Die Mediengruppe RTL Deutschland richtet eine neue Zentralredaktion für nahezu alle journalistischen Produkte ein. Das Projekt unter Leitung der ehemaligen BILD-Chefredakteurin Tanit Koch war seit Februar bekannt und bekommt nun Konturen: Das neue „Inhalteherz“ – so der Name – soll rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter einem Dach vereinen und deutlich über das hinausgehen, was die Inhalte-Tochter infoNetwork heute darstellt. In ihr wurden 2007 die Redaktionen von RTL, Vox und n-tv zusammengeführt, um die täglichen und wöchentlichen News- und Magazinformate der Mediengruppe zu produzieren.
Ressorts statt Einzelredaktionen
Bisher arbeiten dort noch Einzelredaktionen, darunter die der Nachrichtensendungen RTL Aktuell, RTL Nachtjournal und Punkt 12 sowie der Magazine Explosiv und Extra. Diese Organisationsform entfällt zugunsten einer Gliederung nach Ressorts – also Politik, Wirtschaft, News etc. Ebenfalls in die Zentralredaktion eingebunden werden dem Vernehmen nach die Social-Media-Aktivitäten und die Redaktionen, die für das Bespielen der Senderseiten wie rtl.de und vox.de zuständig sind und die bisher bei der Digitaltochter RTL interactive sitzen.
Schon im Juni solle die Testphase beginnen, berichtete der Tagesspiegel Ende Mai, dem offenbar Informationen aus dem RTL-Intranet vorlagen. Dort heißt es: „Erste Ressorts, die nun mit der inhaltlichen Pilotphase starten, sind Wetter, Life (Ratgeber) und ein neues Turboteam, das künftig ermöglichen soll, besondere Themen mit hoher Aktualität zu produzieren.“ Geplant sei, dass das Inhalteherz im ersten Quartal 2020 den Regelbetrieb aufnehme.
Bei der Größe des Projekts scheint das ein sportliches Vorhaben – zumal die Geschäftsleitung, wie zu hören ist, den Umbau als Prozess sieht, in dem sich Zuordnungen und Abläufe noch ändern können. Für die Beschäftigten ist ein solches Auflösen gewachsener Strukturen nachvollziehbarerweise mit Unruhe verbunden.
Auf eines sollen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch verlassen können, betont der Betriebsrat: Der Umbau ist – anders als derzeit in vielen anderen Medienhäusern – kein Mittel, um Personal loszuwerden.
Aufbruchstimmung
„Es gibt bei uns keinen Stellenabbau, weil das Management an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter glaubt“, sagt Frank Hippéli, Gesamtbetriebsratsvorsitzender infoNetwork. „Das ist ein ganz starkes Signal an die Belegschaft und ein Signal in Richtung Zukunft. Wir starten durch.“ Entsprechende zukunftsorientierte Leuchtzeichen sendet die RTL Group seit einigen Monaten, etwa mit der Ankündigung, massiv ins Streaminggeschäft und den Ausbau der Inhalteproduktion investieren zu wollen (siehe JOURNAL 2/19). So viel Aufbruchstimmung wie derzeit am Rheinufer in Köln-Deutz ist in anderen Medienhäusern kaum zu finden.
Dabei wirkt der Umbruch bei der Mediengruppe von außen betrachtet nicht gerade geschmeidig: Seit Ende vergangenen Jahres wurden wesentliche Köpfe der Führungsriege ausgetauscht. Das begann mit dem Ausscheiden von RTL-Chefin Anke Schäferkordt zum Jahreswechsel (siehe JOURNAL 6/18) und fand im April einen Höhepunkt in dem überraschenden Abgang von RTL-Group-Chef Bert Habets. Dem verweigerte RTL-Mutter Bertelsmann auf der Hauptversammlung dann auch noch die Entlastung für das abgelaufene Jahr. Es seien bestimmte Angelegenheiten zu prüfen, hieß es dazu bei Bertelsmann ohne nähere Erläuterung. Die Führung der RTL Group hat Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Thomas Rabe übernommen.
Ebenfalls in den vergangenen Monaten löste Jörg Graf den bisherigen RTL-Geschäftsführer Frank Hoffmann ab, Jan Wachtel, seit 2017 Geschäftsführer von RTL interactive, wurde neuer Geschäftsführer digitale Medien und journalistische Inhalte der Mediengruppe, und Tanit Koch kam als Nachfolgerin des langjährigen n-tv-Geschäftsführers Hans Demmel – und als Chefredakteurin der künftigen Zentralredaktion. In dieser Funktion werden die Chefredakteure von n-tv, infoNetwork und RTL interactive unter ihrer Führung zusammenarbeiten.
Bertelsmann setzt auf Kooperationen
Das Ganze bettet sich wiederum in größere Entwicklungen bei Bertelsmann ein: Im Februar startete die Content Alliance, mit der der Konzern die Inhalte-Geschäfte seiner Töchter stärker vernetzen will. Neben der Mediengruppe RTL Deutschland sollen RTL Radio, die TV-Produktionsfirma UFA, die Verlagsgruppe Random House, der Verlag Gruner+Jahr sowie das Musikunternehmen BMG enger kooperieren. Die Bertelsmann Content Alliance könne mittelfristig geschätzte 10 bis 15 Prozent der Inhalte gemeinsam produzieren, erklärte Bertelsmann-Chef Thomas Rabe jüngst in einem Interview mit dem Spiegel.
Schon 2017 hatte Bertelsmann die Ad Alliance geschmiedet, die im Mai einen wichtigen neuen Partner meldete: Media Impact, die gemeinsame Vermarktungsorganisation von Axel Springer und Funke Mediengruppe. Ab dem Vermarktungsjahr 2020 umfasst das Ad-Alliance-Portfolio sieben TV-, 91 Print- und 110 Digitalmarken. RTL hat erkennbar Ambitionen, in der ersten Liga zu spielen. Wenn alle Maßnahmen funktionieren wie geplant, stehen die Chancen dafür nicht schlecht.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 3/19, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Juni 2019.