MEDIENSZENE NRW | 

Der Bauer geht vom Feld

Kartellamt genehmigt Übernahme des Bauer-Verlags durch Lensing
20. Oktober 2020, Corinna Blümel

Und wieder ein kleines Medienhaus weniger: Der Dortmunder Medienkonzern Lensing Media (unter anderem Ruhr Nachrichten) übernimmt den bisher familiengeführten J. Bauer KG Verlag in Marl. In ihm erscheint die Recklinghäuser Zeitung mit sechs Lokalausgaben im Umland, zudem gibt der Verlag Anzeigenblätter heraus und hält 74 Prozent an Radio Vest. Mitglieder der Familie Lensing haben seit langem eine Minderheitsbetei­ligung am Verlagshaus Bauer, die sich auf 40 Prozent belaufen soll. ­Anfang September hat das Kartellamt dem Übernahmeantrag zugestimmt, weil mit dem Zusammenschluss keine erhebliche Wettbewerbsbehinderung verbunden sei.

Jetzt eine Familie: Die sechs Titel aus dem Bauer Verlag erscheinen jetzt bei Lensing-Media. | Foto: Markus Mucha
Jetzt eine Familie: Die sechs Titel aus dem Bauer Verlag erscheinen jetzt bei Lensing-Media. | Foto: Markus Mucha

Die Marktbereinigung schreitet fort

Bei aller Erleichterung, dass die Recklinghäuser Zeitung wohl erhalten bleiben soll: Der DJV-NRW krisitiert die weitere Konzentration auf dem Zeitungsmarkt und die damit einhergehende Stärkung der Monopolstellung des Dortmunder Verlags in bestimmten Regionen. Der Landesvorsitzende Frank Stach warnt: „Auch wenn die Verlage bereits seit Jahren eng zusammenarbeiten, ist das ein weiterer Schritt in Richtung Marktbereinigung.“

Seit langem beobachtet der DJV-NRW, wie sich im Ruhrgebiet die Aufteilung zwischen den ­Medienkonzernen Funke und Lensing ­zementiert. Im Kreis Recklinghausen hatten die Ruhr Nachrichten schon Lokalredaktionen geschlos­sen, als die Lensings in den 1970er-­Jahren bei Bauer einstiegen. Im Laufe der Jahre machte auch Funke (damals WAZ-Gruppe) Platz, schloss zunächst 2006 mehrere WAZ-­Lokalredaktionen und beendete 2013 dann auch das Experiment ­einer Regio­nalredaktion ­namens „Unser Vest“. Die ­lokalen Inhalte bezieht die WAZ seitdem vom Verlag J. Bauer, der nun – in der sechsten Generation – aufgibt. Salopp könnte man sagen: Der Bauer geht vom Feld.

Kartellrecht – das bekannte Problem

Dass solche regionalen Meinungsmonopole entstehen können, hat mit dem Kartellrecht zu tun. Das Kartellamt kann bei Zeitungsfusionen im Wesentlichen nur die wett­bewerbsrechtlichen Auswirkungen auf die Märkte prüfen. Die ­Meinungsvielfalt als solche können die Kartellwächter dagegen nicht als eigenständigen ­Bewertungsmaßstab heranziehen, nicht einmal bei Verlagen mit ­direkt ­benachbarten Erscheinungsgebieten.

„Schade eigentlich“, findet Landesgeschäfts­führer Volkmar Kah. „Der DJV-NRW fordert genau diese Kontrolle der Meinungsvielfalt seit vielen Jahren.“ Das Kartellerecht müsse dringend ­novelliert werden, damit über die die ökonomische Seite hinaus auch die Meinungsmacht berück­sichtigt werden könne. „Unter den jetzigen Bedingungen kann der Konzentrations­prozess ungestört weiter­gehen“, kritisiert Kah.

Das gilt bei weitem nicht nur für das Ruhrgebiet. ­Aktuell schreitet der Prozess auch in Ostwest­falen fort (siehe Meldung „NW übernimmt Haller Kreisblatt“), nachdem in den ­vergangenen Jahren auch das Rheinland und das Münsterland stark betroffen waren.

Derweil verödet in ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus die ehemals bunte Zeitungslandschaft. Mit jeder Übernahme oder Schließung geht dabei ein Stück Meinungs­vielfalt verloren. Das gilt auch für die Leserinnen und Leser in Marl, Recklinghausen, Herten, Datteln, Oer-­Erkenschwick und Waltrop. „Mit dem Rückzug des Verlegers und Chef­redakteurs Kurt Bauer wird eine pointierte Stimme im Ruhrgebiet fehlen – auch wenn man seine Ansichten sicher nicht ­immer geteilt hat“, erklärte Stach.

Was genau die Übernahme für die Beschäf­tigten bedeutet, ist bisher nicht absehbar, weil Lensing Media noch keine Details zum weiteren Vorgehen bekannt gegeben hat. Der DJV-NRW sorgt sich um die Arbeitsplätze, denn solche Übernahmen bergen immer die Gefahr, dass das neue Unternehmen Synergien heben will und zusätzliches „Sparpotenzial“ ausmacht – notfalls auch auf Kosten der journalistischen Qualität.

Wie immer in solchen Fällen berät der DJV-NRW seine Mitglieder im betroffenen Medienhaus und bietet ihnen auch weiterreichenden Rechtsschutz an. Der Ausstieg aus dem Tarif ist in diesem Fall kein Thema: Das Medienhaus Bauer hatte sich 2017 aus dem Flächentarif verabschiedet, das ­Medienhaus Lensing befindet schon länger auf Tarifflucht.||

Wo Lensing das Sagen hat

Mit der Übernahme weitet sich das ­Gebiet aus, in dem Lensing das Sagen hat. Einzig der Rubens-Verlag in Unna (Hellweger Anzeiger) ist noch im Spiel, an dem Lensing allerdings auch ­einen Minderheitenanteil hält. Zudem sind die Zeitungshäuser personell verbunden: Seit 2014 ist Hans-Christian Haarmann, Geschäftsführender Gesellschafter und Verleger der Zeitungsverlag Rubens KG, zugleich einer der drei ­Geschäftsführer im Verlag Lensing-Wolff GmbH & Co. KG. Nicht zuletzt produziert eine gemein­same Tochter­gesellschaft von ­Rubens und Lensing überregionale Inhalte für Ruhr Nachrichten und Hell­weger Anzeiger, nachdem erstere die eigene Mantelredaktion g­eschlossen hatten (siehe „Eine alte freundschaftliche Beziehung“, JOURNAL 4/17). Entsprechend wäre es nicht wirklich überraschend, wenn früher oder später auch hier das Angebot für eine Komplettübernahme durch Lensing käme.||


Ein Beitrag aus JOURNAL 5/20, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2020.