Die Ministerpräsidenten haben im Dezember einen Entwurf zum neuen Medienstaatsvertrag beschlossen, der den bisherigen Rundfunkstaatsvertrag ersetzen soll. Damit einigten sich die Länder nach jahrelangen Verhandlungen auf eine grundlegende Neufassung des Medien- und Rundfunkrechts. Der Medienstaatsvertrag setzt Vorgaben der europäischen Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste (AVMD) um, damit Onlineanbieter wie Google und Facebook künftig vergleichbaren Regeln unterliegen wie Fernsehen und Hörfunk. Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, bezeichnete den Entwurf als „ganz wichtigen medienpolitischen Meilenstein“ und als „Antwort der Länder als Mediengesetzgeber auf die Digitalisierung der Medienwelt“.
Der Staatsvertrag soll im September 2020 in Kraft treten. Zuvor wird der Entwurf der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt, zudem müssen die Landtage unterrichtet werden. Wenn alle ausgehandelten Regelungen unbeanstandet bleiben, weitet der Staatsvertrag den Regulierungsbereich im Vergleich zum bisherigen Rundfunkstaatsvertrag deutlich aus. Der hatte 1991 die Regeln für das duale Rundfunksystem aus privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern definiert und wurde mehrfach angepasst, um mit dem Medienwandel vor allem im Netz mitzuhalten.
Trotzdem war offensichtlich, dass die bisherigen Vorgaben für den Rundfunk etwa für YouTube nicht passen. Ob Influencer oder Gaming-Streamer: Wer mit seinen Live-Videos mehr als 500 Zuschauer gleichzeitig erreicht, braucht nach heutigem Rundfunkstaatsvertrag eine Rundfunklizenz. Landesmedienanstalten hatten vereinzelt und mit unterschiedlichem Erfolg versucht, diese Regelung durchzusetzen. Künftig liegt diese Schwelle deutlich höher: Die Lizenz wird erst fällig, wenn YouTuber im Durchschnitt der vergangenen sechs Monate mehr als 20 000 gleichzeitige Nutzer erreichen oder wenn sie mit ihren Beiträgen eine wesentliche Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten.
Erfasst werden künftig auch sogenannte Intermediäre, die Medieninhalte zur Verfügung stellen – etwa Plattformen wie Google und Facebook. Ebenso unterliegen Sprachassistenten und Smart Speaker wie Alexa oder Smart TV künftig diesen Regelungen. Wer Medieninhalte anderer Anbieter verbreitet, muss dann kenntlich machen, nach welchen Kriterien diese Inhalte präsentiert werden. Zudem müssen die Intermediären gewährleisten, dass journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote mit einem gesellschaftlichen Mehrwert leicht auffindbar sind und nicht in der Masse untergehen.
Der Rundfunkbegriff wird im neuen Staatsvertrag neu definiert. Zugleich sollen die Hürden für die entsprechenden Zulassungsverfahren gesenkt werden. Das soll Kreative fördern und Bürokratie abbauen.
Journalistische Sorgfaltspflicht
Zugleich definiert der Medienstaatsvertrag präzisere Regeln für journalistisch-redaktionelle Internetangebote. Diese müssen „anerkannten journalistischen Grundsätzen“ entsprechen und journalistische Sorgfaltspflichten einhalten. Dazu gehört es, den Wahrheitsgehalt von Nachrichten vor der Veröffentlichung zu prüfen. Bei Umfragen muss ausdrücklich gekennzeichnet werden, ob sie repräsentativ sind.
Wie Netzpolitik.org ausführt, betreffen diese Regelungen nicht nur Nachrichtenseiten, sondern auch Blogs, „sofern diese nicht privat betrieben werden und einen publizistischen Charakter haben. Im Einzelfall entscheiden würde die Landesmedienanstalt. Bisher gab es keine Aufsicht, die für derartige Angebote zuständig war.“
Zur Überwachung setzt der Medienstaatsvertrag demnach auf Selbstregulierung: Wer nicht zu einem Printmedium gehört und dem Pressekodex und dem Deutschen Presserat unterliegt, kann sich einer Einrichtung zur Freiwilligen Selbstkontrolle anschließen, etwa der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Nach Einschätzung von Netzpolitik.org könnten auch neue Einrichtungen entstehen, diese müssten aber unabhängig sein und anerkannt werden.
Falls sich ein journalistisch-redaktionelles Internetangebot keiner Freiwilligen Selbstkontrolle anschließen wolle, sei die jeweilige Landesmedienanstalt zuständig. Wer wiederholt etwa gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstößt, könnte mit Bußgeld belegt werden. Unter bestimmten Umständen könnte ein solches Medium auch verboten werden.
Kennzeichnungspflicht kommt
Wie es der DJV fordert, sieht der Medienstaatsvertrag eine Kennzeichnungspflicht vor, wenn Beiträge oder Chatnachrichten in sozialen Netzwerken von Bots erstellt wurden. So will man sicherstellen, dass automatisierte Inhalte in Zukunft als solche erkennbar sind.
Darüber hinaus regelt der Medienstaatsvertrag im Zuge der AVMD-Richtinie weitere Punkte. So werden etwa barrierefreie Angebote gestärkt, damit alle Menschen gleichermaßen am medialen Diskurs und an der Gesellschaft insgesamt teilhaben können. Der Jugendmedienschutzvertrag wird angepasst.
Dagegen verzichtet der neue Medienstaatsvertrag auf eine Reform des (fernsehzentrierten) Medienkonzentrationsrechts, wie die Medienkorrepondenz berichtet. „Hier konnten sich die Bundesländer nicht einigen, weil Bayern und Nordrhein-Westfalen Standortinteressen für die Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe (Unterföhring bei München) bzw. den Bertelsmann-Konzern (Gütersloh) und dessen RTL-Senderfamilie (Köln) geltend machen“, schreibt Volker Nünning.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Februar 2020.