Seit Ende März hat Münster ein neues digitales Medienprojekt namens Rums. Das Ziel: kritischen und konstruktivem Lokaljournalismus liefern, und zwar in bisher eher unüblicher Form. Rums hat zwar eine Website, Kern des Projekts ist aber der Newsletter, über den Briefe und Kolumnen verschickt werden. Der ist derzeit noch kostenlos, ab September ist er nur noch im kostenpflichtigen Abo zu beziehen.
Hinter dem Projekt stecken interessante Köpfe: Katrin Jäger und Ralf Heimann für die Redaktion, die Kolumnen kommen etwa vom ehemaligen Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer, dem Ex-Bundestagsabgeordneten (CDU) Ruprecht Polenz und von Marina Weisband, ehemals Bundesgeschäftsführerin der Piraten-Partei. Insgesamt listet die Seite rums.ms sieben Frauen und acht Männer auf, die für das Projekt arbeiten und es weiterentwickeln sollen.
Den Start vorverlegt
Der Name ist keine Abkürzung, verrät Mitgründer und Rums-Redakteur Ralf Heimann in einem Brief vom 10. Juli. Und er erklärt, dass Rums ursprünglich im September starten sollte, wenige Wochen vor der Kommunalwahl. Und dann kam Corona. Nach dem ersten Impuls, die Planungen erst mal auf Eis zu legen, fiel die Entscheidung, sehr kurzfristig zu starten. Seit 28. März gehen mehrmals wöchentlich Briefe und Kolumnen über den Newsletter-Verteiler. Seit Mitte Juli kann man die Texte auch auf der Rums-Seite oder bei Spotify anhören.
Längerfristig will Rums auf der Website eigene Recherchen veröffentlichen. Erste thematische Schwerpunkte zu bestimmten Bauprojekten in Münster und der Frage nach Frauen in Führungspositionen sind schon angelegt. Entstehen soll auch eine Community, bei der die Leserinnen und Leser neben Feedback auch Themenideen an das Rums-Team zurückspielen können.
Antwort auf Vielfaltsverluste
Dass Rums gerade in Münster entstanden ist, liegt nicht nur am persönlichen Bezug der meisten Macherinnen und Macher. Das lokaljournalistische Projekt ist als Antwort auf die Entwicklungen der Branche mit ihren fortwährenden Vielfaltsverlusten zu sehen, und für diese soll es seit dem berüchtigten Redaktionstausch bei der Münsterschen Zeitung (MZ) eine hohe Sensibilität in der Stadtgesellschaft geben.
Am 19. Januar 2007 hatte der damalige MZ-Eigner, der Dortmunder Verleger Lambert Lensing- Wolff, die komplette Lokal- und Sportredaktion vor die Tür gesetzt und durch eine heimlich aufgebaute Mannschaft aus Jungredakteurinnen und -redakteuren ersetzt. Der Tabubruch, der seinerzeit bundesweit für negative Aufmerksamkeit sorgte, hat im Nachhinein betrachtet die Schleuse für Medienhäuser geöffnet.
Das „Billiger-Machen“ hat der kleineren der beiden lokalen Tageszeitungen wenig genützt: 2014 wurde die MZ vom Platzhirsch, der Unternehmensgruppe Aschendorff (Westfälische Nachrichten, auch Westfalen-Blatt, siehe auch „Corona als Feigenblatt“), übernommen und zur Zombie-Zeitung gemacht. Die Inhalte von MZ und WN sind seitdem im Wesentlichen identisch.
Vielleicht schafft Rums, was einigen der digitalen Vorgängerprojekte nicht gelungen ist: eine dauerhafte journalistische Stimme in Münster werden. Und vielleicht entwickelt es Strahlkraft über die Stadt hinaus und zeigt, wie community-basierter Lokaljournalismus der Zukunft funktionieren kann und finanzierbar ist.||
Eine Meldung aus JOURNAL 4/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im August 2020.