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Funke Mediengruppe – Aus drei mach eins

Gesellschafter Schubries und Holthoff-Pförtner verkaufen an Grotkamp-Stamm
22. Oktober 2021, Mareike Weberink

Brost und Funke – das war einmal. Was 1948 als gemeinsame Geschichte mit Gründung der WAZ durch Erich Brost und Jakob Funke begann, findet nun nach viel Lärm und Getöse seinen endgültigen Abschluss. Vorbei die Zeit der offenen und versteckten Familienzwistigkeiten. Die Seite Brost spielte schon länger keine Rolle mehr. Und nun heißt es für die Funke-Erben „aus drei mach eins“: Der Grotkamp-Stamm hat die Anteile der Mitgesellschafter Schubries und Holthoff-Pförtner übernommen. Operativ sofort, Geld soll 2024 fließen.

Die neue Spitze zögert nicht lang und schafft Fakten: Mehrere Geschäftsführer verlassen das Haus. Die Gruppe wird – mal wieder – umgebaut. Steuert die Gruppe nun in das vielbeschworene „ruhige Fahrwasser“?

Mit einer nüchternen Mitteilung machte das Haus den Übergang bekannt: „Der Familienstamm Grotkamp – Petra Grotkamp, Julia Becker, Nora Marx und Niklas Wilcke – hat mit Wirkung Anfang 2024 die Anteile der Familienstämme Schubries und Holthoff-Pförtner gekauft und übernimmt zu diesem Zeitpunkt 100 Prozent der Funke Mediengruppe.“

Große Verantwortung für Julia Becker

„Auf Julia Becker und ihre Geschwister kommt damit eine noch größere Verantwortung für die Vielfalt der Medienlandschaft in NRW zu, aber vor allem auch für die ihnen anvertrauten Mitarbeitenden. Dieser Verantwortung müssen die neuen Alleineigentümer gerecht werden“, hatte der DJV-NRW-Landesvorsitzende Frank Stach gemahnt, als die Übernahmepläne im Juni bekannt wurden. Er forderte, offene Fragen rund um die künftige Struktur in der Geschäftsführung schnell zu klären: „Alles andere ist schlecht für das Unternehmen und verunsichert die Kolleginnen und Kollegen, auf deren guter Arbeit der Erfolg der Mediengruppe basiert.“

Die neue Führung der Funke Mediengruppe (v.l.): Christoph Rüth, Andrea Glock, Simone Kasik, Bianca Pohlmann und Jochen Beckmann. | Foto: Funke Mediengruppe
Die neue Führung der Funke Mediengruppe (v.l.): Christoph Rüth, Andrea Glock, Simone Kasik, Bianca Pohlmann und Jochen Beckmann. | Foto: Funke Mediengruppe

Diesen Punkt hat die Mediengruppe im Herbst bereits abgehakt: Die Geschäftsführer Andreas Schoo (Bereich Zeitschriften und Digitales) und Michael Wüller (Schwerpunkt kaufmännische Bereiche) sowie Michael Geringer (Geschäftsführer der Funke Zeitschriften GmbH) verlassen das Unternehmen. Dessen Zukunft wird als „Spartenstruktur mit schlanker Holding“ und einem „Center of Excellence“ beschrieben. Vorgesehen sind nach Mitteilung des Unternehmens die drei Sparten Regionalmedien, Zeitschriften und Digitales. Dafür rücken unter anderem Andrea Glock (Leiterin Unternehmensorganisation und -entwicklung) und Simone Kasik (Leiterin Controlling und Corporate Finance) als neue Geschäftsführerinnen auf Konzernebene nach. Beide arbeiten schon lange für die Funke Mediengruppe.

Beide Personalien werden bislang gut aufgenommen. Bis die Umstellung vollzogen ist, wird „Christoph Rüth weiterhin die Funktion des Konzerngeschäftsführers mit der schwerpunktmäßigen Verantwortung für Regionalmedien und Digitales wahrnehmen“, heißt es in der Pressemitteilung. Und noch eine Änderung gibt es: Unternehmenssprecherin Jasmin Fischer verlässt das Unternehmen. Auf ihren Sessel kehrte ein alter Bekannter zurück: Tobias Korenke übernimmt wieder, den Fischer als Leiterin der Unternehmenskommunikation erst vor einem Jahr abgelöst hatte.

„Digitaler, schlanker und schneller“

Welche Auswirkungen die Neuerungen auf die Mitarbeitenden haben werden, muss sich zeigen. Zwar betont Julia Becker in der Mitteilung zum Umbau, man wolle „guten Journalismus sichern, neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln, digitaler, schlanker und schneller werden“. Aber zeitgleich erklärt ihr Bruder Niklas Wilcke, durch das neue Spartenmodell könne Funke „nun einfacher die so wichtige Zusammenarbeit mit anderen Medienhäusern realisieren“. Dabei belässt es die Mitteilung im Vagen, welche Art der Zusammenarbeit gemeint ist.

Aus der Belegschaft kommen gemischte Reaktionen. Abwarten und Tee trinken auf der einen Seite, besorgt fragende Gesichter als Reaktion auf das Wort „Verschlanken“ auf der anderen. Denn „schlanker“ geworden ist die Gruppe jüngst sowieso wieder an mehreren Stellen. Zum einen bei den Anzeigenblättern (siehe JOURNAL 3/21), zum anderen bei den Medienbüros, die zum 1. Juli aufgelöst wurden. Über ein Abfindungsprogramm sollen sogar mehr Freiwillige ausgeschieden sein, als die Verantwortlichen geplant hatten. Ernsthafter Zweifel besteht überdies daran, ob es gut ist, sich aus der Fläche zurückzuziehen statt dort mehr zu investieren. Auch in anderen Abteilungen beziehungsweise Stellen wird dem Vernehmen nach derzeit justiert. Mögliche Auswirkungen auf die redaktionelle Arbeit müssen sich noch zeigen.

Kein Wunder also, dass manchen Redakteurinnen oder Redakteuren bei „schlanken Strukturen“ die Ohren klingeln. Dazu sagt DJV-NRW-Geschäftsführer Volkmar Kah: „Schlanke Strukturen sind nur dann gut, wenn die Entscheiderinnen und Entscheider für die Sache brennen und den ehrlichen Dialog mit der Belegschaft pflegen.“ Kah bekräftigt, es sei an der Zeit, den „schönen Worten Taten folgen zu lassen und in lokalen Journalismus zu investieren – bei den Zeitungen und beim Lokalfunk“.

Wie die Zukunft im neuen Spartenmodell mit schlanker Holding aussehen könnte, davon haben die Mitarbeitenden bislang nur eine vage Idee. „Wir müssen uns gegenseitig wirtschaftliche Erleichterung schaffen, natürlich im Rahmen der dafür gesetzlich geschaffenen Möglichkeiten“, hat Julia Becker Ende September in der ZEIT erklärt. Das richtet sich nach Einschätzung des Mediendienstes Kress an die Adresse anderer Medienhäuser: So könnten zum Beispiel die familiengeführten Verlage in NRW bei Druck oder IT eng zusammenarbeiten, um im Redaktionellen unabhängig zu bleiben. Becker verweist in diesem Zusammenhang auf das erwähnte geplante „Center of Excellence“: „In bestimmten Bereichen wollen wir so gut werden, dass es sich für andere Verlage lohnt, die Leistungen bei uns einzukaufen.“ Umgekehrt könne man sich bei Funke aber auch vorstellen, die Dienstleistungen anderer Verlage in Anspruch zu nehmen.

Auch auf dem Kongress Scoopcamp Mitte September hatte sich Becker zu ihren Plänen geäußert und, wie das Hamburger Abendblatt (ebenfalls Funke) berichtete, ein klares Bekenntnis zum Print abgegeben, „weil ein Großteil unserer Leserinnen und Leser das Produkt morgens auf dem Frühstückstisch liegen haben will“. Zugleich sei die digitale Transformation eine große Chance, kreative neue Erlösmodelle zu schaffen.

Diesmal wirklich investieren

Der DJV-NRW setzt darauf, dass Verlegerin Julia Becker Wort hält und in die Zukunft des Unternehmens investiert. „Leider haben wir gerade bei Funke in der Vergangenheit zu oft erleben müssen, dass auf Pump finanzierte Anteilsverschiebungen durch harte Sparmaßnahmen im Unternehmen refinanziert werden sollten. Das muss sich in Zukunft ändern. Und da wird der DJV-NRW als Partner der Mitarbeitenden und ihrer Betriebsräte auch weiter genau hinschauen“, erklärt Stach.

Das Bauchgrummeln kommt nicht von ungefähr: Der DJV-NRW hat die Kolleginnen und Kollegen bei zahlreichen Umstrukturierungenund Streichrunden begleitet. So hatte der Medienkonzern Ende 2008 den Abbau von mehr als 300 Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet verkündet und im Jahre darauf umgesetzt. Nach weiteren Sparmaßnahmen setzte er 2013 die Belegschaft der Westfälischen Rundschau vor die Tür. Das Blatt erscheint seitdem als Zombiezeitung – mit Schriftzug der WR im Kopf, aber mit Inhalten anderer Blätter gefüllt. Aktuell lässt Funke diese Idee nach Thüringen schwappen: Seit Juli bezieht die Ilmenauer Thüringer Allgemeine aus dem Hause Funke den Inhalt für ihren Lokalteil von der Konkurrenz: dem Freien Wort, das zur süddeutschen Verlagsgruppe gehört.||

 

Ein Beitrag aus JOURNAL 5/21, dem Medien- und Mitgliedermagazin des DJV-NRW, erschienen im Oktober 2021.