HOW-TO

Berichten reicht nicht

Den eigenen Berufsalltag nachhaltiger gestalten
27. Dezember 2022, Bettina Blaß

Dem Thema Nachhaltigkeit gilt viel Aufmerksamkeit. Für das Zukunftsinstitut ist sie Megatrend und Wirtschaftsfaktor. Medien berichten über Unternehmen und Institutionen vom Museum über Spitzenrestaurants bis zum Skigebiet, die sich darum bemühen, Ressourcen sorgfältiger zu nutzen. Aber handeln Medienhäuser, PR-Agenturen sowie Journalistinnen und Journalisten auch selbst ökologischer oder sogar nachhaltiger?

Nachhaltigkeit und Ökologie werden gerne gleichgesetzt, aber Ökologie ist nur ein Teil der Nachhaltigkeit. Letztere umfasst auch wirtschaftliche Effizienz und soziale Gerechtigkeit. Eine nachhaltigere Medienbranche ist also nur möglich, wenn sie beispielsweise nicht zulasten der Mitarbeitenden geht. Davon abgesehen verbrauchen etwa Internetrecherchen, Zeitungsdruck oder Streamingangebote Ressourcen. Klar ist: Aus Nachhaltigkeitsgründen keinen Journalismus mehr zu machen ist keine Lösung. Was also lässt sich in der Branche ändern? Und was wird bereits getan? Das JOURNAL hat bei einigen Medienhäusern und PR-Agenturen in NRW nachgefragt.

Ökologie und Effizienz gehen oft Hand in Hand

Mit einer energetischen Sanierung von Gebäuden lässt sich häufig viel CO2 sparen. Darum werden diese Maßnahmen von der Bundesregierung gefördert. Wer in bessere Dämmung und alternative Energie investiert, handelt ökologisch und spart langfristig. Die Rheinische Post (RP) spart durch energieeffizientere Leuchtmittel, den Austausch von Klimageräten und entsprechende Maßnahmen in den Blockheizkraftwerken auf dem Düsseldorfer Campus mehrere hunderttausend Kilowattstunden Strom pro Jahr, wie Oliver Schaal erklärt, Leiter der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Zudem laufe ein Projekt über die gesamte Rheinische Post Mediengruppe, also unter anderem auch beim General-Anzeiger in Bonn, um Strategien zu erarbeiten, die das Unternehmen nachhaltiger machen. Geprüft werde unter anderem, ob sich Photovoltaikanlagen auf den Druckereien installieren lassen. Damit könnte man tagsüber die E-Fahrzeugflotte laden, nachts gespeicherten Strom zumindest anteilig den Druckereien zuführen. Die Maßnahmen sollen in den kommenden Monaten kommuniziert werden.

Beim Energiesparen im Büro hilft auch eine dicke Jacke. | Foto: hoffi99
Beim Energiesparen im Büro hilft auch eine dicke Jacke. | Foto: hoffi99

Vom Kleinen ins Größere

Wichtig ist auch der Blick auf kleinere Dinge – wie die optimierte Mülltrennung in Büros und Kaffeeküchen. Dieses Projekt, das eine Gruppe kaufmännischer Azubis bei der RP vor einigen Jahren gestartet hat, „hat im Konzern eine eigene Dynamik gewonnen“, erklärt Ludwig Jovanovic, stellvertretender Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der Rheinischen Post Verlagsgesellschaft. „Mitarbeitende haben Ziele für die Ressourcennutzung erarbeitet und eine Vision der Nachhaltigkeit skizziert. Umweltschutz und Maßnahmen gegen die Klimaveränderung beginnen überall und bei jedem. Man muss nicht auf Entscheidungen der Regierungen warten.“ Aber Jovanovic macht deutlich: „Je weiter man in die Themen einsteigt, desto komplexer werden sie.“ Neben naheliegenden Ideen wie Papiersparen gebe es Bereiche mit größerem Potenzial, etwa in der Druckerei, dem Vertrieb, der Logistik und der Kantine.

Worauf alle achten können
Der CO2-Verbrauch des Internets steigt seit Jahren rasant.
Wie wir in diesem Bereich Energie sparen können:
• Jede Mail benötigt Serverplatz und somit Energie. Mails, die man nicht mehr benötigt, sollte man löschen.
• „Mail an alle“ verbraucht in großen Firmen sehr viel Energie, insbesondere, wenn diese Mails in der Cloud gesichert werden. Besser abwägen, wen man in einen Verteiler miteinbezieht.
• Statt Mails mit Anhang zu verschicken, ist es besser, die Dokumente in die Cloud zu legen und nur den Link zu verschicken. Eine Mail ohne Anhang verursacht vier Gramm CO2, eine Mail mit Anhang fast das Sechsfache: 30 Gramm.
• Filme und Musik sollte man erst laden, dann abspielen.
• W-LAN verbraucht weniger Energie als mobile Daten.
• Häufig besuchte Seiten besser mit Link abspeichern als danach zu suchen. Denn jede Suche im Internet verbraucht Energie.
• Geräte mit Akku wie Laptop, Tablet oder Smartphone häufiger ausschalten. Das spart Energie und schont den Akku. So braucht man erst später ein neues Gerät./bb

Auch unternehmensübergreifend ist Nachhaltigkeit in Medienhäusern ein Thema. So gibt es unter anderem ­eine Arbeitsgruppe beim Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) oder den Zusammenschluss Fossilfreie Medien (dahinter stehen unter anderem der BUND und Fridays for ­Future), der zum Verzicht auf „fossile Werbung“ aufruft.

Ob branchenweit oder im einzelnen Unternehmen: Das Thema Nachhaltigkeit ist auch bei Radio und Fernsehen angekommen. Die Kommunikationsabteilung des WDR verweist auf ein 2021 gegründetes ARD-übergreifendes Board mit Vertreterinnen und Vertretern aller Landesrundfunkanstalten, um die Anstrengungen etwa bei der nachhaltigen Medienproduktion und Verbreitung, beim nachhaltigen Betriebs- und Eventmanagement sowie bei Green IT zu bündeln und voranzutreiben. Dabei sollen CO2-Einspar­potenziale identifiziert und dann in den ­Regelworkflows realisiert werden. So unterstütze der WDR auch die ARD-weite Vereinbarung zur ­Anwendung ökologischer Mindeststandards für Prozesse von der Produktionsvorbereitung und Umsetzung bis zu den Schnittstellen der Postproduktion und Distribution. Außerdem beziehen ARD und ZDF seit diesem Jahr Ökostrom.

Mindeststandards für die Produktion

Marie-Fee Taube, Director Sustainability und Deputy Head of Sus­tainability & DEI bei RTL Deutschland. | Foto: RTL / Marina Rosa Weigl
Marie-Fee Taube, Director Sustainability
und Deputy Head of Sus­tainability & DEI
bei RTL Deutschland. | Foto: RTL / Marina Rosa Weigl

Der WDR ist auch dem Label „Greenmotion“ beigetreten, einer Initiative des Arbeitskreises „Green Shooting“. Deren Ziel ist es, die Produktion fiktionaler Filme nachhaltiger zu gestalten. Dafür hat der Arbeitskreis umwelt- und ressourcenschonende Mindeststandards verabschiedet. Mit dem Beitritt verpflichtet sich der WDR seit diesem Jahr, diese Mindestandards bei 80 Prozent seiner fiktionalen Produktionsvolumina umzusetzen.

Dem Arbeitskreis Green Shooting ist auch RTL Deutschland beigetreten. „Wir wollen diese Mindeststandards ausrollen und stetig mehr Formate unter Berücksichtigung dieser umsetzen“, erklärt Marie-Fee Taube, Director Sustainability und Deputy Head of Sustainability & DEI RTL Deutschland. „Allerdings muss dazu die Infrastruktur in Deutschland mitwachsen. Beispielsweise die generelle Verfügbarkeit von E-Flotten, mehr Ladesäulen, um die Sicherheit zu haben, dass wir bundesweit und auch in entlegeneren Regionen beim Dreh unsere Autos laden können, oder auch die Verfügbarkeit von Ökostrom an sämtlichen Produktionsorten.“ RTL Deutschland arbeite seit rund drei Jahren an einer unternehmensweiten Nachhaltigkeitsstrategie,  bezieht zum Beispiel Ökostrom und setzt auf LEDs.

Mit einer jährlichen Nachhaltigkeitswoche möchte RTL zudem die Menschen im Unternehmen und an den Bildschirmen für wichtige Themen sensibilisieren. In den vergangenen Jahren ging es unter anderem um Plastikmüllvermeidung und Wasserknappheit, 2022 um Energie. An die Mitarbeitenden ging etwa der Appell, Geräte auszuschalten, statt sie im Stand-by zu lassen. Um die CO2-Emissionen in Zusammenhang mit ihrer Arbeit zu senken, können die Beschäftigten außerdem teilweise im Mobile Office arbeiten und ein Jobrad bekommen.

Dank grünem Strom wird beim kostenpflichtigen Streamingangebot RTL+ im Durchschnitt weniger CO2e freigesetzt, als wenn ein herkömmlicher Strommix genutzt würde. CO2e ist die Abkürzung für CO2-Äquivalente. Die Maßeinheit umfasst neben Kohlenstoffdioxid alle anderen Treibhausgase, die so berücksichtigt und vergleichbar werden. RTL Deutschland hat im Oktober erstmals ein White Paper zum CO2– Fußabdruck veröffentlicht, demzufolge die CO2e- Einsparungen bei 54 Prozent liegen. Als Teil von Bertelsmann will RTL Deutschland entsprechend dem Klimaziel des Konzerns bis 2030 klimaneutral arbeiten. Die Klimastrategie dabei: Emissionen vermeiden, reduzieren und Unvermeidbares kompensieren.

Auch in der Agenturwelt angekommen

Nachhaltigkeit spielt zunehmend auch bei PR-Agenturen eine Rolle. Für Thorben Grünewälder von Grünewälder PR in Bielefeld ist das papierlose Büro so selbstverständlich, dass es ihm nicht mehr besonders vorkommt, mit Tablet und Stift, statt mit einem Papiernotizbuch zu Kundinnen und Kunden zu gehen. Um noch nachhaltiger zu werden, soll sein nächster Leasingwagen ein E-Auto werden. Dann will er vor dem Büro auch eine Ladesäule installieren. Über seine Kundinnen und Kunden sagt er: „Es gibt kein Gespräch mehr, in dem die Begriffe ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Ökologie‘ nicht fallen. Trotzdem sehe ich bei Imageprodukten wie Katalogen und Weihnachtskarten einen Trend zu Hochglanzlösungen auf Papier und ein Weggehen von digitalen Lösungen.“

Auch die Kundinnen und Kunden von Betty van Loon (Van Loon Kommunikation GmbH) in Essen entscheiden sich häufig für hochglänzendes Papier. „Wir bieten allerdings immer eine umweltfreundlichere Option zum gleichen Preis an“, sagt sie. Mit ihrer Agentur geht van Loon seit 2017 einen nachhaltigeren Weg. Damals feierte Essen den von der Europäischen Kommission verliehenen Titel „Grüne Hauptstadt Europas“. Unter dem Titel „Veränderung“ hat die Agentur dabei gezeigt, was Privatpersonen und Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit erreichen können.

Für van Loon und ihre Kolleginnen und Kollegen war die Veranstaltung auch Anlass zu schauen, was sie selbst verändern können. In die Agentur zog statt der Kapsel- eine Filterkaffeemaschine mit Thermoskanne ein. Die Mitarbeitenden stiegen vermehrt aufs Rad und den ÖPNV um oder gehen seither häufiger zu Fuß. Die Agentur bezieht ohnehin Ökostrom und hostet die eigene Internetseite bei einem Anbieter, dem Ökologie wichtig ist. Rechnungen druckt die Essener Agentur auf hochweißem Recyclingpapier mit einem entsprechenden Aufdruck.

Hilfreich auch, um Nachwuchs zu finden

„Seither werden wir auf das Thema häufiger angesprochen und durften Lösungen realisieren“, erklärt Betty van Loon. „Abgesehen davon habe ich über unser Engagement bei ‚Grüne Hauptstadt Europas‘ tolle Azubis und Praktikantinnen und Praktikanten bekommen. Den jungen Leuten sind diese Themen sehr wichtig.“

2020 mit dem Ausbruch der Coronapandemie wurde dann auch der Arbeitsalltag digitaler. „Wir haben aber Mitarbeitende, die nicht auf Dauer ins Homeoffice wollen. Und weil Nachhaltigkeit nicht nur Ökologie bedeutet, nehmen wir auf diese Wünsche Rücksicht. Wer im Büro arbeiten will, soll das auch künftig können und dürfen“, sagt Betty van Loon. „Abgesehen davon kann ich mit Bestandskundinnen und Bestandskunden Absprachen per Video treffen. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass sich neue Kundinnen und Kunden eher im persönlichen Gespräch öffnen.“

Und falls es ihr bei den Arbeiten am Schreibtisch in diesem Winter zu kalt werden sollte, hat sie schon einmal zwei dicke Jacken an die Haken in der Agentur gehängt. Auch das ist eine Möglichkeit, Energie zu sparen – und zugleich Kosten zu senken.||

Und der DJV-NRW selbst?
Im Frühjahr 2021 hat der Gewerkschaftstag dem DJV-Landesverband NRW den Prüfauftrag erteilt, wie Reise- und Beschaffungsmanagement sowie Geldanlagen nach ökofairen Prinzipien aussehen können. Der Gewerkschaftstag im Mai 2022 hat dies um den Gesichtspunkt klimarelevanter Maßnahmen erweitert: Im Sinne eines ganzheitlichen Klimaschutzes sollen bestehende Emissionen ermittelt, vermieden und reduziert sowie unvermeidbare Emissionen über anerkannte Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden. Das Ziel: bis 2030 Klimaneutralität erreichen.
Nach gründlicher Vorbereitung ist der DJV-NRW dem Programm Ökoprofit beigetreten. Es ist Bestandteil des Düsseldorfer Klimaschutzprogramms und wird gefördert durch das Land NRW und die Landeshauptstadt Düsseldorf. In mehreren Workshops und durch individuelle Beratungen unterstützt es Unternehmen dabei, ins Umwelt- und Klimamanagement einzusteigen. Der DJV-NRW wird beim Gewerkschaftstag 2023 über seine Fortschritte berichten./cbl

Siehe auch Interview „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“.

Ein Beitrag aus JOURNAL 4/22, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Dezember 2022.