Bei den meisten Abstimmungen herrschte Einigkeit. | Foto: Arne Pöhnert
Bei den meisten Abstimmungen herrschte Einigkeit. | Foto: Arne Pöhnert
 
Gewerkschaftstag

Wieder in der Spur

Der DJV-NRW traf sich am 21. April zum Gewerkschaftstag in Köln
13. Juni 2018, Corinna Blümel

Eine Fotoaktion für den Wert des Journalismus, die Tarifverhandlungen, die aktuellen Verwerfungen beim WDR, ein eigener Verhaltenskodex und der Beschluss über eine Beitragserhöhung zum 1. Oktober 2018: Der Gewerkschaftstag des DJV-NRW 2018 am 21. April in Köln war inhaltlich sehr viel voller, als es das ursprünglich schlanke Antragspaket erwarten ließ. Und es dauerte länger, als viele der rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer es sich bei dem strahlenden Frühsommerwetter erhofft hatten. „Immerhin Tageslicht“, tröstete sich mancher, der den hellen Saal des Kölner Hotels betrat.

Landesvorsitzender Frank Stach bei seiner Eröffnungsrede. | Foto: Arne Pöhnert
Landesvorsitzender Frank Stach bei seiner Eröffnungsrede. | Foto: Arne Pöhnert

Nach dem Gewerkschaftstag des vergangenen Jahres, der von der Affäre um den ehemaligen Geschäftsführer geprägt war, stellte die Versammlung in diesem Jahr eine Rückkehr zum Alltagsgeschäft dar. „Wir sind wieder in der Spur“, erklärte der Landesvorsitzende Frank Stach in seiner Eröffnungsrede und bedauerte, dass die juristische Aufarbeitung noch auf sich warten lässt, obwohl der Landesverband sein Wissen um die betrügerischen Vorwürfe sofort an die Staatsanwaltschaft weitergegeben und ein Strafverfahren in die Wege geleitet hatte.

Das Umsetzen verbandsinterner Beschlüsse ging zügiger. „Vor Betrug ist man nie gefeit, aber wir haben jetzt Strukturen eingezogen, die das aufs Äußerste erschweren“, sagte Stach und zählte auf, was der DJV-NRW seit dem zurückliegenden Gewerkschaftstag auftragsgemäß getan hat: einen neuen Geschäftsführer angestellt, die Doppelspitze eingeführt, das Rechnungswesen angepasst. Dass der Landesverband alles so schnell hingekriegt habe, sei möglich, „weil wir im Landesvorstand, mit allen in der Geschäftsstelle und vielen einzelnen im Verband im Team arbeiten“, erklärte Stach.

WDR in der Krise

Um Aufarbeitung anderer Art ging es im weiteren Verlauf der Eröffnungsrede, als der Landesvorsitzende klare Worte zu den Fällen von Belästigung beim WDR fand (siehe dazu auch Beitrag „Nicht lockerlassen“): Der WDR sei in einer Legitimationskrise, die viel mit „offenkundigem Machtmissbrauch, mangelnder Demut und auch Nichtstun in der Vergangenheit“ zu tun habe. Das liege auch daran, dass sich der WDR aktuell in der Aufarbeitung schlecht aufgestellt zeige. Festzumachen sei dies unter anderem daran, dass es bis zu diesem Samstag im April keine öffentliche, unmissverständliche Entschuldigung des Intendanten Tom Buhrow an die betroffenen Frauen gegeben habe. Stach mahnte, direkt an Buhrow sowie an die Direktorinnen und Direktoren gerichtet: Verantwortung zu haben heiße „nicht nur, das entsprechende Einkommen zu beziehen, es heißt auch, Verantwortung tatsächlich zu übernehmen“. Der Landesvorsitzende warnte aber auch, dass Verantwortliche aus anderen Medienbetrieben nicht hämisch auf den WDR zeigen sollten. „Ich habe die starke Ahnung, dass der WDR branchenweit ein Fall von vielen ist.“

Das Thema tauchte in der Antragsberatung noch einmal auf: In einer einstimmig verabschiedeten Resolution forderte der Gewerkschaftstag des DJV-NRW den WDR auf, Strukturen zu schaffen, die künftig eine konsequente Aufklärung, Ahndung und Verhinderung solcher Fälle ermöglichen. Zudem solle der WDR anstehende Personalentscheidungen auf Führungsebene aussetzen, bis sämtliche Vorwürfe geklärt sind.

Vielfaltspakt für Medien

In seiner Eröffnungsrede benannte Stach weitere Themen, die den DJV-NRW aktuell umtreiben. So mahnte er mit Blick auf die Landesregierung, die seit einem Jahr im Amt ist, eine aktivere Medienpolitik für NRW an. Eine der Aufgaben sei die Förderung von Journalismus im ländlichen Raum: „Wir brauchen einen Vielfaltspakt für Medien“.

Die Zeitungsverleger mahnte Stach mit Blick auf die laufende Tarifrunde, Journalistinnen und Journalisten wollten nicht nur als Kostenfaktor oder „human resources“ gesehen werden, sie erwarteten die Anerkennung ihrer Leistung durch die Arbeitgeber. „Ich rate den Verlegern und Managern, mal wieder in die ‚Niederungen‘ der eigenen Redaktionen hinabzusteigen. Dann sehen sie, was das heißt: Arbeitsverdichtung. Und kommen schnell dahinter, was wir wollen: Wertschätzung für unsere kreative Arbeit – und zwar mit Betonung auf der Silbe Wert“, sagte Stach.

„Journalismus nicht entwerten!“: Mit der Fotoaktion warb der Gewerkschaftstag für mehr Wertschätzung | Foto: Arne Pöhnert
„Journalismus nicht entwerten!“: Mit der Fotoaktion warb der Gewerkschaftstag für mehr Wertschätzung | Foto: Arne Pöhnert

Botschaft an die Zeitungsverleger

Diese Botschaft verstärkte der Gewerkschaftstag später am Tag mit einer Resolution: Die Tageszeitungsverleger sollten in den laufenden Tarifverhandlungen endlich ihrer Verantwortung für die festen und freien Journalistinnen und Journalisten in den Redaktionen bewusst werden und der angemessenen Forderung von 4,5 Prozent entsprechen, heißt es darin.

Nicht nur als Signal für die Tarifverhandlungen, sondern für die ganze Branche wollte der DJV-NRW seine Fotoaktion verstanden wissen: Auf einer Wiese am Veranstaltungsort formten die Mitglieder mit großen Lettern das Motto: „Journalismus nicht entwerten!“ So wollten sie verdeutlichen, dass Medienschaffende für ihre Arbeit Zeit, Raum und eine angemessene Bezahlung brauchen, damit professioneller Journalismus seine Rolle für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft spielen kann. Die stete Abwärtsbewegung bei den Arbeitsbedingungen, sei es für Feste oder Freie, seien es Wort- oder Bildjournalisten bei Print- oder Onlinemedien sowie beim Rundfunk, gefährden den Berufsstand und die Funktion der vierten Gewalt.

Zum Thema Verbandsfinanzen sprach Frank Stach ausführlich und direkt in doppelter Rolle: Zunächst ging es in seiner Eröffnungsrede um das strukturelle Defizit, das der Landesverband seit einer Weile mit sich herumschleppt. Dann vertrat er den Schatzmeister Pascal Hesse, der sich kurzfristig hatte entschuldigen lassen, bei der Vorstellung des Etats. Stach machte deutlich, dass sparsames Haushalten und einige Sondereffekte zwar dafür gesorgt hatten, das zurückliegende Haushaltsjahr unter dem Strich mit einem kleinen Plus abzuschließen (siehe dazu auch Beileger JOURNAL 2/18), dass die Einnahmen aber trotzdem dringend gesteigert werden müssten. Denn Sondereffekte sind eben Sondereffekte, die sich nicht beliebig wiederholen lassen, und beim Sparen hat der Landesverband inzwischen auch ausgeschöpft, was möglich war.

Mitgliederwerbung und Marketing

„Ohne echte Einnahmezuwächse müssten wir an die Leistungen gehen“, machte Stach deutlich und fügte hinzu: „Weniger Angebote und weniger Leistungen – das würde uns in eine Abwärtsspirale führen.“ Der Landesverband wolle bewusst nicht diesen Weg gehen, sondern statt dessen in Marketing und Mitgliederwerbung investieren, mit guter Rechtsberatung, guten Angeboten und Leistungen Mitglieder binden und neue gewinnen.

Der DJV-NRW hat es sich nicht leicht gemacht, eine neue Beitragsstruktur aufzustellen – mit einer neuen oberen Beitragsstaffel. Mitglieder mit einem Einkommen von mehr 3.600 Euro zahlen künftig 36 Euro im Monat. Wer weniger verdient, kann den Beitrag mit entsprechenden Nachweisen reduzieren (siehe Kasten „Beitrag reduzieren – So geht’s“ im Beitrag „Es wird teurer – und es bleibt gut“). Vor allem diese oberste Beitragsstaffel sowie die Anhebung der Beiträge für Studierende machten einigen im Plenum Bauchschmerzen, wie die ausführliche Diskussion zeigte. Nach einer lebhaften Debatte ließen die meisten sich überzeugen, dem Antrag zuzustimmen – bei vier Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Ehe die Erhöhung zum 1. Oktober in Kraft tritt, wird der DJV-NRW seine Mitglieder über die neuen Beitragssätze informieren.

Kurze Absprache zwischen dem Präsidium (vorne l.) und der Geschäftsführung sowie Teilen des Vorstands. | Foto: Arne Pöhnert
Kurze Absprache zwischen dem Präsidium (vorne l.) und der Geschäftsführung sowie Teilen des Vorstands. | Foto: Arne Pöhnert

Als Zeichen für mehr Transparenz in den eigenen Reihen hat sich der DJV-NRW einen Verhaltenskodex gegeben. In ihm sind verschiedene bestehende Regelungen zusammengeführt, etwa der Verweis auf den Pressekodex und den FAIRhaltenskodex, den der DJV vor einigen Jahren für das Miteinander von Festen und Freien aufgestellt hatte. Außerdem definiert der neue Verhaltenskodex unter anderem, wie Diskriminierungsfreiheit herzustellen ist und wie der Verband mit möglichen Interessenkonflikten umgehen will. Der Kodex soll in den kommenden Jahren fortlaufend weiterentwickelt werden.

Beschäftigt hat sich der Gewerkschaftstag natürlich auch mit den Entwicklungen der Branche. So forderte er öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und Privatsender dazu auf, ihre Digitalisierungsstrategie zu überprüfen und mit ihren Belegschaften umgehend Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen abzuschließen, welche die Rechte der in Social Media tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in besonderer Weise schützen. Das Engagement in sozialen Netzwerken dürfe zudem nicht zulasten der Verbreitung auf eigenen Plattformen und Kanälen geschehen.

In weiteren Anträgen sprachen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gewerkschaftstags unter anderem dafür aus, das Programm „Mitglieder werben Mitglieder“ wieder neu zu beleben und bei Veranstaltungen des DJV-NRW verstärkt auf gleichberechtigte Teilhabe und größtmögliche Barrierefreiheit zu achten.

Wahlen als Geduldsprobe

Die Anwesenden wählten zudem die Delegierten für den Verbandstag im November in Dresden und bestimmten turnusgemäß die Fachausschuss-Mitglieder für die kommenden zwei Jahre. Dass Letzteres länger dauerte als geplant, lag nicht am Team der Geschäftsstelle, das den Gewerkschaftstag in gewohnt professioneller Weise organisiert hatte und auch am Tag selbst für reibungslose Abläufe sorgte. Nur ein defekten Kopierer im Tagungsbüro ließ den Betrieb zeitweilig haken. Vor allem die Geschäftsordnung für die Fachausschüsse machte die Wahlen zur Geduldsprobe: Das Regelwerk sieht vor, dass Kandidaturen noch am selben Tag möglich sind. Anders als für die Delegiertenwahlen können für die Fachausschüsse deswegen keine schriftlichen Wahllisten zur Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten vorab erstellt werden. Eine persönliche Vorstellung kostet allerdings Zeit und würde den Rahmen gänzlich sprengen, wenn es für die neun Fachausschüsse jeweils mehr Bewerber gibt, als die maximal neun Mitglieder.

Die stellvertretende Landesvorsitzende Andrea Hansen bei der Vorstellung zu den Fachausschuss-Wahlen. | Foto: Arne Pöhnert
Die stellvertretende Landesvorsitzende Andrea Hansen bei der Vorstellung zu den Fachausschuss-Wahlen. | Foto: Arne Pöhnert

Zwar waren es in diesem Jahr deutlich weniger Kandidaturen , trotzdem zog sich das Verfahren hin. Zugleich lief der gute Gedanke der persönlichen Vorstellung ins Leere, weil ein guter Teil der Kandidierenden aus beruflichen oder anderen Gründen nicht vor Ort war. Sie wurden von den Fachausschuss-Vorsitzenden schlicht mit Namen und Funktion benannt. Dass es zu einem abwesenden Kandidaten wegen seiner AfD-Mitgliedschaft dann noch inhaltliche Fragen gab, erschwerte die Situation.

Fachausschüsse

Der Gewerkschaftstag 2018 wählte turnusgemäß die Mitglieder der Landes- und Bundes-Fachausschüsse neu. Hier die Ergebnisse:

Betriebs-/Personalräte
Lars Becker, Klaus Daub, Ludwig Jovanovic, Stefan Lenz, Barbara Merten-Kemper,  Rudi Pistilli, Jürgen Primus, Jost Wolf

Bildjournalisten
Wolfgang Birkenstock, Bertold Fernkorn, Roland Scheidemann, Jörg Wendland

Freie Journalisten
Anja Cord, Marc Alexander Endres, Andrea Groß, Andrea Hansen, Vivien Leue-Peltzer, Daniela Lukaßen-Held, E.-Friedbert Raulf, Thomas Schwarz

Junge Journalisten
Svanja Broders, Fabian Felder, Marie Illner, Maren Letterhaus, Nicolas Parman, Arne Pöhnert, Jens Steinmann, Oskar Vitlif

Online
Kai Heddergott, Bodo Klein, Ute Korinth, Harriet Langanke, Bernd Schmidt, Uwe C. Schoop, Stanley Vitte

Presse- und ÖA
Joachim Frielingsdorf, Lena Heimers, Karin Hendrysiak, Frank Kopatschek, Svenja Küchmeister, Daniel Rustemeyer

Rundfunk
Christian Bannier, Dorothee Blome-Müller, Stephanie Funk-Hajdamowicz, Bert Grickschat, Ute Jessel-Rückheim, Thomas Münten, Daniel Scheschkewitz, Thomas Schwarz

Tageszeitungen
Inge Ansahl, Andreas Drees, Nina Estermann, Klaus Peter Kühn, Martin Pyplatz,  Kristian van Bentem

Zeitschriften
Michael Bollschweiler,  Katrin Breitenborn,  Lothar Hausmann,  E.-Friedbert Raulf,  Dieter Reinmuth, Christina von Wrede-Raback

Wir müssen „organisatorisch einiges ändern. Das betrifft ganz besonders die Wahlen zu den Fachausschüssen“, zog der Landesvorsitzende Bilanz zum späten Abschluss des Tages. Eine Erkenntnis, die wohl die meisten Gewerkschaftstagsteilnehmer unterstützen. Von vielen hörte man im Laufe des Tages oder im Nachhinein weitere Wünsche, darunter die oft geäußerte Erwartung, dass es wieder zur Regel für Kandidierende werden sollte, dass sie am Gewerkschaftstag teilnehmen. Und: So wichtig die beiden nach innen gerichteten Themen Beiträge und Verhaltenskodex gewesen seien – für das nächste Jahr sollten die Anträge doch wieder stärker die Themen und Aufgaben spiegeln, mit denen sich der DJV-NRW täglich befasst und um die er sich kümmert: die Interessen der Mitglieder und die Bedeutung des Berufsstands nach außen zu vertreten.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 3/18, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2018.