Eigentlich könnte man in NRW stolz sein auf den Lokalfunk. Auf eine der vielfältigsten Radiolandschaften Europas und ein einmaliges System gesellschaftlicher Teilhabe an lokalem Journalismus. Auf 44 Radiostationen, die ihre Leistungsfähigkeit immer wieder unter Beweis stellen, wie auch der NRW-Hörfunkpreis zeigt (siehe Kasten unten). Aber hinter den Kulissen knirscht es wenige Wochen vor Verabschiedung der Novelle des Landesmediengesetzes (siehe Gesetzesnovellen für den Rundfunk) im System: So sind gleich drei Veranstaltergemeinschaften (VGen) im Ruhrgebiet unter Druck: Geht es nach der Westfunk, dem Mehrheitseigentümer von insgesamt zwölf Betriebsgesellschaften (BGen) im Ruhrgebiet, werden demnächst mehrere Sender zusammengelegt: Konkret geht es um Radio Hagen und Radio Ennepe Ruhr. Seit Jahren senden die Redaktionen ihr jeweils eigenständiges Programm aus dem gemeinsamen Funkhaus in Hagen. Nun sollen die beiden Sender zu einem verschmelzen – so zumindest der Wunsch der Westfunk, die als Muttergesellschaft der BGen entstehende Verluste nicht mehr mit Gewinnen aus anderen Westfunk-Sendern kompensieren will.
Dabei war genau das Teil des Deals, als die Lokalfunklandschaft zugeschnitten wurde. Bei den großen Verlagsgruppen landeten bewusst sowohl starke als auch wirtschaftlich eher schwache Sender. Aber einzelne Lokalradios kann man „nahezu nach Belieben ins Plus oder Minus rechnen“, erklärt ein Insider. Denn die wirtschaftlich verantwortlichen BGen sind mehr oder weniger leere Hüllen. Kosten wie Miete, Technik, Provisionen für Vermarktung entstehen bei externen Dienstleistern, die meist zum gleichen Konzern gehören – in diesem Falle zur Funke-Gruppe. Wie marktkonform die Dienstleister agieren, verraten die BG-Bilanzen nicht.
Zweifel an den Zahlen
So müssen VGen wie derzeit in Hagen und Ennepe-Ruhr den Zahlen ihrer jeweiligen BG vertrauen. Genau hier gibt es allerdings zunehmend Zweifel. Sind im Ennepe-Ruhr-Kreis und in Hagen die vorgetragenen Verluste doch fast so groß wie der Gesamtetat der jeweiligen VG. Nun also reden die beiden VGen über eine mögliche Fusion oder andere Optionen. Auch die Medienanstalt NRW ist bereits mit im Boot.
Dass man mit einer VG auch zwei verschiedene Programme machen kann, zeigt sich seit Jahren in Mülheim und Oberhausen. Ursprünglich gegründet als Antenne Ruhr, fiel 2007 die Entscheidung, das Programm auseinander zu schalten. Der Grund: Hörer in beiden Städten wollten mehr aus der eigenen Kommune und eigentlich nichts aus der jeweils anderen hören. Trotzdem sollen die Programme in Mülheim und Oberhausen nun nach dem Willen der dortigen BG (ebenfalls im Besitz der Westfunk) wieder zu einem Sender verschmelzen.
Man erwarte personelle Synergien von 50 Prozent, besagen Gerüchte. Dabei sehen Kritiker insbesondere die schlechten Reichweiten bei Radio Ennepe Ruhr als Ergebnis redaktioneller Einsparungen, wo man in den 2000er Jahren auf Betreiben der BG die Redaktion geschrumpft hatte. Vor einem weiteren Abschmelzen lokaler Berichterstattung hat der Märkische Presseverein in einem Brandbrief an Bürgermeister und Landtagsabgeordnete der Region gewarnt.
DJV-NRW-Geschäftsführer Volkmar Kah fürchtet, dass es um mehr geht als die vier aktuell betroffenen Sender: „Immer, wenn es konkret wird, drückt sich die Landesregierung.“ So habe Medienstaatssekretär Nathanael Liminski auf dem Jounalistentag (Seite 28) zwar ein generelles Bekenntnis zum Lokalfunk abgegeben. Aber eben keines zur Zahl der Sender. Wenn Liminski davon spreche, „Rahmenbedingungen für eine eventuelle Neuaufstellung des Systems schaffen zu wollen, wird mir angst und bange“, erklärt Kah. Er sieht sehr deutliche Hinweise darauf, „dass die Verlegerlobby daran arbeitet, in letzter Sekunde des Gesetzgebungsverfahrens das gesamte Zwei-Säulen-Modell zu kippen. Das würde perspektivisch die lokale Medienvielfalt und hunderte Arbeitsplätze gefährden.“
Der Entwurf zum Landesmediengesetz wird voraussichtlich im Februar verabschiedet. Für Januar ist eine Anhörung im Düsseldorfer Landtag geplant.||
Zwei-Säulen-Modell im NRW Lokalfunk
Der Gesetzgeber hat für Lokalsender, die in Nordrhein-Westfalen lizenziert sind, eine komplexe Besitzerstruktur nach dem sogenannten Zwei-Säulen-Modell vorgesehen. Dabei ist jeweils eine Betriebsgesellschaft (BG) für die betriebswirtschaftlichen Aspekte verantwortlich. Eine Veranstaltergemeinschaft (VG) gibt die redaktionelle Linie des Senders vor und stellt den Chefredakteur ein.
Die inhaltlich verantwortliche Veranstaltergemeinschaft ist als Verein organisiert, in dem – ähnlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunkgremien – Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen im Verbreitungsgebiet zusammenkommen. Diese steht in einer engen vertraglichen Bindung mit der Betriebsgesellschaft, die in der Regel mehrheitlich von den lokalen Zeitungsverlegern und anteilig von den Kommunen getragen wird. Diese Betriebsgesellschaft akquiriert Werbung und finanziert den Sender. Damit sichert die BG den wirtschaftlichen Betrieb eines Senders ab, auf dessen Inhalt sie keinen Einfluss hat. Dieses Modell, das Anfang der 90er Jahre entwickelt wurde, sollte es Zeitungsverlagen ermöglichen, ihre Verluste aus dem Anzeigengeschäft auszugleichen, die durch Lokalradios zu befürchten waren.
Erst, wenn eine BG und eine VG einen Kooperationsvertrag schließen, wird von der Landesmedienanstalt eine Lizenz vergeben.
Ein Beitrag aus JOURNAL 6/18 – dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2018.