Den Gratiswochenzeitungen in NRW geht es an den Kragen: Die Unternehmensgruppe Aschendorff (Westfälische Nachrichten, Münstersche Zeitung, Westfalen-Blatt) hat angekündigt, Ende April sämtliche Anzeigenblätter im Münsterland und in Ostwestfalen einzustellen. Betroffen sind Blätter wie Hallo Münster, Blickpunkt Warendorf, Grenzland Wochenpost und OWL am Sonntag.
Die meisten der Beschäftigten – von Redaktion bis Zustellung – verlieren ihren Job. Der DJV befürchtet zudem personelle Konsequenzen in weiteren Bereichen des Medienkonzerns. „Die Schließung der Anzeigenblätter reiht sich ein in eine von vielen Outsourcing- und Personalabbaumaßnahmen“, kritisierte Volkmar Kah, Geschäftsführer des DJV-NRW.
Die Gratiszeitungen im Ruhrgebiet mussten bereits zum zweiten Mal Federn lassen: Nachdem die Funke Wochenblatt GmbH Mitte 2021 das Erscheinen in einigen Regionen eingestellt hatte, wurden die verbliebenen Redaktionen jetzt zum 1. Februar auflöst, um die Seiten mit verkleinerter Mannschaft zentral zu produzieren. Die Inhalte dafür sollen Leserinnen und Lesern zuliefern – Vereine, Bürgerinitiativen und andere können ihre Pressemitteilungen und Meldungen auf dem Portal Lokalkompass hochladen.
Sagen und Tun: Funke-Verlegerin mit guten Ideen
Wegen der Anzeigenflaute während der Coronapandemie hatten auch andere Verlage in NRW Seitenumfänge reduziert, Redaktionen ausgedünnt, einzelne Wochenblätter eingestellt und bei anderen das Erscheinen von zweimal auf einmal die Woche umgestellt. Betroffen waren davon nicht nur angestellte, sondern auch viele freie Journalistinnen und Journalisten, die wichtige Auftraggeber verloren haben.
Problemfall ländlicher Raum
Der DJV hält diese Entwicklung auch medienpolitisch für problematisch. „Gerade in ländlichen Regionen, in denen die Zeitungsverlage in den vergangenen Jahren systematisch redaktionelle Strukturen abgebaut haben, haben die oftmals journalistisch anspruchsvoll gemachten Anzeigenblätter zur informatorischen Grundversorgung beigetragen“, erklärte Kah. Die Verlage seien gefordert, „frei werdende Mittel nicht für Rendite zu vereinnahmen, sondern in lokaljournalistische Strukturen zu investieren – sei es bei den Tageszeitungen oder in den Lokalfunkredaktionen“.
Jahrzehntelang waren die kostenlosen Zeitungen, die ein- oder zweimal wöchentlich erschienen, ein lukratives Standbein der Tageszeitungsverlage. Neben den Anzeigen im Blatt sorgten gerade die Prospektbeilagen für sehr gute Erträge. Mehr als 29 Millionen Anzeigenblätter landeten 2022 laut Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) an Samstagen in den Hausfluren oder Briefkästen deutscher Haushalte. Derzeit allerdings lassen die Erträge offenbar aufgrund der Kostensteigerungen für Papier, Energie und Zustellung zu wünschen übrig, und auch große Werbekunden wie die Einzelhandelskonzerne ziehen sich zunehmend aus der Printwerbung zurück.
Mit ihren Sparmaßnahmen sorgen Verlage allerdings dafür, dass Gratiszeitungen ihre Attraktivität als Werbeträger immer weiter einbüßen. Wenn die Blätter aufgrund mangelnde Qualität ungelesen in den Müll wandern, bleibt auch die Werbung unbeachtet. Da würde auch die vielfach geforderte Zustellförderung nicht helfen.||
Ein Beitrag aus JOURNAL 1/23, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im April 2023.