir aus Ihr Agent.“

Aus ihrem Berufsalltag entstand Sabine Fäths Idee, mit „Scribershub“ eine Plattform zu gründen, die Auftraggeber und Freelancer mit Expertise zusammenbringt. | Foto: privat
Aus ihrem Berufsalltag entstand Sabine Fäths Idee, mit „Scribershub“ eine Plattform zu gründen, die Auftraggeber und Freelancer mit Expertise zusammenbringt. | Foto: privat

„Be a game changer, the world has enough follower!“ lautet das Motto von Sabine Fäth. Sie meint damit, dass sich selbst Freelancer nach ihrer Stärken- und Schwächenanalyse auch fragen sollen: „Wo bin ich bereit noch zu lernen, wo brauche ich Weiterbildungen?“ Journalisten sollten neugierig bleiben und sich in alle Richtungen öffnen. „Verbauen Sie sich nicht bestimmte Wege, weil Sie sich Facebook, Twitter oder Content-Management-Systemen wie WordPress komplett verschließen.“ Einen weiteren Tipp, den die 51-Jährige ihren Kollegen gibt: „Fragen Sie sich, wo Ihre Kunden sind, und bleiben Sie im ständigen Austausch mit ihnen. Ihr Kundennetzwerk können Sie erweitern, indem Sie um Empfehlung an andere Auftraggeber bitten, die Ihr Kunde kennt. Es läuft immer auf das Netzwerk, das Vitamin B, heraus.“

Mit anderen mehr anbieten können

Fotografen haben es durch den technologischen Fortschritt besonders schwer. Bilder schießen alleine genügt beim heutigen technischen Standard von Smartphones nicht mehr. Nicht nur für sie gilt es, sich zusammenzuschließen und als Full-Service-Dienstleister gegenüber Kunden aufzutreten. Fäth: „Vernetzen Sie sich mit Layoutern und Videojournalisten, gucken Sie immer, was Sie stattdessen auf die Beine stellen können.“

Auch Dr. Kerstin Gernig rät, wach und flexibel zu reagieren, wenn Dienstleistungen nicht mehr gebraucht werden oder Märkte sich verändern: „So wie Eishacker ihren Job verloren haben, als der Kühlschrank erfunden wurde, verändert auch die Digitalisierung unsere Arbeitswelten fundamental. Das ist aber keine Katastrophe, sondern eine Herausforderung für unsere menschliche Intelligenz, die es geschafft hat, Satelliten ins All zu schicken, auf dem Mond zu landen und Antibiotika zu entwickeln. Leben ist Veränderung.“

Aus dem Hamsterrad aussteigen

Für viele Freie, die sich gehetzt von Auftrag zu Auftrag hangeln, ist das eigene Unternehmen so weit weg wie der Mond. Unternehmerisches Denken kann man allerdings auch auf einer kleineren Skala praktizieren. Eine der wichtigsten Voraussetzungen: Kleine Zeitfenster schaffen, in denen man sich mit frischem Kopf mit der eigenen beruflichen Situation auseinandersetzt. Für viele funktioniert das gut am Morgen, wenn der Kopf noch frei ist. Wer ernsthaft etwas an seiner Situation ändern will, sollte sich dafür regelmäßig ungestörte Zeit nehmen: Einfach Handy und Telefon stummschalten, den Timer auf eine halbe Stunde oder länger stellen und loslegen.

• Befassen Sie sich mit Ihren Umsätzen: Wie sieht Ihr jährliches Einkommen aus? Sind Sie zufrieden damit? Können Sie gut davon leben? Behalten Sie den Überblick über Ihre Einnahmen und Ausgaben, um auf finanziell turbulente Phasen reagieren zu können.

• Sind Sie nicht zufrieden mit Ihrem Einkommen, schauen Sie sich Ihre Aufträge genauer an: Wie viel Zeit verwenden Sie für welche Aufgaben? Merzen Sie Zeiträuber aus und konzentrieren Sie sich auf Kunden, bei denen Sie mehr Geld für weniger Arbeit bekommen.

• Machen Sie sich bewusst: Sie sind genauso Unternehmer wie Ihr Auftraggeber. Das bedeutet: Auch Ihr Kunde erhält eine Leistung, die ihn wirtschaftlich voranbringt. Er profitiert ebenso von Ihnen wie Sie von ihm. Es gibt also keinen Grund, als Bittsteller aufzutreten.

• Planen Sie ein, dass Sie auch Urlaub machen und hin und wieder größere Ausgaben haben. Sicherlich verfügen Sie über eine Berufsausbildung und einige Jahre Erfahrung. Berücksichtigen Sie dies, wenn Sie Ihre Honorarsätze kalkulieren. Wenn Sie nicht wissen, wie viel Sie verlangen können, schauen Sie in den Richtlinien des DJV nach.

• Gucken Sie auch nach links und rechts. Bleiben Sie nicht auf Ihrem einmal eingeschlagenen Pfad. Der Journalismus unterliegt einem steten Wandel. Möglicherweise ist es eine Option für Sie, für Agenturen oder Wirtschaftsunternehmen tätig zu werden, die beispielsweise Mitarbeiterzeitungen herausgeben. Seien Sie kreativ und zeigen Sie Eigeninitative, indem Sie auf potenzielle neue Auftraggeber aktiv zugehen.

Videoproduktion per Smartphone

Eine weitere Journalistin, die ihre Nische gefunden und mit dem Trend gegangen ist, ist Bianca-Maria Rathay. Die Gründerin produziert Videos mit dem Smartphone und hat sich damit ganz dem Mobile Journalism verschrieben. Ihr Unternehmen „So Handy Videography“ bietet alles aus einer Hand: Auf Basis der persönlichen Vorstellungen ihrer Kunden erarbeitet sie gemeinsam mit diesen zunächst Storyboard und Drehplan. Danach geht es an das Filmen und die Produktion selbst. Am Ende steht die Erstellung des Films im Schnitt, die Farbkorrektur, gegebenenfalls die Vertonung, die Musikauswahl und das Hochladen des fertigen Films auf die geeignete Plattform.

Gerade kleinere Unternehmen, Einzelunternehmer, regionale Online-Magazine sowie Social-Media- und PR-Agenturen profitieren von ihrer mobilen Produktion. „Immer mehr medienfremde Unternehmen begeben sich auf digitale Kanäle. Sie wissen aber nicht, wie sie den großen Bedarf an Bewegtbild für Social Media decken sollen“, so Rathay. Vielen fehle das Personal, außerdem schränkten Budgetrestriktionen sie ein. „Für diese Kunden möchte ich da sein.“

Das Smartphone sei für die schnelle Produktion perfekt geeignet, sagt sie. „Ich kann direkt auf dem Gerät filmen, schneiden und den fertigen Film direkt vor Ort hochladen.“ Wer hätte diese Entwicklung vor zehn Jahren vorhergesehen? Wohl die wenigsten. Insofern wagt Bianca-Maria Rathay die Prognose, dass es in Zukunft Möglichkeiten der Kommunikation im Bewegtbildumfeld geben werde, an die wir heute noch gar nicht denken könnten.

Die passende Nische gefunden

Konkurrenz spürt sie schon heute, erzählt Rathay: „Immer mehr Menschen machen sich im Bereich Video fit. Und Social-Media-Kanäle wie Instagram etablieren im Alltag die Nutzung des Smartphones für Video.“ Doch die Geisteswissenschaftlerin, die lange in Köln gelebt hat, besitzt Erfahrungen und Know-how, die ihr einen Vorsprung verschafft haben. Als sie 2014 nach Hamburg umzog, nutzte sie die Gelegenheit, um ihre Nische in der freiberuflichen Tätigkeit zu finden. Damals konnte sie bereits auf eine Ausbildung als Fernsehredakteurin und einige Jahre Berufs- und Branchenerfahrung zurückgreifen sowie auf ihr Projekt ‚So Handy‘.

Bianca-Maria Rathay erstellt für ihre Kunden Videos nach deren Vorstellungen. | Foto: Daniel Held
Bianca-Maria Rathay erstellt für ihre Kunden Videos nach deren Vorstellungen. | Foto: Daniel Held

„Für mich war damals klar, dass ich nicht weiter in einer Vollbeschäftigung mit befristeten Verträgen arbeiten wollte.“ Zunächst war deshalb ihr Plan, sich als Videojournalistin selbstständig zu machen. „Nach einem Workshop im Mobile Reporting habe ich aber festgestellt, dass mir das so viel Spaß bringt, dass ich es zu meinem Beruf machen wollte.“

Doch Bianca-Maria Rathay dreht Videos nicht nur selbst. Sie gibt ihr Wissen auch in Schulungen und Workshops weiter. Die zweite Säule, auf die ihr Unternehmen aufbaut. „Ich zeige Agenturen, öffentlichen Einrichtungen und Einzelunternehmern, wie sie selbst Filme mit dem Smartphone erstellen können und auf ihre eigene Story kommen.“ In erster Linie gehe es dabei um die Konzeption und Zielfindung sowie die grundlegende Frage nach dem Sinn und Zweck der Kommunikation. „Wir identifizieren Probleme und definieren ein klares Ziel. Warum brauchen wir eigentlich Content? Was ist wirklich geeignet? Manchmal muss es nicht zwingend ein Video sein, sondern ein Podcast funktioniert für die Zielgruppe viel besser.“

Dass Bianca-Maria Rathay ihre kreative Ader in der Selbstständigkeit voll auslebt und so die ständige Weiterentwicklung ihres Unternehmens vorantreibt, zeigt ihr neuester Plan. Rathay hat festgestellt, dass viele Unternehmen Videos haben wollen, jedoch nicht wissen, welche Art von Video oder Plattform für sie die geeignete ist. Außerdem fragen sie sich oft, wie beziehungsweise was sie überhaupt erzählen wollen. „Es geht dabei auch darum, dass alle Mitarbeiter die gleiche Sprache sprechen und alle gleichermaßen abgeholt werden.“, erklärt sie. Deshalb entwickelt Rathay auf Basis ihrer Erfahrungen der letzten vier Jahre eine eigene Methode. „Mit dieser gelingt es den Unternehmen, auf spielerische, aber effiziente Weise im Team den passenden Weg für eine Content-Strategie zu finden.“

Einfach machen!

Grundsätzlich rät sie freien Journalisten, Ideen auszuprobieren, einfach zu machen und permanent zu üben. „Offen zu sein für neue Entwicklungen, das ist meiner Meinung nach heute das A und O. Wenn ein Plan nicht funktioniert, kann man ihn immer noch ad acta legen.“ Und sie empfiehlt, sich, wenn nötig, Hilfe von außen zu holen. „Ich hatte zu Beginn einige nette Leute, die mir weitergeholfen und an mich geglaubt haben. Oftmals sind Kollegen viel offener, Erfahrungen preiszugeben, als man vorher denkt.“

Insofern seien Mentoren im eigenen Bereich nützliche Tippgeber. Mit „So Handy“ möchte Bianca-Maria Rathay in jedem Fall weiter wachsen. „Meine Vision ist eine kleine Mini-Agentur. Ich möchte deshalb zukünftig einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin schulen und einstellen.“ Eine echte Unternehmerin eben.

Die vorgestellten Seiten

• „Karrierebibel“, eines der größten Job- und Bewerbungsportale im deutschsprachigen Raum, startete als Blog.
karrierebibel.de

• „Scribershub“ ist eine Plattform, die Auftraggeber und Freie zusammenbringt.
scribershub.com

• „So Handy Videography“ plant und realisiert Smartphone-Videos im Kundenauftrag.
sohandy.de