Symbolbild: Spielzeug-Windmühlen
Als Freie Eltern werden? Das will genau geplant sein. | Foto: txt
 
FREIE |

Wenn Freie Eltern werden

Auch Selbstständige bekommen Elterngeld – aber einfach ist anders
5. Juni 2020, Daniela Lukaßen-Held

Zwei blaue Striche. Zwei blaue Striche reichen schon mal aus, um alles, was vorher normal war, auf den Kopf zu stellen. Das sorgt nicht nur für Freude, sondern auch für Unsicherheit. Denn ab sofort wird es eine Zeit vor dem positiven Schwangerschaftstest geben – und eine danach.

Und während man völlig enthusiastisch ist, die Nachricht am liebsten einmal per Twitter in die Welt posaunen möchte, lange noch, bevor der Ultraschall zeigt, dass da wirklich ein kleines Herz schlägt, beginnt die Denkmaschinerie zu rattern. Denn neben der Frage, ob Wände klischeemäßig rosa oder hellblau gestrichen werden sollen und wo eigentlich der Schreibtisch hinkommt, wenn das Arbeitszimmer zum Kinderzimmer wird, muss es ja auch beruflich weitergehen. Schließlich gilt es, demnächst drei Existenzen zu sichern.

Große Herausforderungen für Freie

Für meinen Mann und mich, beide freie Journalisten, heißt das zunächst: lesen, nachfragen, recherchieren. Einmal nicht für einen Artikel, sondern, um durchzublicken bei Elterngeld und Co. Aha-Erlebnisse wechseln sich in Windeseile mit „Das-kann-doch-nicht-sein“-Erkenntnissen ab, und ganz schnell wird uns klar: Das Thema stellt Freie vor enorme Herausforderungen. Denn während Festangestellte sich für bis zu drei Jahre von ihrer Arbeit freistellen lassen können, birgt die berufliche Auszeit für Freiberuflerinnen und Freiberufler immer auch ein Risiko. Freie, die sich drei Jahre rarmachen, verlieren vielleicht den Kundenstamm, den sie mühevoll aufgebaut haben.

Also ist unsere Überlegung: Zunächst bekomme ich Mutterschaftsgeld und dann wechseln wir uns ab mit dem Bezug von Elterngeld (zur Begriffsklärung siehe Kasten „Was ist was – von Elterngeld bis Partnermonate“). Die ersten drei Monate möchte ich pausieren, dann ist mein Mann an der Reihe. So kann jeder von uns mit kürzeren Pausen weiterhin für die jeweiligen Kunden tätig sein.

Was ist was – von Basiselterngeld bis Partnerschaftsbonusmonate

Elterngeld gibt es für Eltern von Säuglingen und Kleinkindern. Es soll die finanzielle Lebensgrundlage der Familie sichern, falls die Eltern nach der Geburt zeitweise weniger oder gar nicht arbeiten.

Basiselterngeld wird für bis zu zwölf Monate (= Lebensmonate des Kindes) gezahlt. Wenn beide Partner Elterngeld beantragen und mindestens einer von ihnen nach der Geburt weniger Einkommen hat als davor, sogar für bis zu 14 Monate. Die zwei zusätzlichen Monate nennt man Partnermonate. Die Eltern können die 14 Monate frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen. Die Partnermonate stehen auch Alleinerziehenden zu, die damit insgesamt bis zu 14 Monate Elterngeld beziehen können.

• Beim Elterngeld Plus beziehen die Eltern die (monatlich halb so hohe) Unterstützung doppelt so lange wie beim Basiselterngeld: Eltern können sich also entscheiden, anstelle eines Lebensmonats mit Basiselterngeld zwei Lebensmonate mit Elterngeld Plus zu beziehen. Bei den Partnerschaftsbonusmonaten handelt es sich um vier Bonusmonate, die beide Elternteile gleichzeitig nehmen müssen und dabei eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 25 bis 30 Stunden leisten müssen. Es werden die Kriterien für das Elterngeld Plus zugrunde gelegt.

Mutterschaftsgeld ist eine Leistung der Krankenkasse. Es wird für die Mutterschutzfristen und für den Entbindungstag geleistet. Freiberuflerinnen, die eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen haben, haben während der Mutterschutzfristen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Krankentagegelds, wenn sie in dieser Zeit nicht oder nur sehr eingeschränkt beruflich tätig sind.

Aber so einfach, wie wir es uns vorstellen, ist es nicht. Als ich irgendwann die Ablehnung einer Kostenübernahme für eine Impfung unseres Sohnes erhalte, erfahre ich: Ich bin nicht mehr krankenversichert und mein Kind damit auch nicht. Irgendwo ist meine Meldung, dass ich nach drei Monaten Elterngeldbezug nun wieder zwei Monate lang arbeite, hängen geblieben.

Wer Elterngeld Plus bezieht, kann und soll arbeiten, muss aber die Arbeitsstunden nachweisen. |Foto: Daniel Held
Wer Elterngeld Plus bezieht, kann und soll arbeiten, muss aber die Arbeitsstunden nachweisen. | Foto: Daniel Held

Etliche Schreiben, blanke Nerven und Telefonate später wird klar, wo das Problem liegt, und ich werde rückwirkend krankenversichert. Ein Sachbearbeiter hatte meine Mitteilung schlicht an falscher Stelle abgeheftet.

Nach dieser Erfahrung legen wir den ursprünglichen Plan auf Eis, und ich beziehe die meiste Zeit über Basiselterngeld. Danach, unser Sohn hat gerade seinen ersten Geburtstag gefeiert, teilen mein Mann und ich uns die sogenannten Partnerschaftsbonusmonate. Im Anschluss bekomme ich noch zwei Monate lang Elterngeld Plus.

Mutterschaftsgeld nur in Verbindung mit Krankentagegeld

Aber was bedeutet das konkret? Welches Modell ist für wen sinnvoll, und wer hat überhaupt welche Ansprüche?

Zunächst gilt: Anders als bei einer Festangestellten, die in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld hat, ist das bei Freiberuflerinnen nicht automatisch der Fall. Wer Pech hat, geht leer aus. Zumindest in den sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. In den acht Wochen nach der Geburt greift dann das Elterngeld.

Im konkreten Fall bedeutet das: Eine freie Journalistin hat etwa dann Anspruch auf Mutterschaftsgeld, wenn sie bei ihrer Krankenkasse einen Tarif abgeschlossen hat, in dem auch Krankentagegeld mitversichert ist. Im Zweifel lohnt es sich hier, bei der Krankenkasse direkt nachzufragen.

Auswahl zwischen verschiedenen Modellen

Wie es dann weitergeht, ob mit Basiselterngeld, Elterngeld Plus oder Partnerschaftsbonusmonaten (siehe Kasten oben), ist größtenteils eine Abwägungssache. Der Bemessungszeitraum für die Berechnung des Elterngelds ist bei Selbstständigen immer das abgeschlossene Wirtschaftsjahr, also in der Regel das Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes. Kommt der Nachwuchs am 10. Dezember 2020 zur Welt, zählt also, was Vater oder Mutter jeweils im gesamten Jahr 2019 verdient haben. Allerdings besteht unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, ein abweichendes Wirtschaftsjahr festzulegen. Das gilt, wenn man nachweisen kann, dass man im maßgeblichen Bemessungszeitraum krank war und daher weniger verdient hat, oder wenn man bereits ein älteres Kind hat.

Im Regelfall legt die Elterngeldstelle anhand des Einkommenssteuerbescheids aus dem (Kalender-)Vorjahr die Höhe des Elterngelds fest: 65 Prozent des entfallenden Nettoeinkommens. Das Nettoeinkommen berechnet sich dabei aus dem Gewinn abzüglich Steuern. Liegt der Steuerbescheid noch nicht vor, wird zunächst geschätzt und im Nachhinein korrigiert.

Beim Basiselterngeld beziehen Mutter oder Vater das Elterngeld in voller Höhe. Sie bekommen mindestens 300 Euro und maximal 1.800 Euro pro Monat. Basiselterngeld kann für zwei bis maximal 14 Lebensmonate des Kindes bezogen werden. Dabei kann ein Elternteil zwei bis maximal zwölf Monate Elterngeld beziehen. Kümmern sich beide Elternteile, erhöht sich der Anspruch auf insgesamt 14 Monate. Wie Mütter und Väter diese aufteilen, bleibt ihnen überlassen. Zwei Monate sind dabei allerdings mindestens vom zweiten Elternteil zu nehmen. Ein Einkommen darf in dieser Zeit nicht anfallen. Dieses würde angerechnet und das Elterngeld so entsprechend gekürzt.

Die Geldeingänge steuern

Bezahlen Kunden die Rechnungen erst, wenn schon Elterngeld bezogen wird, gilt leider das Zuflussprinzip. Das bedeutet, der Gewinn wird auf das Elterngeld angerechnet – unabhängig davon, ob die Leistung vor dem Bezug des Elterngelds stattgefunden hat. „Da muss man genau aufpassen“, rät Stefanie Lehnes. Sie ist Unternehmensberaterin und hat sich auf Elterngeldstrategien und Elternzeitplanungen für Selbstständige spezialisiert. Ihr Tipp ist es, mit Kunden bzw. Redaktionen zu kommunizieren und sie „zu bitten, sehr schnell zu bezahlen und so die Zahlungseingänge zu planen. Außerdem hat man ja auch die Möglichkeit, den Elterngeldbezug zwischendrin zu pausieren und entsprechend in dieser Zeit die Rechnung zu schicken.“ Dabei ist die Flexibilität je nach Unternehmen oder Medienhaus sicher unterschiedlich. Wer es sich finanziell leisten kann, kann alternativ auch daran denken, die Rechnungen erst zu stellen, wenn man kein Elterngeld mehr bezieht.

Auch für meinen Mann und mich heißt es: genau planen. Obwohl ich im Januar und Februar arbeite, weil ich in dieser Zeit offiziell meinen Elterngeldbezug pausiere, muss ich schon einige Wochen vorher wieder aufhören zu arbeiten, damit ich meine Rechnungen stellen kann und die Kunden Zeit haben, sie zu bezahlen, bevor ich wieder Elterngeld beziehe. Oder ich muss warten, bis der Elterngeldbezugszeitraum vorbei ist, um mir das Honorar dann überweisen zu lassen.

Ein wenig anders sieht es aus, wenn man Elterngeld Plus bezieht. Dabei wird Eltern monatlich die Hälfte des zustehenden Betrags ausgezahlt und zwar über den doppelten Zeitraum. Nebenbei arbeiten ist erlaubt und gewollt. Das gleiche gilt für die vier Partnerschaftsbonusmonate, die Eltern beantragen können, wenn sie sich beide zeitgleich um die Betreuung des Kindes kümmern wollen. Während des Bezugszeitraums dürfen Eltern ihrem Beruf 25 bis 30 Wochenstunden nachgehen. Aber wie weise ich das als freie Journalistin nach? Denn ich rechne nicht nach Stunden, sondern nach Artikeln ab.

Stefanie Lehnes rät: „Ich persönlich würde es so machen, dass ich mir genau aufschreibe, wie viele Stunden ich für einen Artikel gebraucht habe. In der Regel reicht das aus. Und wer sich unsicher ist und den Partnerschaftsbonus beantragen möchte, sollte bei der Elterngeldstelle konkret nachfragen, wie diese Stunden nachgewiesen werden müssen.“

Notfalls entsteht das Konzept am Sandkasten.| Foto: Daniel Held
Notfalls entsteht das Konzept am Sandkasten.| Foto: Daniel Held

Gute Planung ist für Freie extrem wichtig

Für Freie gilt es also, nichts dem Zufall zu überlassen und gut zu planen. Denn anders als bei Festangestellten, bei denen vieles schon vorgegeben ist und beinahe automatisch anläuft, müssen Freie am Ball bleiben und sich um alle Einzelheiten kümmern.

Ist das ein Nachteil? Haben Soloselbstständige also das Nachsehen, wenn es um das Thema Elterngeld geht? „Ich glaube, dass Soloselbstständige immer so ein bisschen unter dem Radar fliegen“, sagt Lehnes. „Es gibt viele Beispiele dafür, dass Einzelunternehmer vom Gesetzgeber nicht richtig gesehen und gehört werden. Es gibt hier aber immer zwei Betrachtungsweisen. Man braucht einen guten Durchblick, um das Elterngeld perfekt für sich auszurichten und eine Strategie zu entwickeln, wie man sein Unternehmen durch diese Babypause bringen kann. Auf der anderen Seite kann ein Unternehmer sein Einkommen vor dem Elterngeldbezugszeitraum mitsteuern. Und diese Flexibilität hat ein Angestellter in der Regel nicht. Da ist klar vorgegeben, was er verdient. Also hat alles Vor- und Nachteile.“

Wir jedenfalls sind inzwischen zu echten Elterngeld-Experten geworden. Längst schon sind die blauen Striche auf dem Schwangerschaftstest verblasst. Das Konzept für den einen oder anderen Artikel entwickle ich mit dem Laptop auf dem Schoß am Sandkastenrand. Wir haben in den vergangenen eineinhalb Jahren eine Menge gelernt. Dazu gehört, dass gute Kundenkontakte Gold wert sind, um nicht nach der Babypause wieder bei null anfangen zu müssen, dass es gar nicht so einfach ist, das richtige Elterngeldmodell zu finden, und dass trockener Sand offensichtlich besser schmeckt als nasser. Aber das spielt für das Elterngeld zum Glück keine Rolle.||

Elterngeld: Sonderregelung in der Coronakrise

Wegen der Corona-Pandemie können viele Eltern die Voraussetzungen für den Bezug des Elterngelds nicht mehr einhalten. Deswegen will das Familienministerium die Regelungen für betroffene Familien zeitlich befristet anpassen. So soll verhindert werden, dass Eltern aufgrund der Coronakrise finanzielle Nachteile beim Elterngeld haben. Die Regelungen sollen rückwirkend ab 1. März 2020 und bis 31. Dezember 2020 gelten.

Danach sollen Eltern, die in sogenannten systemrelevanten Branchen und Berufen arbeiten, ihre Elterngeldmonate aufschieben können. Eltern, die die Elterngeldvariante Partnerschaftsbonus nutzen, sollen ihren Anspruch nicht verlieren, wenn sie aufgrund der Coronakrise mehr oder weniger arbeiten als geplant.

Während des Bezugs von Elterngeld sollen Einkommensersatzleistungen, die Eltern aufgrund der Coronakrise erhalten, die Höhe des Elterngelds nicht reduzieren. Zusätzlich wird eine Regelung eingeführt, nach der Monate mit Einkommenseinbußen aufgrund der Coronakrise bei der Bemessung des Elterngelds ausgeklammert werden.

Der Bundestag hat die Reform am 7. Mai verabschiedet. Nun muss der Bundesrat Ausnahmeregelungen noch zustimmen.

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2020.