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Pressefreiheit – alles andere als selbstverständlich

DJV-NRW zeigt Online-Podiumsdiskussion
5. Mai 2021, Mareike Weberink

Die Pressefreiheit in NRW, Deutschland und Europa war Thema einer virtuellen Podiumsdiskussion, die der DJV-NRW am Tag der Pressefreiheit, 3. Mai, über seine Kanäle verbreitet hat. Die Moderation übernahm Andrea Hansen, stellvertretende Landesvorsitzende des DJV-NRW, die mit drei sehr unterschiedlichen Gästen die lokale, bundesweite und globale Sicht auf die Bedrohung von Medienschaffenden und die Situation der Pressefreiheit beleuchtete.

Als Gesprächspartner waren Benjamin Piel, Chefredakteur des Mindener Tageblatts, Prof. Dr. Katja Artsiomenka, freie Journalistin und Hochschuldozentin, sowie der DJV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Frank Überall dabei, als es um 11.55 Uhr hieß: „Pressefreiheit – alles andere als selbstverständlich.“

Belarus & Türkei: „Sorgt dafür, dass wir nicht vergessen werden“

Prof. Dr. Katja Artsiomenka, freie Journalistin und Hochschuldozentin. | Foto: privat
Prof. Dr. Katja Artsiomenka, freie Journalistin und Hochschuldozentin. | Foto: privat

Wieviel Wahrheit im Titel der Veranstaltung liegt, weiß Prof. Dr. Katja Artsiomenka: „Wir haben die Lage, dass der Beruf Journalist praktisch verboten ist“, sagt die gebürtige Belarusin über ihr Heimatland. Ebenso ist die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. „Wenn Journalistinnen und Journalisten über nicht genehmigte Veranstaltungen berichten, dann landen sie im Gefängnis.“ Und dort werde viel getan, um die Inhaftierten von der Außenwelt fernzuhalten. „Es wäre toll“, so ihr Wunsch, „wenn die deutschen Kolleginnen und Kollegen weiter im Kontakt mit den ausländischen Kolleginnen und Kollegen bleiben. Wenn sie zusammen Kolumnen oder Texte produzieren“.

Frank Überall, Vorsitzender DJV
Prof. Dr. Frank Überall, DJV-Vorsitzender und freier Journalist. | Foto: Screenshot

Daran schließt sich auch der DJV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Frank Überall mit Erfahrungen aus der Türkei an. Einen Satz habe er dort immer wieder gehört: „Sorgt dafür, dass wir nicht vergessen werden“. Dieser Satz habe sich bei ihm eingebrannt.

Querdenker, AFD und eine Schaufensterpuppe

Doch die Sorge treibt Überall nicht nur um, wenn er ans Ausland denkt: „Die Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten haben sich hier in Deutschland verfünffacht“, zitiert er Reporter ohne Grenzen. „Wir beobachten bei rechtsextremen Demonstrationen schon seit Jahren, dass sich die Lage zuspitzt. Aber es wird jetzt, gerade in Corona-Zeiten, immer dramatischer.“

Auch Benjamin Piel, Chefredakteur des Mindener Tageblatts, kennt die Bewegung der Corona-Leugner: „Die Querdenker-Szene ist hier deutlich und laut vertreten, unterstützt durch einen AFD-Kreisverband, der dem radikalen Lager sehr zugetan ist“, skizziert Piel die Lage vor Ort. „Wir fühlen uns auf den Demonstrationen eigentlich sicher. Auch durch die Polizei hinreichend geschützt.“ Denn: „Wir sind in Minden ja ein bisschen heile Welt, und hier geht es im normalen Alltag auch nicht so ganz heftig zur Sache.“

Benjamin Piel, Chefredakteur des Mindener Tageblatts. | Foto: privat
Benjamin Piel, Chefredakteur des Mindener Tageblatts. | Foto: privat

Gleichwohl habe im vergangenen Jahr an einer Brücke eine symbolisch aufgeknüpfte Schaufensterpuppe mit einem Schild „Covid-Presse“ gehangen. „Da ist es uns schon allen kalt den Rücken heruntergelaufen“. Der Chefredakteur wirbt dafür, Medienbildung und Medienkompetenz viel stärker bereits in der Schule zu verankern mit Fragen wie „Warum kann es ohne freie Medien keine freie Demokratie geben?“

Prof. Dr. Katja Artsiomenka bekräftigt: „Pressefreiheit ist ein globales Phänomen. Je weniger Pressefreiheit es auf der Welt gibt, desto weniger gibt es auch in Deutschland. Wir müssen mehr und verstärkt auf die Welt schauen, sonst wissen die Menschen nicht, wofür Pressefreiheit gut ist.“

Pressefreiheit ist ein Grundrecht und nicht nur ein „Nice-to-have“

„Aus diesem Grund“, betont Frank Überall, „ist eine starke Solidargemeinschaft wichtig. So wie der DJV, der sich auf die Fahne schreibt, sich einzusetzen.“ Es brauche den „öffentlichen Diskurs über den Wert von Pressefreiheit und Journalismus“. Und noch eine konkrete Forderung hat der Bundesvorsitzende: „Wir brauchen auf internationaler Eben endlich eine verbindliche Beauftragte oder einen verbindlichen Beauftragten für Pressefreiheit bei den Vereinten Nationen. Um weltweit deutlich zu machen: Es geht hier um ein Grundrecht und nicht um ein ‚Nice-to-have‘.“

Zum Schluss der Diskussion äußerte Piel noch einen Wunsch für die Zukunft: mehr Solidarität vor Ort. „Ich würde mir wünschen, dass man da mehr aufsteht und als ganze Gesellschaft sagt: ‚Nein, das wollen wir nicht. Wir stellen uns dagegen.‘ Damit diese Menschen, die so etwas tun, auch klaren Gegenwind bekommen. Und man da gemeinsam aufsteht und ein Zeichen dagegensetzt.“

Wer die halbstündige Diskussion am Tag der Pressefreiheit verpasst hat: Unter diesem Link gibt es die gesamte Diskussion zum Thema „Pressefreiheit – alles andere als selbstverständlich“ noch einmal als Aufzeichnung.

Renate Schröder, Direktorin der European Federation of Journalists (EFJ), zum Tag der Pressefreiheit
Renate Schröder, Direktorin der European Federation of Journalists (EFJ), zum Tag der Pressefreiheit

Im Vorfeld hatte der DJV-NRW mit einer Aktionswoche auf den Tag der Pressefreiheit aufmerksam gemacht. Täglich machte sich dabei eine Fürsprecherin oder ein Fürsprecher in Wort und Bild für das Anliegen stark. Die Bandreichte reichte von Renate Schroeder, Direktorin European Federation of Journalists, über die freie Journalistin Marie Illner bis hin zu Chefredakteur Benjamin Piel und DJV-NRW-Justiziar Christian Weihe. Sämtliche Statements finden sich auf den DJV-NRW-Kanälen bei Facebook, Twitter, Instagram und LinkedIn.||

Eine Meldung aus JOURNAL 3/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, vorab veröffentlich im Mai 2021.