Die Räumung des kleinen Orts Lützerath war das Medienereignis im Januar. Schon vorab hatte sich angedeutet, dass Aktivistinnen und Aktivisten die Räumung verhindern wollten und dass viele Hundert Polizeikräfte im Einsatz sein würden. Vergleiche wurden zur Räumung des Hambacher Forsts 2018 gezogen, als Journalistinnen und Journalisten über eine Einschränkung ihrer Arbeit geklagt hatten.
Aus der Erfahrung im Hambacher Forst gelernt
Der DJV-NRW hatte sich deswegen in der Vergangenheit für eine bessere Kommunikation zwischen Einsatzkräften und Medienschaffenden bei Einsatzlagen stark gemacht, damit eine ungestörte Berichterstattung möglich ist. Der DJV-NRW-Podcast „Ohne Block und Bleistft“ thematisierte im Februar, ob die Kommunikation zwischen Polizei, Einsatzkräften und Medienschaffenden in Lützerath besser geklappt hat.
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Das Medieninteresse war jedenfalls hoch: Allein 904 Journalistinnen und Journalisten hatten sich akkreditiert, unter anderem, um den Shuttledienst der Polizei nutzen zu können, denn die Straßen nach Lützerath waren gesperrt. Die Akkreditierung war aber keine Voraussetzung, um berichten zu können, betont Thomas Hinz, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Aachener Polizei. Der Shuttleservice gehörte zum Medienkonzept, das die Polizei erstellt hatte – auch wegen der Erfahrungen aus dem Hambacher Forst. Zehn Pressesprecherinnen und -sprecher waren im Einsatz, Transparenz und Kommunikation über die Polizeiarbeit standen im Vordergrund.
Im Vergleich zum Hambacher Forst sei es diesmal viel koordinierter abgelaufen, bestätigt Henry Bischoff, der als freier Reporter für den WDR von beiden Räumungen berichtet hatte. 2018 seien Journalistinnen und Journalisten eigenständig in den Wald gekommen, das sei teils chaotisch gewesen. Zugleich hätten damals weiträumige Absperrungen die Berichterstattung erschwert. Beides habe in Lützerath besser geklappt Dennoch gab es im Netz Berichte über Einschränkungen der Pressefreiheit. Demnach seien Journalistinnen und
Journalisten daran gehindert worden, den öffentlichen Teil von Lützerath zu betreten, in einem Fall hätten Beamte die Löschung von Bildern verlangt. Hinz ist nach eigener Aussage über diese Vorfälle nichts bekannt. Ihm zufolge wurde lediglich bei polizeilichen Einsätzen kurzzeitig abgesperrt, zum Beispiel während der Räumung von Baumhäusern.
Angespanntere Situation am Samstag
Angespannter war die Situation bei der großen Demonstration am Samstag nach der Räumung. An diesem Tag hinderten Einsatzkräfte mehrere Hundert Demonstrierende daran, in den abgesperrten Ort zu gelangen. Aktivistinnen und Aktivisten berichteten zunächst von „ungehemmter Polizeigewalt“ während dieser Einsätze und von Schwerverletzten. Journalistische Recherchen konnten Letzeres aber nicht bestätigen. Nachträglich wurden diese Vorwürfe denn auch zurückgenommen. Gegen einzelne Beamte werde in diesem Zusammenhang dennoch ermittelt, erklärt Hinz.
Dass die Lage vor Ort unübersichtlich war, bestätigt Leopold Achilles, freier Fotograf und Journalist der Nordstadtblogger. Er hatte ohne Akkreditierung von der Demo berichtet und war erschrocken, wie konfrontativ sich sowohl Beamtinnen und Beamten als auch Aktivistinnen und Aktivisten verhielten. Klar ist: Beide Seiten hatten ein Interesse daran, dass die Öffentlichkeit möglichst ihre Sicht der Dinge übernimmt. Die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten ist es, in so einer aufgeladenen Situation möglichst neutral und wahrheitsgetreu zu berichten, darüber sind sich Bischoff und Achilles einig. Aus ihrer Sicht hat das Medienkonzept der Polizei dazu beigetragen, dass sie ihre Arbeit vor Ort machen konnten.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.