„Warum wollen Sie den Bonner General-Anzeiger verkaufen?“ Die Frage ging an Felix Neusser, einen der beiden Geschäftsführer der Bonner Zeitungsdruckerei und Verlagsanstalt H. Neusser GmbH, dem Verlag des General-Anzeigers (GA) Bonn. Und damit an einen der potenziellen Erben des Verlags, der der Bonner Familie in der elften Generation gehört. Eine Antwort ist bis zum Redaktionsschluss nicht gekommen.
Viel spricht dafür, dass der Bonner General-Anzeiger auf dem Markt ist. Das war – bislang undementiert – Anfang Dezember 2017 im Branchenmagazin Werben & Verkaufen (W&V) zu lesen. Fest steht auch: Die Düsseldorfer Rheinische Post Mediengruppe hat Interesse, den GA zu kaufen. Dies hat der RP-Vorstandsvorsitzende Arnold im Januar bei einem Redakteurstreffen erklärt, als er danach gefragt wurde. Wie Teilnehmer erzählen, bestätigte Arnold, dass der Bonner General-Anzeiger zum Verkauf stehe. Und dass „unser Haus“, also die RP, zum Kreis der Interessenten zähle.
Übernimmt also die RP den GA, wie es die journalistischen Spatzen am Rhein danach von den Dächern pfiffen? Die Pressestelle der Rheinischen Post möchte sich nicht äußern. „Bitte haben Sie Verständnis“, antwortete Oliver Schaal: „Wir geben grundsätzlich keine Auskunft zu Gerüchten um vermeintliche Käufe oder Verkäufe der Rheinische Post Mediengruppe.“
Einkaufstour in der Nachbarschaft
Die Einkaufstour der Düsseldorfer RP in der Nachbarschaft könnte jedenfalls weitergehen. Kontinuierlich bauen die Düsseldorfer ihren Einfluss auf Nachbarverlage aus: Ab 2019 wollen sie wieder mit dem Bocholter Verlag Terheyden zusammenzuarbeiten (siehe JOURNAL 4/17). 2010 hatte die RP-Gruppe den Anzeigenblatt-Verlag der Wuppertaler Rundschau sowie alle Anteile der Rheinisch-Bergischen Druckerei in Wuppertal übernommen. Die Neuß-Grevenbroicher Zeitung gehört seit 2009 zur Gruppe. Und seit 2013 reicht das Einflussgebiet auch bis ins Saarland. Damals hatte die RP-Gruppe die Mehrheit an der Saarbrücker Zeitungsgruppe übernommen (Saarbrücker Zeitung, Trierischer Volksfreund, Lausitzer Rundschau und Pfälzischer Merkur). Ob die Düsseldorfer ihre Besitzverhältnisse nach Bonn ausweiten können, hängt unter anderem davon ab, ob es weitere Interessenten für den Bonner GA und den dahinterstehenden Verlag H. Neusser KG gibt. Das ist bisher nicht klar.
Zumindest scheinen sich die Bonner von der DuMont-Mediengruppe in Köln, ihrem langjährigen Partner und Nachbarn, abgenabelt zu haben. Zum Jahresende 2016 haben sie sich von ihren gegenseitigen Verlagsanteilen getrennt, meldete der meist recht gut informierte Kollegen-Blog „Zeitungslandschaft im Umbruch“ (dumontschauberg.wordpress.com). Demnach spielt ein Vertrag vom 21. Dezember 2000 eine zentrale Rolle. Durch ihn erhielt DuMont (damals noch M. DuMont Schauberg, MDS) weitgehende Vorkaufsrechte an der H. Neusser KG, an Beteiligungen der H. Neusser KG und der H. Neusser GmbH.
Aus und vorbei für das Versprechen einer noch engeren Bindung. Die Partner haben sich still und leise getrennt. So geht wohl Scheidung auf rheinisch. Profitieren könnte davon der große Nachbar im Norden: die Rheinische Post. Für deren Portfolio wäre der Bonner General-Anzeiger eine schöne Ergänzung – eines der journalistischen Aushängeschilder der alten Bonner Republik. Das Blatt war bis zum Hauptstadtbeschluss 1991 und auch noch für einige weitere Jahre die Pflichtlektüre am Regierungssitz.
Damals war der Bonner GA die einzige Zeitung am Ort mit dem im Druckzeitalter wichtigen späten Andruck. Die Auflage lag samstags bei mehr als 100 000 Exemplaren. Heute hat der GA eine verkaufte Auflage von 65 215 (IVW 4/17), die jährlich um drei bis vier Prozent sinkt. Seit 2010 produziert der Bonner General-Anzeiger den Mantel für die Kölnische Rundschau. Ob das im Falle eines Verkaufs so bleibt, wird sich zeigen. Die Rundschau gehört verlegerisch zur DuMont-Gruppe, publizistisch aber zum Heinen-Verlag.
Tippgeber fürs Kartellamt
Offensichtlich werden die Karten unter den Verlagen im Rheinland wegen des Bonner General-Anzeigers gerade neu gemischt. Und genau in dieser Situation scheint dieser zum Tippgeber für das Kartellamt geworden zu sein: Anfang Dezember 2017 rückten Kartellwächter und Staatsanwaltschaft in Köln-Niehl an und durchsuchten die DuMont-Zentrale. Dabei soll es um Vorgänge aus dem Jahr 2000 gegangen sein, meldete W&V – ebenfalls undementiert. Dass ein Verlag den anderen verpfeift, hat eine neue Qualität in der Branche.
Ob dies ein geplanter Vorgang zwischen den Verlagen war (um alte Verfehlungen zu bereinigen, ehe sie im Zuge des Verkaufs unfreiwillig ans Licht kommen) oder ob die Bonner sich als Kronzeuge zur Verfügung gestellt haben, ist offen. Denn auch der Sprecher des Bonner Bundeskartellamts, Kay Weidner, bestätigte nur die Durchsuchung eines rheinischen Verlags – nicht der Redaktion – und einer Rechtsanwaltskanzlei. Grund: „Die Behörde geht dabei dem Verdacht nach, dass es zwischen Zeitungsverlagen zu verbotenen Absprachen über ihr Wettbewerbsverhalten gekommen ist und durch eine weitere Absprache zwischen ihnen gegen das Vollzugsverbot verstoßen wurde.“
Über Ergebnisse berichtet Weidner noch nicht: „Laufende Ermittlungen.“ Nur so viel: „Im Vorfeld eines eventuellen Fusionskontrollverfahrens können wir leider auch nicht darüber informieren, ob es bereits informelle Anfragen/Gespräche mit dem Bundeskartellamt gegeben hat. Eine formelle Anmeldung eines Übernahmevorhabens ist bislang nicht erfolgt.“||
JOURNAL 1/18