Medienzirkel | 

Betriebsübergang: Kollektiver Widerspruch möglich

20. Oktober 2020,
Christian Weihe, Justiziar des DJV-NRW. | Foto: Klaus Daub
Christian Weihe, Justiziar des DJV-NRW. | Foto: Klaus Daub

Seit einigen Jahren kommt es in der Medienbranche häufig zu Betriebsübergängen. Dabei spielen Umstrukturierungen, Tarifflucht und die Marktkonzentration eine Rolle. Christian Weihe, Justiziar des DJV-NRW, weist des­wegen auf ein Urteil von 2004 hin, das vielen Betroffenen nicht bekannt ist (8 AZR 462/03): „Das Bundesarbeitsgericht hat damals entschieden, dass bei einem Betriebsübergang nicht jeder Betroffene individuell widersprechen muss. Der Widerspruch kann auch wirksam sein, wenn viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihn gleichzeitig und wortgleich erklären. Dabei spielt es auch keine Rolle, wenn durch das gemeinsame Vorgehen eine Drucksituation für den Arbeitgeber entsteht.“ Das Widerspruchsrecht dürfe nur nicht missbräuchlich genutzt werden.

Nach § 613a Abs. 6 BGB kann eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsübergangs schriftlich widersprechen. Dafür muss kein sachlicher Grund angegeben werden. Dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn eine Mehrheit von einem Teilbetriebsübergang betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichzeitig und mit gleich lautenden Schreiben widerspreche, erklärte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Pressemitteilung vom 30. September 2004. Das Widerspruchsrecht unterliege jedoch den allgemeinen Schranken der Rechtsordnung und somit der Kontrolle des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB. In diesem Zusammenhang könne es auf die Zweckrichtung oder Zielsetzung des Widerspruchs ankommen. Diene der kollektive ­Widerspruch lediglich dazu, den Arbeitgeberwechsel zu vermeiden, sei er wirksam.

Geklagt hatte damals eine Angestellte aus der Abteilung Anzeigenverkauf eines Zeitungshauses. Obwohl ein Tarifvertrag zur Beschäf­tigungssicherung die Kündigungen noch ausschloss, wollte der Verlag den Anzeigen­verkauf mit Verweis auf wirtschaft­liche Schwierigkeiten an ein noch zu gründendes Unternehmen auslagern.

Als die Klägerin und 18 ihrer 20 Kolleginnen und Kollegen dem Betriebsübergang widersprachen, sprach das Zeitungshaus eine außerordentliche Kündigung aus, der die Betroffenen widersprachen. Diesen Widerspruch hielt das BAG mit dem Urteil vom 30. Spetember 2004 für wirksam und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz, die der Kündigungsschutzklage stattgegeben hatte. /


Eine Meldung aus JOURNAL 5/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2020.