Die Gralshüter (m/w/d) der Demokratie werden in die Wüste geschickt. Unser Gewerkschaftstag findet demnächst in Riad statt. Nach Fußball, Golf, Formel 1 und Tennis holen die Scheichs jetzt wohl auch die journalistischen Top-Events nach Saudi-Arabien. Ein Emirates-Charter-Flieger sollte da reichen. Für die Frauen in der Gewerkschaft werden todschicke Kopftücher in orange vorbereitet, ab 21 dürfen sie sogar alleine reisen. Die Männer müssen sich alle einen Bart stehen lassen.
Wir sahen Klaus mit großen Augen an. Erstaunlich, wie detailliert manche ihre Prognosen vorherträumen. Längst zweifelten wir allerdings an den Seher-Fähigkeiten unseres selbsternannten Branchenexperten. Klaus hatte zuletzt ja auch geweissagt, dass Künstliche Intelligenz keine Probleme machen wird. Von wegen! Erst klaut sie unsere Inhalte, dann unsere Jobs. Und wenn man die KI ein Interview „machen“ lässt, kostet es auch schon mal 200.000 Euro Schmerzensgeld.
Davor hatte Klaus behauptet, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihre Freien künftig besser behandeln („weil es ohne sie doch gar nicht geht“) – das stimmt zwar, hat sich aber leider bei den Bossen noch nicht herumgesprochen. Klaus orakelte auch, dass die Medienförderung des Bundes tatsächlich in die Zukunft des Journalismus fließt (und nicht etwa auf die Vertriebskonten der Verleger). Eine seiner Visionen war außerdem, dass Lokales wieder total wertgeschätzt wird. Jepp, Klaus, man sieht‘s. Vor allem gerade beim Lokalfunk.
Der Experte hatte uns kürzlich sogar einreden wollen, dass die Seuche Tarifflucht von allein aufhört. Weil sich die Medien-Arbeitgeber damit nachweislich selbst schaden. Pustekuchen, immer mehr lassen sich infizieren! Was sie damit anrichten, scheint den vielen Herr- und wenigen Frauschaften piepegal. Sie haben Rendite im Blick, nicht Redaktionen. Abbau und Missachtung, mancher Verlag dringt dabei inzwischen in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor für möglich gehalten hat.
Nun diese sandige Sache mit Riad. Obwohl… was Geld alles möglich macht, wenn es der eine hat und der andere es braucht. Und ob Riad oder Rheinland – spielt das wirklich eine Rolle? Noch mehr spart, wer in der endlosen Web-Wüste tagt. Okay, man sieht sich nicht leibhaftig. Was schade ist. Allerdings entzieht man sich so auch Leuten, die man nicht riechen kann. Gibt stets zwei Seiten.
Klaus blies den Schaum vom Bier. Ihn überfiel wohl gerade die nächste Zukunftsvision. Wir wappneten uns. Es kann nämlich auch alles anders kommen. Wenn man denkt.
Ein Beitrag aus JOURNAL 2/24, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2024.