Für viele ist Pinterest nur ein weiteres zeitfressendes soziales Netzwerk, andere halten es für einen digitalen Treffpunkt von Back- und Bastelfreunden. Wieder andere versuchen, es beruflich einzusetzen. Im Bereich Medien und PR könnten das allerdings deutlich mehr sein. Denn Journalistinnen und Journalisten, Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen PR und Bildjournalismus sowie journalistische Bloggerinnen und Blogger können Pinterest auf dreierlei Weise sinnvoll nutzen: bei der Themenplanung, bei der Recherche und auch bei der Selbstvermarktung.
Pinterest ist kein Newcomer: Die Plattform gibt es seit zehn Jahren. Der Name setzt sich zusammen aus „to pin“ (anheften) und „interest“ für Interesse. Der Name verdeutlicht schon eine Hauptfunktion von Pinterest: Registrierte Nutzerinnen und Nutzer können thematische Pinnwände anlegen und dort Links zu interessanten Inhalten anheften – sowohl aus der internen Suche bei Pinterest als auch externe Links aus dem Netz. Wie so eine Pinwand aussehen kann, zeigt die Beispielrecherche zum Thema „Smartphone aufräumen“ (siehe oben).
Pinterest in Zahlen
> 367 Millionen Nutzer im Monat weltweit
> 13 Millionen monatliche Unique Visitors in Deutschland
Bisher überwiegend Nutzerinnen, der Anteil der Männer steigt aber deutlich.
Wachsendes Interesse an Themen wie Achtsamkeit, Fitness, Unternehmensgründung, Haustiere, Automobil, Kunst, Finanzen, Kinderunterhaltung. Seit März besonders gefragt: Ideen für das Homeoffice, den Unterricht zu Hause, Sportübungen oder Protestplakate.
(Alles nach Unternehmensangaben)
Ausführlichere Auskunft erteilt Jana Würfel, Head of Growth Operations DACH bei Pinterest, im Interview: „Drei Fragen an Pinterest“.
Visuelle Suche
Im Gegensatz zu Google und Co. durchkämmt die Pinterest-Suche nur die Inhalte, die Nutzerinnen und Nutzer bereits auf der Plattform abgelegt haben. Neben monothematischen und freigegebenen Pinnwänden von anderen oder Produkten kann man hier auch nach Nutzerinnen und Nutzern suchen. Das Ergebnis wird anders als bei „normalen“ Suchmaschinen als Bild oder Video angezeigt. Darum wird Pinterest auch „visuelle Suche“ genannt.
Das können etwa PR-Agenturen nutzen, um Aufmerksamkeit auf Kundenprodukte zu lenken. Und Bildjournalistinnen und -journalisten können auf ihre Arbeit aufmerksam machen, indem sie ein Portfolio bei Pinterest anlegen, das auf ihre Homepage zurückführt. Schöne Fotos allein reichen allerdings nicht; diese müssen mit einem aussagekräftigen und für die Zielgruppe werthaltigen Text unterlegt sein (siehe auch Interview Jana Würfel, Head of Growth Operations DACH bei Pinterest). Und natürlich sollten die Fotos mit einem Logo versehen und nicht in höchster Auflösung gepostet werden, um den Bilddiebstahl einzuschränken.
Die häufig sehr ästhetischen Suchergebnisse sind wohl dafür verantwortlich, dass Pinterest den Ruf hat, dort sei überwiegend Schönes wie Möbel, Landschaften oder Rezepte zu finden. Das ist jedoch nicht richtig. So bringt auch die Suche nach einem Begriff wie „Geldanlage“ viele Treffer. Etliche davon führen zu Internetseiten von Beraterinnen und Beratern, darunter sind sicher auch solche, die für Provisionen nur bestimmte Produkte anpreisen.
Natürlich kann man auch bei einer „normalen“ Suche über Google, Bing oder Duckduckgo auf solche Angebote stoßen. Diese Suchmaschinen liefern aber auch Seiten mit seriösen und unabhängigen Informationen wie etwa der Verbraucherzentralen oder der Wirtschaftsmedien. Diese fehlen im geschlossenen Kosmos von Pinterest – zumindest solange, bis solche Organisationen und Medien ihre Informationen dort aktiv anbieten. Denn das Beispiel aus dem Finanzjournalismus gilt für alle Ressorts.
Medien sollten Pinterest bespielen
Im Umkehrschluss heißt das: Wenn seriöse Medienunternehmen diese Plattform nicht bespielen, werden sie zumindest von den Nutzerinnen und Nutzern, die sich hauptsächlich dort informieren, nicht wahrgenommen. Dessen sind sich internationale Medien offensichtlich eher bewusst als deutsche: Die New York Times beispielsweise hat mehr als 10 Millionen monatliche Betrachter auf Pinterest, ebenso El Pais (Stand 13. Juli 2020 laut Anzeige bei Pinterest).
Die Frauenzeitschrift Brigitte oder die Internetseite Chefkoch.de erreichen zwar ähnlich viele Menschen in Deutschland. Allerdings posten diese beiden Schönheitstipps bzw. Rezepte, während El Pais und New York Times auch Infografiken, Tipps zu Coronaproblemen oder zum Klimawandel „pinnen“.
Auch Le Monde ist dabei und hat immerhin 4,9 Millionen monatliche Betrachter. Deutsche Medien und PR-Agenturen dagegen findet man nur wenige. Und die PR-Firmen, die man findet, geben sich eher verschlossen: Zwei PR-Agenturen aus Österreich (5.700 monatliche Betrachter) und Berlin (monatliche Betrachter nicht ersichtlich), die ebenfalls bei Pinterest aktiv sind, haben auf eine Mailanfrage nicht reagiert. Ein Düsseldorfer Unternehmen (17.600 monatliche Betrachter) verwies darauf, dass die Fachfrau derzeit in Urlaub sei. Auf das Angebot, das Gespräch später zu führen, ging die Agentur nicht ein.
Die Mediengruppe RTL antwortete immerhin kurz und bündig per Mail: „Pinterest ist für uns als Traffic- und Communitytool grundsätzlich spannend. Leider können wir mit den aktuellen Kapazitäten nichts Berichtenswertes und keinen Ansprechpartner bieten“. RTL.de hat 1,6 Millionen monatliche Betrachter bei Pinterest (Stand 13. Juli 2020 nach Plattformangaben).
Deutlich ausführlicher die Antwortmail des MDR. Er ist mit seiner „Garten“-Redaktion bei Pinterest und hat monatlich 393.800 Betrachter: „Pinterest ist mit mehreren 100 Millionen Nutzern weltweit eine relevante Größe in den sozialen Netzwerken. Wir beteiligen uns deshalb mit einem Pilotprojekt“, heißt es aus der Pressestelle. Ziel sei es, auf Pinterest Menschen mit dem Angebot des „MDR Garten“ zu erreichen, die den Sender bislang nicht oder nur schlecht kennen.
Auch die Allgemeine Zeitung in Mainz (7.200 monatliche Betrachter) postet seit einem guten Jahr Inhalte auf Pinterest – als eine der wenigen deutschsprachigen Tageszeitungen. Julia Lumma, Leiterin Content Development bei der VRM (ehemals Verlagsgruppe Rhein-Main): „Wir testen Pinterest, weil wir im Blick behalten wollen, welche Kanäle sich etablieren, und wie wir diese journalistisch nutzen können.“
Darum wird wöchentlich ein Thema ausgesucht, das zu Pinterest passen könnte. „Und darin liegt für uns als regionales Haus mit aktuellen News natürlich auch die Herausforderung: Wir haben überwiegend tagesaktuelle Themen“, sagt Julia Lumma. „Die sind aber für Pinterest nicht so geeignet.“ Stattdessen setze man darum auf die typischen Wochenendthemen – „beispielsweise Tiny Houses bei uns im Taunus oder Ratgeberstücke“.
Auch der Kölner Stadt-Anzeiger testet Pinterest
Auch der Kölner Stadt-Anzeiger (KStA) ist bei Pinterest aktiv – mit 173.100 monatlichen Betrachtern (Stand 24. Juli 2020). Themen der Pinnwände sind unter anderem: Garten, Ausflugsziele, Haushalt und Alltag. „Wir gehen davon aus, dass wir mit diesen zeitlosen Themen am ehesten Frauen zwischen 35 und 60 erreichen werden“, sagt Izabela Koza, Head of Premium Content Marketing & Audience beim Kölner Stadt-Anzeiger und der Kölnischen Rundschau. „Allerdings haben wir dazu noch keine genauen Zahlen, weil wir den Account erst seit einigen Wochen wieder regelmäßig bespielen“.
Ein bis drei Pins am Tag postet der Social Media Dienst derzeit auf der Plattform. Die Pins werden von der Grafikabteilung mit Photoshop erstellt.Ziel der Redaktion ist es, damit die eigene Marke zu stärken, aber auch das Abo-Modell KStA Plus bekannter zu machen. „Einige unserer Pins führen auf die kostenpflichtigen KStA-Plus-Artikel“, erklärt Izabela Koza. „Speziell diese Freizeit- und Gastro-Texte sind aufwändig recherchiert, und darum wollen wir ein größeres Bewusstsein dafür schaffen, dass sie auch bezahlt werden müssen“. Da ein Leser oder eine Leserin üblicherweise viermal an die Bezahlschranke kommen muss, bevor er oder sie ein Abo abschließt, kann Pinterest ein Beschleuniger für die Abonnenten-Gewinnung sein. „Ob das klappt, wird die Zukunft zeigen“, so Izabela Koza. „Wir wollen in zwei oder drei Monaten festlegen, wie wir mit Pinterest weitermachen werden./bb
Dieser Kasten ist eine Ergänzung gegenüber der Druckversion.
In der Antwort von RTL.de steckt übrigens trotz ihrer Kürze ein weiteres Argument, das dafür spricht, als deutschsprachiges Medium bei Pinterest aktiv zu werden – egal, ob man eine Zeitung macht, ein Magazin, Hörfunk und Fernsehen oder ein journalistisches Blog: Die Plattform ist für viele Webseitenbetreiber ein Trafficbringer, wenn man die hochgeladenen Bilder mit einem Link auf die eigene Homepage verbindet.
Die eigene Marke transportieren
Das sorgt nicht nur für höhere Klickraten, die für den Werbepreis relevant sind, sondern vor allem auch für größere Bekanntheit. Redaktionen, Agenturen und Freie können so ihre Marke transportieren. Wer für mehrere Redaktionen oder Medien arbeitet, kann beispielsweise sogenannte Zitatkacheln posten, die unter anderem auch auf Instagram Verwendung finden. Das griffige Zitat aus dem Text auf neutralem Hintergrund wird dann mit Kurzbeschreibung und Link zum Artikel gepostet. Ähnlich machen Redaktionen es ja auch bei Facebook oder Twitter. Während Facebook es aber nicht mag, dass Links die Nutzerinnen und Nutzer aus dem Netzwerk wegleiten, hat Pinterest im Hochlade-Formular eigens ein Feld für den jeweiligen externen Link eingerichtet.
Pinterest-Seminar beim DJV-NRW
Beim DJV-NRW gibt es ein Onlineseminar über Pinterest: Am Donnerstag, 20. August, gibt Bettina Blaß eine Einführung zu den Grundfunktionen. Neben den Suchmöglichkeiten zeigt sie vor allem, wie man eigene Inhalte dort auffindbar macht.
So stellen Pinterestmitglieder mit eigener Website häufig fest, dass über die visuelle Suchmaschine zumindest ähnlich viel Traffic auf die eigenen Seiten kommt wie durch Facebook. Der Arbeitsaufwand dafür ist aber deutlich geringer.
Das bestätigt beispielsweise auch Jan Henne, Redaktionsleiter von GEO digital (siehe Interview: „Wie GEO.de Pinterest einsetzt“). Auch beim MDR wird Pinterest als Trafficbringer wahrgenommen: „Pinterest ist eine für die Onlinearbeit und die Community-Betreuung des ‚MDR Garten‘ geeignete Plattform, da der größte Anteil der Verweise auf www.MDR-Garten.de auch schon von Pinterest kam, bevor wir selbst dort aktiv waren.“ Das heißt, Nutzerinnen und Nutzer hatten schon Links zu Seiten des MDR Garten bei Pinterest gespeichert, obwohl die Redaktion selbst dort noch gar kein Profil angelegt hatte. So tragen Fans dazu bei, Marke und Inhalte bekannter zu machen.
Digitaler Pionier
Das Digitalmagazin t3n bespielt Pinterest dagegen schon seit mehr als acht Jahren und kommt auf 891.200 monatliche Betrachter (Stand: 14. Juli 2020). tn3 versteht sich als digitaler Pionier: „Wir wollen unsere Leser dort erreichen, wo sie sind, also auch bei Pinterest“, sagt Community Manager Benjamin Rodgers. „Natürlich freuen wir uns auch, wenn wir uns dort eine neue Zielgruppe erschließen.“
Bisher postet die Redaktion auf der digitalen Pinnwand nur automatisiert Artikel aus ausgewählten Ressorts sowie einige Inhalte, die sie auch bei Instagram veröffentlicht. „Wir wollen uns für Pinterest eine neue Strategie überlegen“, erzählt Rodgers. „Allerdings binden die sozialen Netzwerke, auf denen wir erfolgreicher sind, schon sehr viele Ressourcen. Facebook ist bei uns unter den sozialen Medien mit zwölf Prozent der größte Trafficbringer.“
Dass Pinterest hinterherhinkt, mag auch mit den Themen von t3n zusammenhängen: Zwar steigen bei dem Netzwerk der Anteil der männlichen Nutzer und das Interesse an Technologiethemen, wie Pinterest selbst sagt (siehe Kasten oben „Pinterest in Zahlen“), aber noch laufen Pinwände zu „Garten“ oder „Reisen“ eben besser.
„Letztlich ist auch die Frage, wie sich die anderen Marktteilnehmer verhalten“, sagt Rodgers. „Würden mehr Medienhäuser Nachrichten oder eben Technologiethemen posten, würden die Nutzerinnen und Nutzer mehr dazu finden. So würden sie lernen, dass man auf Pinterest auch nach diesen Themen suchen kann. Bei Instagram beispielsweise hat dieser Wandel weg von nur schönen Bildern hin zu Nachrichten bereits stattgefunden. Es kann also sein, dass auch bei Pinterest ein Wandel ansteht“.
Der Workflow auf Pinterest
Fotos und Videos für Pinterest sollten Hochkantformat haben. Ein aussagekräftiger Titel stellt sicher, dass Nutzerinnen und Nutzer direkt wissen, ob das Suchergebnis zur gestellten Anfrage passt. Nach Anlegen eines Kontos und entsprechender Pinnwände ist der Zeitaufwand für einen einzelnen Post nicht mehr hoch, zumindest wenn Foto, Grafik oder Video bereits vorliegen: Mit einem Grafikprogramm (Photoshop, Canva o.ä.) den Titel drauflegen, hochladen und gleichzeitig eine kurze, aussagefähige Beschreibung und den Link eingeben und veröffentlichen.
Wie bei allen sozialen Medien ist es sinnvoll, regelmäßig zu posten. Natürlich hängt die Frequenz auch davon ab, ob in der Redaktion ein pinteresttaugliches Thema vorliegt. Denn wenn der „Pin“ keinen Link auf die eigene Website enthält, bringt er keinen messbaren Nutzen. Welche Themen für Pinterest geeignet sind, muss jede Redaktion für sich selbst herausfinden. Beispiele wie die New York Times oder t3n zeigen, dass journalistisch mehr möglich ist, als viele denken. Und Pinterest unterliegt wie alle sozialen Medien einer ständigen Veränderung. Das heißt: Was heute noch nicht der Pin-Star ist, kann es morgen durchaus werden.
Die Pressestelle des MDR schreibt über ihren Pinterest-Workflow: „Abhängig von aktuellen Themen posten Mitarbeitende der Redaktion, die sich in konkreten Schichten speziell um ‚MDR Garten‘-Inhalte kümmern, mehrmals wöchentlich auf Pinterest. Die inhaltliche Betreuung findet in der Telemedien-Redaktion von MDR Thüringen statt. Urheberrechtliche sowie lizenzrechtliche Aspekte werden innerhalb der geltenden Bestimmungen für Drittplattformen umgesetzt und ebenfalls von der Redaktion Telemedien verantwortet“.
Bei der Allgemeinen Zeitung in Mainz hat jede Woche jemand anderes die Pinterest-Verantwortung. „Bei uns werden keine speziellen Fotos für Pinterest gemacht“, sagt Julia Lumma. „Wir nehmen, was wir haben. Das ist oft auch eine Illustration, gerade bei den Ratgeberstücken.“ Mit Canva wird dann noch das Layout angepasst, schließlich lädt der oder die Verantwortliche das Bild mit einem kurzen Beschreibungstext und dem zugehörigen Link hoch – fertig./bb
Zum Weiterlesen
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Ein Beitrag aus JOURNAL 4/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, vorab veröffentlicht im Juli 2020.